Oft glaubt der Mensch, daß die Natur und er, zwey eigne Wesen seyn, Die, wo nicht gleich, doch wenigstens an Geist und Kräf- ten überein, Und mehrentheils zusammenstimmen. Doch nein! zuwei- len glaubt er kaum, Daß er nicht weit noch über sie mit seines Geistes Kräften gehe, Und daß sie (wie verschiedne Vorwürf') ihm gänzlich zu Gebohte stehe, Er läßt, in der geschwollnen Meynung, ihr kaum an der Regierung Raum.
Allein, wenn wir die Ordnung, Wirkung und ihre Hand- lung überlegen, Den bündigen Zusammenhang, ihr Thun, das nimmer fehlt, erwegen; So kommt der Mensch mit allem Wissen, und allen seinen Werken mir Nur als ein Werkzeug, das von GOtt für die Natur erle- sen, für, Das sie zu ihrem Zweck gebraucht, das grosse Ganze zu erhalten Jn der ihr von der ew'gen Weisheit gegebnen Ordnung, Maaß und Ziel.
So fahr denn fort, o kluges Werkzeug, in deinem hie- sigen Verwalten, So viel, als dir gebühret, von dir zu halten, aber nicht zu viel!
Ein
Zuͤgel des Hochmuhts.
Oft glaubt der Menſch, daß die Natur und er, zwey eigne Weſen ſeyn, Die, wo nicht gleich, doch wenigſtens an Geiſt und Kraͤf- ten uͤberein, Und mehrentheils zuſammenſtimmen. Doch nein! zuwei- len glaubt er kaum, Daß er nicht weit noch uͤber ſie mit ſeines Geiſtes Kraͤften gehe, Und daß ſie (wie verſchiedne Vorwuͤrf’) ihm gaͤnzlich zu Gebohte ſtehe, Er laͤßt, in der geſchwollnen Meynung, ihr kaum an der Regierung Raum.
Allein, wenn wir die Ordnung, Wirkung und ihre Hand- lung uͤberlegen, Den buͤndigen Zuſammenhang, ihr Thun, das nimmer fehlt, erwegen; So kommt der Menſch mit allem Wiſſen, und allen ſeinen Werken mir Nur als ein Werkzeug, das von GOtt fuͤr die Natur erle- ſen, fuͤr, Das ſie zu ihrem Zweck gebraucht, das groſſe Ganze zu erhalten Jn der ihr von der ew’gen Weisheit gegebnen Ordnung, Maaß und Ziel.
So fahr denn fort, o kluges Werkzeug, in deinem hie- ſigen Verwalten, So viel, als dir gebuͤhret, von dir zu halten, aber nicht zu viel!
Ein
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Zuͤgel des Hochmuhts.
Oft glaubt der Menſch, daß die Natur und er, zwey
eigne Weſen ſeyn,
Die, wo nicht gleich, doch wenigſtens an Geiſt und Kraͤf-
ten uͤberein,
Und mehrentheils zuſammenſtimmen. Doch nein! zuwei-
len glaubt er kaum,
Daß er nicht weit noch uͤber ſie mit ſeines Geiſtes Kraͤften
gehe,
Und daß ſie (wie verſchiedne Vorwuͤrf’) ihm gaͤnzlich
zu Gebohte ſtehe,
Er laͤßt, in der geſchwollnen Meynung, ihr kaum an der
Regierung Raum.
Allein, wenn wir die Ordnung, Wirkung und ihre Hand-
lung uͤberlegen,
Den buͤndigen Zuſammenhang, ihr Thun, das nimmer
fehlt, erwegen;
So kommt der Menſch mit allem Wiſſen, und allen ſeinen
Werken mir
Nur als ein Werkzeug, das von GOtt fuͤr die Natur erle-
ſen, fuͤr,
Das ſie zu ihrem Zweck gebraucht, das groſſe Ganze zu
erhalten
Jn der ihr von der ew’gen Weisheit gegebnen Ordnung,
Maaß und Ziel.
So fahr denn fort, o kluges Werkzeug, in deinem hie-
ſigen Verwalten,
So viel, als dir gebuͤhret, von dir zu halten, aber nicht
zu viel!
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 698. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/716>, abgerufen am 22.11.2024.
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