Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.Frühlings-Gedicht. Mein, durch unsers Frühlings Pracht, inniglich gerührter Geist Soll in dieser meiner Lust zu der Anmuht-Quelle steigen, Welchen Seine schöne Werke, itzt fast mehr als sonst, mir zeigen, Der sich uns in jeder Bluhme, Blüht und Kraut fast sichtbar weist. Zu den künstlichen Gebäuden netter Nester scheint die Schaar Der Geflügel zugerichtet, und die kleinen regen Bienen Müssen der Natur, als Werkzeug ihrer klugen Absicht, dienen Zu den Wachs- und Honig-Zellen, ja dieselbe braucht so gar, Zu dem künstlichen Gewebe zarter Netze, kluge Spinnen. Dieses spüren unsre Sinnen; Aber, zu der Bluhmen, Blühte, Grases und des Laubes Zier Trifft man überall kein Thier, Gar kein Werkzeug, keinen Künstler, keinen sichtbarn Mei- ster an. Hier erweiset die Natur, daß sie selbst unmittelbar Das vortrefflichste, das schönste, sonder Hülfe, bilden kann. Aber kann man hierbey wohl, mit Befugniß, stille stehen? Müssen wir mit unserm Denken nicht gebührend weiter gehen, Als bloß zu dem Wort Natur? Welches uns zu blenden scheint, Da man, durch Gewohnheit schwindlich, es recht wohl zu fassen meynt; Aber dennoch nichts begreift. Nur der Gottheit, bloß allein, Muß der Ursprung aller Dinge einzig zugeeignet seyn. Seine D 3
Fruͤhlings-Gedicht. Mein, durch unſers Fruͤhlings Pracht, inniglich geruͤhrter Geiſt Soll in dieſer meiner Luſt zu der Anmuht-Quelle ſteigen, Welchen Seine ſchoͤne Werke, itzt faſt mehr als ſonſt, mir zeigen, Der ſich uns in jeder Bluhme, Bluͤht und Kraut faſt ſichtbar weiſt. Zu den kuͤnſtlichen Gebaͤuden netter Neſter ſcheint die Schaar Der Gefluͤgel zugerichtet, und die kleinen regen Bienen Muͤſſen der Natur, als Werkzeug ihrer klugen Abſicht, dienen Zu den Wachs- und Honig-Zellen, ja dieſelbe braucht ſo gar, Zu dem kuͤnſtlichen Gewebe zarter Netze, kluge Spinnen. Dieſes ſpuͤren unſre Sinnen; Aber, zu der Bluhmen, Bluͤhte, Graſes und des Laubes Zier Trifft man uͤberall kein Thier, Gar kein Werkzeug, keinen Kuͤnſtler, keinen ſichtbarn Mei- ſter an. Hier erweiſet die Natur, daß ſie ſelbſt unmittelbar Das vortrefflichſte, das ſchoͤnſte, ſonder Huͤlfe, bilden kann. Aber kann man hierbey wohl, mit Befugniß, ſtille ſtehen? Muͤſſen wir mit unſerm Denken nicht gebuͤhrend weiter gehen, Als bloß zu dem Wort Natur? Welches uns zu blenden ſcheint, Da man, durch Gewohnheit ſchwindlich, es recht wohl zu faſſen meynt; Aber dennoch nichts begreift. Nur der Gottheit, bloß allein, Muß der Urſprung aller Dinge einzig zugeeignet ſeyn. Seine D 3
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Fruͤhlings-Gedicht.
Mein, durch unſers Fruͤhlings Pracht, inniglich geruͤhrter
Geiſt
Soll in dieſer meiner Luſt zu der Anmuht-Quelle ſteigen,
Welchen Seine ſchoͤne Werke, itzt faſt mehr als ſonſt, mir
zeigen,
Der ſich uns in jeder Bluhme, Bluͤht und Kraut faſt ſichtbar
weiſt.
Zu den kuͤnſtlichen Gebaͤuden netter Neſter ſcheint die
Schaar
Der Gefluͤgel zugerichtet, und die kleinen regen Bienen
Muͤſſen der Natur, als Werkzeug ihrer klugen Abſicht,
dienen
Zu den Wachs- und Honig-Zellen, ja dieſelbe braucht ſo gar,
Zu dem kuͤnſtlichen Gewebe zarter Netze, kluge Spinnen.
Dieſes ſpuͤren unſre Sinnen;
Aber, zu der Bluhmen, Bluͤhte, Graſes und des Laubes Zier
Trifft man uͤberall kein Thier,
Gar kein Werkzeug, keinen Kuͤnſtler, keinen ſichtbarn Mei-
ſter an.
Hier erweiſet die Natur, daß ſie ſelbſt unmittelbar
Das vortrefflichſte, das ſchoͤnſte, ſonder Huͤlfe, bilden kann.
Aber kann man hierbey wohl, mit Befugniß, ſtille ſtehen?
Muͤſſen wir mit unſerm Denken nicht gebuͤhrend weiter
gehen,
Als bloß zu dem Wort Natur? Welches uns zu blenden
ſcheint,
Da man, durch Gewohnheit ſchwindlich, es recht wohl zu
faſſen meynt;
Aber dennoch nichts begreift. Nur der Gottheit, bloß allein,
Muß der Urſprung aller Dinge einzig zugeeignet ſeyn.
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