Die Lust, euch fröhlich anzuseh'n, (So doch des Schöpfers Absicht war) Würd' allen Sterblichen vergeh'n, Wenn eurer alten Blätter Schaar Beständig und unwandelbar Jn einem gleichen Grünen bliebe, Und euch der Winter nicht vertriebe; Damit, bey einem frohen Lenzen, Jhr, ganz vergnüget, schöner glänzen, Erneute Freud' erregen mögtet, Und größre Lust im Wechsel brächtet, Dem, dem, auch mitten im Vergnügen, Wofern kein Wechsel da, nichts lieblich scheint, Und der nicht mächtig gnug, den mächt'gen Feind, Die alles dämpfende Gewohnheit, zu besiegen. Drum, liebe Blättergen, erbleichet, Welkt allgemach, vergeht und weichet Den künft'gen Blättern aus dem Wege, Damit, durch ihre frische Pracht, Der Mensch aus der Gewohnheit Nacht Jm Lenzen recht aufs neu erwacht, Den, Der die Welt so schön gemacht, Mit neuer Andacht preisen möge!
Der
Klage der Baͤume uͤber die Luft.
Die Luſt, euch froͤhlich anzuſeh’n, (So doch des Schoͤpfers Abſicht war) Wuͤrd’ allen Sterblichen vergeh’n, Wenn eurer alten Blaͤtter Schaar Beſtaͤndig und unwandelbar Jn einem gleichen Gruͤnen bliebe, Und euch der Winter nicht vertriebe; Damit, bey einem frohen Lenzen, Jhr, ganz vergnuͤget, ſchoͤner glaͤnzen, Erneute Freud’ erregen moͤgtet, Und groͤßre Luſt im Wechſel braͤchtet, Dem, dem, auch mitten im Vergnuͤgen, Wofern kein Wechſel da, nichts lieblich ſcheint, Und der nicht maͤchtig gnug, den maͤcht’gen Feind, Die alles daͤmpfende Gewohnheit, zu beſiegen. Drum, liebe Blaͤttergen, erbleichet, Welkt allgemach, vergeht und weichet Den kuͤnft’gen Blaͤttern aus dem Wege, Damit, durch ihre friſche Pracht, Der Menſch aus der Gewohnheit Nacht Jm Lenzen recht aufs neu erwacht, Den, Der die Welt ſo ſchoͤn gemacht, Mit neuer Andacht preiſen moͤge!
Der
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Klage der Baͤume uͤber die Luft.
Die Luſt, euch froͤhlich anzuſeh’n,
(So doch des Schoͤpfers Abſicht war)
Wuͤrd’ allen Sterblichen vergeh’n,
Wenn eurer alten Blaͤtter Schaar
Beſtaͤndig und unwandelbar
Jn einem gleichen Gruͤnen bliebe,
Und euch der Winter nicht vertriebe;
Damit, bey einem frohen Lenzen,
Jhr, ganz vergnuͤget, ſchoͤner glaͤnzen,
Erneute Freud’ erregen moͤgtet,
Und groͤßre Luſt im Wechſel braͤchtet,
Dem, dem, auch mitten im Vergnuͤgen,
Wofern kein Wechſel da, nichts lieblich ſcheint,
Und der nicht maͤchtig gnug, den maͤcht’gen Feind,
Die alles daͤmpfende Gewohnheit, zu beſiegen.
Drum, liebe Blaͤttergen, erbleichet,
Welkt allgemach, vergeht und weichet
Den kuͤnft’gen Blaͤttern aus dem Wege,
Damit, durch ihre friſche Pracht,
Der Menſch aus der Gewohnheit Nacht
Jm Lenzen recht aufs neu erwacht,
Den, Der die Welt ſo ſchoͤn gemacht,
Mit neuer Andacht preiſen moͤge!
Der
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/548>, abgerufen am 22.11.2024.
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