Von allen Leidenschaften scheinet die Liebe die natür- lichste (Weil sie nicht weniger den Geist, als wie den Leib, ja nicht allein Des Liebenden, auch der Geliebten, zu ihrem Vorwurf hat) zu seyn. Nun ist bekannt, daß jeder Mensch zugleich aus Leib und Geist besteh, Daher beschäftigt er sich ganz, indem er liebt, und seine Liebe Genießt noch überdem des Geists und Leibes süsse Wech- sel-Triebe Deß, der von ihm geliebet wird. Wann Liebende nun solche Gaben, Daß sie mit Recht vermeynen können, durch ihre cörper- liche Zier, Durch Schönheit, Stärke, Stand und Ansehn, den schö- nen Vorwurf der Begier Dadurch sich angenehm zu machen, und ihn zu reizen, an sich haben, Zugleich, bey ihrem Gegenwurf, desgleichen auch für sich zu finden, Mit Fug und Recht, vermuhten können; so wird in ihrer beyder Brust, Sowohl so gleich, als im Besitz, ein' angenehme Wech- sel-Lust, Mit Banden, voller süssen Anmuht, die nimmer ecklen Herzen binden.
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Die vernuͤnftige und unvernuͤnftige Liebe.
Von allen Leidenſchaften ſcheinet die Liebe die natuͤr- lichſte (Weil ſie nicht weniger den Geiſt, als wie den Leib, ja nicht allein Des Liebenden, auch der Geliebten, zu ihrem Vorwurf hat) zu ſeyn. Nun iſt bekannt, daß jeder Menſch zugleich aus Leib und Geiſt beſteh, Daher beſchaͤftigt er ſich ganz, indem er liebt, und ſeine Liebe Genießt noch uͤberdem des Geiſts und Leibes ſuͤſſe Wech- ſel-Triebe Deß, der von ihm geliebet wird. Wann Liebende nun ſolche Gaben, Daß ſie mit Recht vermeynen koͤnnen, durch ihre coͤrper- liche Zier, Durch Schoͤnheit, Staͤrke, Stand und Anſehn, den ſchoͤ- nen Vorwurf der Begier Dadurch ſich angenehm zu machen, und ihn zu reizen, an ſich haben, Zugleich, bey ihrem Gegenwurf, desgleichen auch fuͤr ſich zu finden, Mit Fug und Recht, vermuhten koͤnnen; ſo wird in ihrer beyder Bruſt, Sowohl ſo gleich, als im Beſitz, ein’ angenehme Wech- ſel-Luſt, Mit Banden, voller ſuͤſſen Anmuht, die nimmer ecklen Herzen binden.
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Die vernuͤnftige und unvernuͤnftige
Liebe.
Von allen Leidenſchaften ſcheinet die Liebe die natuͤr-
lichſte
(Weil ſie nicht weniger den Geiſt, als wie den Leib, ja
nicht allein
Des Liebenden, auch der Geliebten, zu ihrem Vorwurf
hat) zu ſeyn.
Nun iſt bekannt, daß jeder Menſch zugleich aus Leib und
Geiſt beſteh,
Daher beſchaͤftigt er ſich ganz, indem er liebt, und ſeine
Liebe
Genießt noch uͤberdem des Geiſts und Leibes ſuͤſſe Wech-
ſel-Triebe
Deß, der von ihm geliebet wird. Wann Liebende nun
ſolche Gaben,
Daß ſie mit Recht vermeynen koͤnnen, durch ihre coͤrper-
liche Zier,
Durch Schoͤnheit, Staͤrke, Stand und Anſehn, den ſchoͤ-
nen Vorwurf der Begier
Dadurch ſich angenehm zu machen, und ihn zu reizen, an
ſich haben,
Zugleich, bey ihrem Gegenwurf, desgleichen auch fuͤr ſich
zu finden,
Mit Fug und Recht, vermuhten koͤnnen; ſo wird in ihrer
beyder Bruſt,
Sowohl ſo gleich, als im Beſitz, ein’ angenehme Wech-
ſel-Luſt,
Mit Banden, voller ſuͤſſen Anmuht, die nimmer ecklen
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/700>, abgerufen am 22.11.2024.
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