"Wenn der, so dieß Gedicht geschrieben, in unsrer Stelle wär gewesen, "Er gäb uns von der Lust der Welt so viel vergnüglichs nicht zu lesen. Mirander hörte beydes an, der eben in die Stube tratt, Und wie er das von allen beyden ihm eben dargereichte Blatt Mit Fleiß bedächtlich durchgelesen; so fragt er erstlich alle beyde, Nach dem vorher bezeugten Schmerz und Beyleid über ihrem Leide, Mit der ihm eignen sanften Art: Ob das, was in den Versen stünde, Sich in der That nicht so verhielt', und sich nicht in der Welt befünde? Dieß stunden sie ihm beydes zu. Da ihr nun dieß nicht leugnen könnt, Fuhr hier Mirander weiter fort, so war es dem nicht nur vergönnt, Der hier die Welt so schön beschrieben, so schön dieselbe zu beschreiben, Es war dasselbe seine Pflicht. Und werdet ihr so billig seyn, Die Wahrheit ihm nicht zu verübeln. Doch um nun auch bey euch zu bleiben, Die ihr, die Erde schön zu finden, durch Armuht und durch bittre Pein, Betrübt genug, behindert seyd; so laßt uns erst die Dürf- tigkeit, Und ob sie, nach der Welt und Menschen geordneten Be- schaffenheit,
Nicht
Y y 4
der Schoͤnheit der Welt.
„Wenn der, ſo dieß Gedicht geſchrieben, in unſrer Stelle waͤr geweſen, „Er gaͤb uns von der Luſt der Welt ſo viel vergnuͤglichs nicht zu leſen. Mirander hoͤrte beydes an, der eben in die Stube tratt, Und wie er das von allen beyden ihm eben dargereichte Blatt Mit Fleiß bedaͤchtlich durchgeleſen; ſo fragt er erſtlich alle beyde, Nach dem vorher bezeugten Schmerz und Beyleid uͤber ihrem Leide, Mit der ihm eignen ſanften Art: Ob das, was in den Verſen ſtuͤnde, Sich in der That nicht ſo verhielt’, und ſich nicht in der Welt befuͤnde? Dieß ſtunden ſie ihm beydes zu. Da ihr nun dieß nicht leugnen koͤnnt, Fuhr hier Mirander weiter fort, ſo war es dem nicht nur vergoͤnnt, Der hier die Welt ſo ſchoͤn beſchrieben, ſo ſchoͤn dieſelbe zu beſchreiben, Es war daſſelbe ſeine Pflicht. Und werdet ihr ſo billig ſeyn, Die Wahrheit ihm nicht zu veruͤbeln. Doch um nun auch bey euch zu bleiben, Die ihr, die Erde ſchoͤn zu finden, durch Armuht und durch bittre Pein, Betruͤbt genug, behindert ſeyd; ſo laßt uns erſt die Duͤrf- tigkeit, Und ob ſie, nach der Welt und Menſchen geordneten Be- ſchaffenheit,
Nicht
Y y 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0729"n="711"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">der Schoͤnheit der Welt.</hi></fw><lb/><lgn="9"><l>„Wenn der, ſo dieß Gedicht geſchrieben, in unſrer Stelle waͤr</l><lb/><l><hirendition="#et">geweſen,</hi></l><lb/><l>„Er gaͤb uns von der Luſt der Welt ſo viel vergnuͤglichs nicht</l><lb/><l><hirendition="#et">zu leſen.</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Mirander</hi> hoͤrte beydes an, der eben in die Stube tratt,</l><lb/><l>Und wie er das von allen beyden ihm eben dargereichte</l><lb/><l><hirendition="#et">Blatt</hi></l><lb/><l>Mit Fleiß bedaͤchtlich durchgeleſen; ſo fragt er erſtlich</l><lb/><l><hirendition="#et">alle beyde,</hi></l><lb/><l>Nach dem vorher bezeugten Schmerz und Beyleid uͤber</l><lb/><l><hirendition="#et">ihrem Leide,</hi></l><lb/><l>Mit der ihm eignen ſanften Art: Ob das, was in den</l><lb/><l><hirendition="#et">Verſen ſtuͤnde,</hi></l><lb/><l>Sich in der That nicht ſo verhielt’, und ſich nicht in der</l><lb/><l><hirendition="#et">Welt befuͤnde?</hi></l><lb/><l>Dieß ſtunden ſie ihm beydes zu. Da ihr nun dieß nicht</l><lb/><l><hirendition="#et">leugnen koͤnnt,</hi></l><lb/><l>Fuhr hier <hirendition="#aq">Mirander</hi> weiter fort, ſo war es dem nicht</l><lb/><l><hirendition="#et">nur vergoͤnnt,</hi></l><lb/><l>Der hier die Welt ſo ſchoͤn beſchrieben, ſo ſchoͤn dieſelbe</l><lb/><l><hirendition="#et">zu beſchreiben,</hi></l><lb/><l>Es war daſſelbe ſeine Pflicht. Und werdet ihr ſo billig</l><lb/><l><hirendition="#et">ſeyn,</hi></l><lb/><l>Die Wahrheit ihm nicht zu veruͤbeln. Doch um nun auch</l><lb/><l><hirendition="#et">bey euch zu bleiben,</hi></l><lb/><l>Die ihr, die Erde ſchoͤn zu finden, durch Armuht und durch</l><lb/><l><hirendition="#et">bittre Pein,</hi></l><lb/><l>Betruͤbt genug, behindert ſeyd; ſo laßt uns erſt die Duͤrf-</l><lb/><l><hirendition="#et">tigkeit,</hi></l><lb/><l>Und ob ſie, nach der Welt und Menſchen geordneten Be-</l><lb/><l><hirendition="#et">ſchaffenheit,</hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y y 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Nicht</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[711/0729]
der Schoͤnheit der Welt.
„Wenn der, ſo dieß Gedicht geſchrieben, in unſrer Stelle waͤr
geweſen,
„Er gaͤb uns von der Luſt der Welt ſo viel vergnuͤglichs nicht
zu leſen.
Mirander hoͤrte beydes an, der eben in die Stube tratt,
Und wie er das von allen beyden ihm eben dargereichte
Blatt
Mit Fleiß bedaͤchtlich durchgeleſen; ſo fragt er erſtlich
alle beyde,
Nach dem vorher bezeugten Schmerz und Beyleid uͤber
ihrem Leide,
Mit der ihm eignen ſanften Art: Ob das, was in den
Verſen ſtuͤnde,
Sich in der That nicht ſo verhielt’, und ſich nicht in der
Welt befuͤnde?
Dieß ſtunden ſie ihm beydes zu. Da ihr nun dieß nicht
leugnen koͤnnt,
Fuhr hier Mirander weiter fort, ſo war es dem nicht
nur vergoͤnnt,
Der hier die Welt ſo ſchoͤn beſchrieben, ſo ſchoͤn dieſelbe
zu beſchreiben,
Es war daſſelbe ſeine Pflicht. Und werdet ihr ſo billig
ſeyn,
Die Wahrheit ihm nicht zu veruͤbeln. Doch um nun auch
bey euch zu bleiben,
Die ihr, die Erde ſchoͤn zu finden, durch Armuht und durch
bittre Pein,
Betruͤbt genug, behindert ſeyd; ſo laßt uns erſt die Duͤrf-
tigkeit,
Und ob ſie, nach der Welt und Menſchen geordneten Be-
ſchaffenheit,
Nicht
Y y 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 711. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/729>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.