Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Die erste Staffel zur Gottheit.
Wirfst du mir hier vielleicht nun ein: "Mein Freund!
du übereilest dich,
"Du thust bey deiner eignen Seele nicht wohl, sie so
vermessentlich
"So klein zu machen, zu verachten. Bist du von ihr nicht
überführt,
"Sie stamme selbst vom Schöpfer her, Der auch sogar den
Leib formiert
"Jn Adams Leib, nach Seinem Bilde, und Der den Odem,
voller Leben,
"Jn Adams Nase Selber blies; so ist die Antwort leicht
gegeben:
Jst dieses nach dem Wort-Verstande, und nicht figür-
lich zu verstehn;
So weiß ich nicht, wie solche Seele sich jemahls kann ver-
dammet sehn,
Die mit der Gottheit selbst verwandt, wie du ja schreibest,
glaubest, lehrest,
Und an so vielen tausend Stellen die Schrift, nach diesem
Sinn, erklärest.
So wirst du ja, aus diesem Satz, die wirkliche Figürlichkeit,
Jm Ausdruck, von dem Odem sehn, und folglich aus dem-
selben schliessen:
Es sey der Geist des Menschen nicht von göttlicher Be-
schaffenheit,
Und, daß er folglich GOtt nicht fassen, noch bilden kann,
gestehen müssen.
Dieß alles aber hindert nicht, daß GOtt nicht eine rege
Kraft
Der Menschen Seelen anerschaffen, und Er ihr eine Ei-
genschaft,
(Jedoch
Die erſte Staffel zur Gottheit.
Wirfſt du mir hier vielleicht nun ein: “Mein Freund!
du uͤbereileſt dich,
„Du thuſt bey deiner eignen Seele nicht wohl, ſie ſo
vermeſſentlich
„So klein zu machen, zu verachten. Biſt du von ihr nicht
uͤberfuͤhrt,
„Sie ſtamme ſelbſt vom Schoͤpfer her, Der auch ſogar den
Leib formiert
„Jn Adams Leib, nach Seinem Bilde, und Der den Odem,
voller Leben,
„Jn Adams Naſe Selber blies; ſo iſt die Antwort leicht
gegeben:
Jſt dieſes nach dem Wort-Verſtande, und nicht figuͤr-
lich zu verſtehn;
So weiß ich nicht, wie ſolche Seele ſich jemahls kann ver-
dammet ſehn,
Die mit der Gottheit ſelbſt verwandt, wie du ja ſchreibeſt,
glaubeſt, lehreſt,
Und an ſo vielen tauſend Stellen die Schrift, nach dieſem
Sinn, erklaͤreſt.
So wirſt du ja, aus dieſem Satz, die wirkliche Figuͤrlichkeit,
Jm Ausdruck, von dem Odem ſehn, und folglich aus dem-
ſelben ſchlieſſen:
Es ſey der Geiſt des Menſchen nicht von goͤttlicher Be-
ſchaffenheit,
Und, daß er folglich GOtt nicht faſſen, noch bilden kann,
geſtehen muͤſſen.
Dieß alles aber hindert nicht, daß GOtt nicht eine rege
Kraft
Der Menſchen Seelen anerſchaffen, und Er ihr eine Ei-
genſchaft,
(Jedoch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0698" n="680"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die er&#x017F;te Staffel zur Gottheit.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="6">
                <l>Wirf&#x017F;t du mir hier vielleicht nun ein: &#x201C;Mein Freund!</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">du u&#x0364;bereile&#x017F;t dich,</hi> </l><lb/>
                <l>&#x201E;Du thu&#x017F;t bey deiner eignen Seele nicht wohl, &#x017F;ie &#x017F;o</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">verme&#x017F;&#x017F;entlich</hi> </l><lb/>
                <l>&#x201E;So klein zu machen, zu verachten. Bi&#x017F;t du von ihr nicht</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">u&#x0364;berfu&#x0364;hrt,</hi> </l><lb/>
                <l>&#x201E;Sie &#x017F;tamme &#x017F;elb&#x017F;t vom Scho&#x0364;pfer her, Der auch &#x017F;ogar den</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Leib formiert</hi> </l><lb/>
                <l>&#x201E;Jn Adams Leib, nach Seinem Bilde, und Der den Odem,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">voller Leben,</hi> </l><lb/>
                <l>&#x201E;Jn Adams Na&#x017F;e Selber blies; &#x017F;o i&#x017F;t die Antwort leicht</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">gegeben:</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <lg n="7">
                <l>J&#x017F;t die&#x017F;es nach dem Wort-Ver&#x017F;tande, und nicht figu&#x0364;r-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">lich zu ver&#x017F;tehn;</hi> </l><lb/>
                <l>So weiß ich nicht, wie &#x017F;olche Seele &#x017F;ich jemahls kann ver-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">dammet &#x017F;ehn,</hi> </l><lb/>
                <l>Die mit der Gottheit &#x017F;elb&#x017F;t verwandt, wie du ja &#x017F;chreibe&#x017F;t,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">glaube&#x017F;t, lehre&#x017F;t,</hi> </l><lb/>
                <l>Und an &#x017F;o vielen tau&#x017F;end Stellen die Schrift, nach die&#x017F;em</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Sinn, erkla&#x0364;re&#x017F;t.</hi> </l><lb/>
                <l>So wir&#x017F;t du ja, aus die&#x017F;em Satz, die wirkliche Figu&#x0364;rlichkeit,</l><lb/>
                <l>Jm Ausdruck, von dem Odem &#x017F;ehn, und folglich aus dem-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;elben &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en:</hi> </l><lb/>
                <l>Es &#x017F;ey der Gei&#x017F;t des Men&#x017F;chen nicht von go&#x0364;ttlicher Be-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chaffenheit,</hi> </l><lb/>
                <l>Und, daß er folglich GOtt nicht fa&#x017F;&#x017F;en, noch bilden kann,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">ge&#x017F;tehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <lg n="8">
                <l>Dieß alles aber hindert nicht, daß GOtt nicht eine rege</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Kraft</hi> </l><lb/>
                <l>Der Men&#x017F;chen Seelen aner&#x017F;chaffen, und Er ihr eine Ei-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">gen&#x017F;chaft,</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">(Jedoch</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[680/0698] Die erſte Staffel zur Gottheit. Wirfſt du mir hier vielleicht nun ein: “Mein Freund! du uͤbereileſt dich, „Du thuſt bey deiner eignen Seele nicht wohl, ſie ſo vermeſſentlich „So klein zu machen, zu verachten. Biſt du von ihr nicht uͤberfuͤhrt, „Sie ſtamme ſelbſt vom Schoͤpfer her, Der auch ſogar den Leib formiert „Jn Adams Leib, nach Seinem Bilde, und Der den Odem, voller Leben, „Jn Adams Naſe Selber blies; ſo iſt die Antwort leicht gegeben: Jſt dieſes nach dem Wort-Verſtande, und nicht figuͤr- lich zu verſtehn; So weiß ich nicht, wie ſolche Seele ſich jemahls kann ver- dammet ſehn, Die mit der Gottheit ſelbſt verwandt, wie du ja ſchreibeſt, glaubeſt, lehreſt, Und an ſo vielen tauſend Stellen die Schrift, nach dieſem Sinn, erklaͤreſt. So wirſt du ja, aus dieſem Satz, die wirkliche Figuͤrlichkeit, Jm Ausdruck, von dem Odem ſehn, und folglich aus dem- ſelben ſchlieſſen: Es ſey der Geiſt des Menſchen nicht von goͤttlicher Be- ſchaffenheit, Und, daß er folglich GOtt nicht faſſen, noch bilden kann, geſtehen muͤſſen. Dieß alles aber hindert nicht, daß GOtt nicht eine rege Kraft Der Menſchen Seelen anerſchaffen, und Er ihr eine Ei- genſchaft, (Jedoch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/698
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 680. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/698>, abgerufen am 17.06.2024.