Geschöpf und Schöpfer wohl vereinen, da wir aus Leib und Geist bestehn, Und um und an uns Creaturen, die ihren Schöpfer zei- gen, sehn.
Wir aber wählen andre Wege, betreten eine fremde Bahn, Wir sehen unsere Gedanken von GOtt, die wir uns selber weben, Ohn' auf Sein Seyn in Seinen Werken, wo Er Sich zeiget, Acht zu geben, (O selbst erzieltes Götzen-Bild!) für eine wahre Gottheit an. Wir eignen ihr verschiedne Kräfte, die doch nur in uns selber haften, Und, nur in etwas höherm Grad, der Menschheit eigne Leidenschaften, Die aus uns selber quillen, zu. Wir schneiden, bloß nach unserm Leiste, Uns einen GOtt in unserm Hirn, nach unserm eignen Leib und Geiste. Wir legen nicht nur unsre Cörper, in eines Greisen Bild, Jhm bey; Wir meynen, wenn Er denkt, wie wir, daß Er sodann vernünftig sey. Wir unternehmen uns zu sagen, durch richtig- und gefügte Schlüsse, Daß es, nach ihrem Sinn, die Gottheit so und nicht anders machen müsse.
Wirfst
U u 4
Die erſte Staffel zur Gottheit.
Geſchoͤpf und Schoͤpfer wohl vereinen, da wir aus Leib und Geiſt beſtehn, Und um und an uns Creaturen, die ihren Schoͤpfer zei- gen, ſehn.
Wir aber waͤhlen andre Wege, betreten eine fremde Bahn, Wir ſehen unſere Gedanken von GOtt, die wir uns ſelber weben, Ohn’ auf Sein Seyn in Seinen Werken, wo Er Sich zeiget, Acht zu geben, (O ſelbſt erzieltes Goͤtzen-Bild!) fuͤr eine wahre Gottheit an. Wir eignen ihr verſchiedne Kraͤfte, die doch nur in uns ſelber haften, Und, nur in etwas hoͤherm Grad, der Menſchheit eigne Leidenſchaften, Die aus uns ſelber quillen, zu. Wir ſchneiden, bloß nach unſerm Leiſte, Uns einen GOtt in unſerm Hirn, nach unſerm eignen Leib und Geiſte. Wir legen nicht nur unſre Coͤrper, in eines Greiſen Bild, Jhm bey; Wir meynen, wenn Er denkt, wie wir, daß Er ſodann vernuͤnftig ſey. Wir unternehmen uns zu ſagen, durch richtig- und gefuͤgte Schluͤſſe, Daß es, nach ihrem Sinn, die Gottheit ſo und nicht anders machen muͤſſe.
Wirfſt
U u 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0697"n="679"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Die erſte Staffel zur Gottheit.</hi></fw><lb/><lgn="4"><l>Geſchoͤpf und Schoͤpfer wohl vereinen, da wir aus Leib</l><lb/><l><hirendition="#et">und Geiſt beſtehn,</hi></l><lb/><l>Und um und an uns Creaturen, die ihren Schoͤpfer zei-</l><lb/><l><hirendition="#et">gen, ſehn.</hi></l></lg><lb/><lgn="5"><l>Wir aber waͤhlen andre Wege, betreten eine fremde</l><lb/><l><hirendition="#et">Bahn,</hi></l><lb/><l>Wir ſehen unſere Gedanken von GOtt, die wir uns ſelber</l><lb/><l><hirendition="#et">weben,</hi></l><lb/><l>Ohn’ auf Sein Seyn in Seinen Werken, wo Er Sich</l><lb/><l><hirendition="#et">zeiget, Acht zu geben,</hi></l><lb/><l>(O ſelbſt erzieltes Goͤtzen-Bild!) fuͤr eine wahre Gottheit</l><lb/><l><hirendition="#et">an.</hi></l><lb/><l>Wir eignen ihr verſchiedne Kraͤfte, die doch nur in uns</l><lb/><l><hirendition="#et">ſelber haften,</hi></l><lb/><l>Und, nur in etwas hoͤherm Grad, der Menſchheit eigne</l><lb/><l><hirendition="#et">Leidenſchaften,</hi></l><lb/><l>Die aus uns ſelber quillen, zu. Wir ſchneiden, bloß</l><lb/><l><hirendition="#et">nach unſerm Leiſte,</hi></l><lb/><l>Uns einen GOtt in unſerm Hirn, nach unſerm eignen</l><lb/><l><hirendition="#et">Leib und Geiſte.</hi></l><lb/><l>Wir legen nicht nur unſre Coͤrper, in eines Greiſen Bild,</l><lb/><l><hirendition="#et">Jhm bey;</hi></l><lb/><l>Wir meynen, wenn Er denkt, wie wir, daß Er ſodann</l><lb/><l><hirendition="#et">vernuͤnftig ſey.</hi></l><lb/><l>Wir unternehmen uns zu ſagen, durch richtig- und gefuͤgte</l><lb/><l><hirendition="#et">Schluͤſſe,</hi></l><lb/><l>Daß es, nach ihrem Sinn, die Gottheit ſo und nicht anders</l><lb/><l><hirendition="#et">machen muͤſſe.</hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig">U u 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Wirfſt</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[679/0697]
Die erſte Staffel zur Gottheit.
Geſchoͤpf und Schoͤpfer wohl vereinen, da wir aus Leib
und Geiſt beſtehn,
Und um und an uns Creaturen, die ihren Schoͤpfer zei-
gen, ſehn.
Wir aber waͤhlen andre Wege, betreten eine fremde
Bahn,
Wir ſehen unſere Gedanken von GOtt, die wir uns ſelber
weben,
Ohn’ auf Sein Seyn in Seinen Werken, wo Er Sich
zeiget, Acht zu geben,
(O ſelbſt erzieltes Goͤtzen-Bild!) fuͤr eine wahre Gottheit
an.
Wir eignen ihr verſchiedne Kraͤfte, die doch nur in uns
ſelber haften,
Und, nur in etwas hoͤherm Grad, der Menſchheit eigne
Leidenſchaften,
Die aus uns ſelber quillen, zu. Wir ſchneiden, bloß
nach unſerm Leiſte,
Uns einen GOtt in unſerm Hirn, nach unſerm eignen
Leib und Geiſte.
Wir legen nicht nur unſre Coͤrper, in eines Greiſen Bild,
Jhm bey;
Wir meynen, wenn Er denkt, wie wir, daß Er ſodann
vernuͤnftig ſey.
Wir unternehmen uns zu ſagen, durch richtig- und gefuͤgte
Schluͤſſe,
Daß es, nach ihrem Sinn, die Gottheit ſo und nicht anders
machen muͤſſe.
Wirfſt
U u 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 679. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/697>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.