Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.Die Welt im Wasser. Allein ich sah noch mehr als dieß; ich sah die blaue Fluht von weiten Bey dem erhabnen Schutz des Landes, den Deichen, sanft vorüber gleiten, Mit Schiffen hier und dort bedeckt. Die grosse Fläche zog den Blick Auf eine ferne Reise fort, und ließ ihn nicht so bald zurück. Jch sucht' auf einen Gegenstand denselbigen mit Müh' zu wenden; Allein es konnte seine Reise nicht eh, als in der Luft, sich enden, Weil keine Grenzen sonst vorhanden. Jch dachte, was in diesen Tiefen Doch wohl für ungezählte Formen beschuppter Wasser- Bürger liefen! Was doch wohl für ein Heer voll Wunder in diesem hohlen Grunde wühlt! Welch eine Creaturen-Menge in diesem dunklen Schlunde spielt! Bis mich der Glanz der schönen Erde von neuem wieder auf sich zog, Da ich denn, durch den Winter-Schmuck der Welt gerührt, aufs neu erwog: Da so viel' Gegenwürf' im Winter, durchs Sonnen-Licht, und unsre Augen, Dem Geiste, der es überlegt, Vergnügungen zu bringen taugen; So sollten wenigstens vor allen die, denen GOtt Bequehm- lichkeit, Sich vor dem strengen Frost zu schützen, im Frost so gnä- diglich verleiht, Sich, GOtt zum Ruhm, daran vergnügen, weil, wenn wir die Natur ergründen, Wir auch im Winter Ordnung, Schönheit und überall den Schöpfer finden. Das
Die Welt im Waſſer. Allein ich ſah noch mehr als dieß; ich ſah die blaue Fluht von weiten Bey dem erhabnen Schutz des Landes, den Deichen, ſanft voruͤber gleiten, Mit Schiffen hier und dort bedeckt. Die groſſe Flaͤche zog den Blick Auf eine ferne Reiſe fort, und ließ ihn nicht ſo bald zuruͤck. Jch ſucht’ auf einen Gegenſtand denſelbigen mit Muͤh’ zu wenden; Allein es konnte ſeine Reiſe nicht eh, als in der Luft, ſich enden, Weil keine Grenzen ſonſt vorhanden. Jch dachte, was in dieſen Tiefen Doch wohl fuͤr ungezaͤhlte Formen beſchuppter Waſſer- Buͤrger liefen! Was doch wohl fuͤr ein Heer voll Wunder in dieſem hohlen Grunde wuͤhlt! Welch eine Creaturen-Menge in dieſem dunklen Schlunde ſpielt! Bis mich der Glanz der ſchoͤnen Erde von neuem wieder auf ſich zog, Da ich denn, durch den Winter-Schmuck der Welt geruͤhrt, aufs neu erwog: Da ſo viel’ Gegenwuͤrf’ im Winter, durchs Sonnen-Licht, und unſre Augen, Dem Geiſte, der es uͤberlegt, Vergnuͤgungen zu bringen taugen; So ſollten wenigſtens vor allen die, denen GOtt Bequehm- lichkeit, Sich vor dem ſtrengen Froſt zu ſchuͤtzen, im Froſt ſo gnaͤ- diglich verleiht, Sich, GOtt zum Ruhm, daran vergnuͤgen, weil, wenn wir die Natur ergruͤnden, Wir auch im Winter Ordnung, Schoͤnheit und uͤberall den Schoͤpfer finden. Das
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Die Welt im Waſſer.
Allein ich ſah noch mehr als dieß; ich ſah die blaue Fluht
von weiten
Bey dem erhabnen Schutz des Landes, den Deichen, ſanft
voruͤber gleiten,
Mit Schiffen hier und dort bedeckt. Die groſſe Flaͤche
zog den Blick
Auf eine ferne Reiſe fort, und ließ ihn nicht ſo bald
zuruͤck.
Jch ſucht’ auf einen Gegenſtand denſelbigen mit Muͤh’
zu wenden;
Allein es konnte ſeine Reiſe nicht eh, als in der Luft, ſich
enden,
Weil keine Grenzen ſonſt vorhanden. Jch dachte, was in
dieſen Tiefen
Doch wohl fuͤr ungezaͤhlte Formen beſchuppter Waſſer-
Buͤrger liefen!
Was doch wohl fuͤr ein Heer voll Wunder in dieſem hohlen
Grunde wuͤhlt!
Welch eine Creaturen-Menge in dieſem dunklen Schlunde
ſpielt!
Bis mich der Glanz der ſchoͤnen Erde von neuem wieder
auf ſich zog,
Da ich denn, durch den Winter-Schmuck der Welt geruͤhrt,
aufs neu erwog:
Da ſo viel’ Gegenwuͤrf’ im Winter, durchs Sonnen-Licht,
und unſre Augen,
Dem Geiſte, der es uͤberlegt, Vergnuͤgungen zu bringen
taugen;
So ſollten wenigſtens vor allen die, denen GOtt Bequehm-
lichkeit,
Sich vor dem ſtrengen Froſt zu ſchuͤtzen, im Froſt ſo gnaͤ-
diglich verleiht,
Sich, GOtt zum Ruhm, daran vergnuͤgen, weil, wenn
wir die Natur ergruͤnden,
Wir auch im Winter Ordnung, Schoͤnheit und uͤberall den
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Das
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