Kommt nun die Gleichheit der Gemühter zu ihrer Anmuht noch hinzu, So findet sich die meistens sonst umsonst gesuchte Seelen- Ruh Bey beyden überschwenglich ein: Zumahl die letztere noch währet, Wenn etwan unsers Leibes Vorzug, als welcher flüchtig, uns entfähret, Und durch sich selber fähig ist, wofern sie billig, an den Zügen, Die die Geliebte einst besessen, sich, im Erinnern, zu ver- gnügen, Wenn dessen Geistes Schönheit nur der cörperlichen Platz vertritt, Und seine Freund- und Zärtlichkeit das, was die Zeit ge- raubt, ersetzet, Jndem sie nicht den andern nur, zugleich in seiner Lust, sich mit- Ja, wo er recht vernünftig ist, sich öfters mehr, als er, ergetzet.
Wann aber jemand, welcher liebet, von solchen Gaben nichts besitzt, Wie kann er denn mit Recht begehren vom Gegentheil geliebt zu seyn? Zwar findet sich, daß in der Ehe zuweilen die Gewohn- heit nützt; Doch dienet sie zur Liebe selten, nur zur Erträglichkeit allein. Es wird denn dieß von selbsten folgen, und ist das Sprich- wort wahr vor allen: Ein jeder muß gefällig seyn, wo er gedenket zu gefallen.
Die
Die vernuͤnftige und unvernuͤnftige Liebe.
Kommt nun die Gleichheit der Gemuͤhter zu ihrer Anmuht noch hinzu, So findet ſich die meiſtens ſonſt umſonſt geſuchte Seelen- Ruh Bey beyden uͤberſchwenglich ein: Zumahl die letztere noch waͤhret, Wenn etwan unſers Leibes Vorzug, als welcher fluͤchtig, uns entfaͤhret, Und durch ſich ſelber faͤhig iſt, wofern ſie billig, an den Zuͤgen, Die die Geliebte einſt beſeſſen, ſich, im Erinnern, zu ver- gnuͤgen, Wenn deſſen Geiſtes Schoͤnheit nur der coͤrperlichen Platz vertritt, Und ſeine Freund- und Zaͤrtlichkeit das, was die Zeit ge- raubt, erſetzet, Jndem ſie nicht den andern nur, zugleich in ſeiner Luſt, ſich mit- Ja, wo er recht vernuͤnftig iſt, ſich oͤfters mehr, als er, ergetzet.
Wann aber jemand, welcher liebet, von ſolchen Gaben nichts beſitzt, Wie kann er denn mit Recht begehren vom Gegentheil geliebt zu ſeyn? Zwar findet ſich, daß in der Ehe zuweilen die Gewohn- heit nuͤtzt; Doch dienet ſie zur Liebe ſelten, nur zur Ertraͤglichkeit allein. Es wird denn dieß von ſelbſten folgen, und iſt das Sprich- wort wahr vor allen: Ein jeder muß gefaͤllig ſeyn, wo er gedenket zu gefallen.
Die
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Die vernuͤnftige und unvernuͤnftige Liebe.
Kommt nun die Gleichheit der Gemuͤhter zu ihrer Anmuht
noch hinzu,
So findet ſich die meiſtens ſonſt umſonſt geſuchte Seelen-
Ruh
Bey beyden uͤberſchwenglich ein: Zumahl die letztere noch
waͤhret,
Wenn etwan unſers Leibes Vorzug, als welcher fluͤchtig,
uns entfaͤhret,
Und durch ſich ſelber faͤhig iſt, wofern ſie billig, an den
Zuͤgen,
Die die Geliebte einſt beſeſſen, ſich, im Erinnern, zu ver-
gnuͤgen,
Wenn deſſen Geiſtes Schoͤnheit nur der coͤrperlichen Platz
vertritt,
Und ſeine Freund- und Zaͤrtlichkeit das, was die Zeit ge-
raubt, erſetzet,
Jndem ſie nicht den andern nur, zugleich in ſeiner Luſt,
ſich mit-
Ja, wo er recht vernuͤnftig iſt, ſich oͤfters mehr, als er,
ergetzet.
Wann aber jemand, welcher liebet, von ſolchen Gaben
nichts beſitzt,
Wie kann er denn mit Recht begehren vom Gegentheil
geliebt zu ſeyn?
Zwar findet ſich, daß in der Ehe zuweilen die Gewohn-
heit nuͤtzt;
Doch dienet ſie zur Liebe ſelten, nur zur Ertraͤglichkeit
allein.
Es wird denn dieß von ſelbſten folgen, und iſt das Sprich-
wort wahr vor allen:
Ein jeder muß gefaͤllig ſeyn, wo er gedenket zu gefallen.
Die
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 683. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/701>, abgerufen am 22.11.2024.
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