Warum veränderst du dein sanft- und mildes Wesen, Geliebte Luft, warum verkehrst du dich? Warum verändert sich Dein Säuseln in ein heftig Sausen, Dein Lispeln in ein wildes Brausen? Warum wird dein sapphirnes Blau Jtzt falb und dunkel- grau? Wie kömmt es, daß du uns entlaubest? Du raubst dir deinen Schmuck, indem du uns beraubest, Da wir ja fast für dich allein So schön geziert gewesen seyn. Dein Reich war durch die grüne Pracht, Die wir hervorgebracht, Ja lustig, angenehm und schön, Und schöner fast, als wir selbst, anzusehn. Besinne dich, nimm uns nicht unser Kleid, Das dich zugleich geziert, mit solcher Heftigkeit.
Die Luft.
Jhr übereilet euch, ihr wehrten Bäume, nur, Jhr glaubt, ich schadete zugleich So mir, als euch. Ach nein! Jch folge bloß der Ordnung der Natur; Jhr wollt der Regel widersteh'n, Die unser Urquell uns gesetzt. Der Kreis-Lauf, der so weis' als schön, Würd' unterbrochen und verletzt.
Die
7 Theil. L l
Klage der Baͤume uͤber die Luft.
Die Baͤume.
Warum veraͤnderſt du dein ſanft- und mildes Weſen, Geliebte Luft, warum verkehrſt du dich? Warum veraͤndert ſich Dein Saͤuſeln in ein heftig Sauſen, Dein Lispeln in ein wildes Brauſen? Warum wird dein ſapphirnes Blau Jtzt falb und dunkel- grau? Wie koͤmmt es, daß du uns entlaubeſt? Du raubſt dir deinen Schmuck, indem du uns beraubeſt, Da wir ja faſt fuͤr dich allein So ſchoͤn geziert geweſen ſeyn. Dein Reich war durch die gruͤne Pracht, Die wir hervorgebracht, Ja luſtig, angenehm und ſchoͤn, Und ſchoͤner faſt, als wir ſelbſt, anzuſehn. Beſinne dich, nimm uns nicht unſer Kleid, Das dich zugleich geziert, mit ſolcher Heftigkeit.
Die Luft.
Jhr uͤbereilet euch, ihr wehrten Baͤume, nur, Jhr glaubt, ich ſchadete zugleich So mir, als euch. Ach nein! Jch folge bloß der Ordnung der Natur; Jhr wollt der Regel widerſteh’n, Die unſer Urquell uns geſetzt. Der Kreis-Lauf, der ſo weiſ’ als ſchoͤn, Wuͤrd’ unterbrochen und verletzt.
Die
7 Theil. L l
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Klage der Baͤume uͤber die Luft.
Die Baͤume.
Warum veraͤnderſt du dein ſanft- und mildes Weſen,
Geliebte Luft, warum verkehrſt du dich?
Warum veraͤndert ſich
Dein Saͤuſeln in ein heftig Sauſen,
Dein Lispeln in ein wildes Brauſen?
Warum wird dein ſapphirnes Blau
Jtzt falb und dunkel- grau?
Wie koͤmmt es, daß du uns entlaubeſt?
Du raubſt dir deinen Schmuck, indem du uns beraubeſt,
Da wir ja faſt fuͤr dich allein
So ſchoͤn geziert geweſen ſeyn.
Dein Reich war durch die gruͤne Pracht,
Die wir hervorgebracht,
Ja luſtig, angenehm und ſchoͤn,
Und ſchoͤner faſt, als wir ſelbſt, anzuſehn.
Beſinne dich, nimm uns nicht unſer Kleid,
Das dich zugleich geziert, mit ſolcher Heftigkeit.
Die Luft.
Jhr uͤbereilet euch, ihr wehrten Baͤume, nur,
Jhr glaubt, ich ſchadete zugleich
So mir, als euch.
Ach nein! Jch folge bloß der Ordnung der Natur;
Jhr wollt der Regel widerſteh’n,
Die unſer Urquell uns geſetzt.
Der Kreis-Lauf, der ſo weiſ’ als ſchoͤn,
Wuͤrd’ unterbrochen und verletzt.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/547>, abgerufen am 22.11.2024.
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