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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

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Nützliche Betrachtung
Und es gewiß, daß man uns Menschen mit Recht denn
unglückselig nennte,
Wenn auf dem Kreise dieser Welt man alt würd' und
nicht sterben könnte.
Ein Kranker wird in solchem Stande, wenn ihn so viele
Plagen kränken,
Zu einem ganz besondern Trost, mit grossem Nutzen, dieß
gedenken:
Daß ihn nicht nur ein jeder Tag, daß ihn nicht nur ein'
jede Stunde,
Und nicht nur jegliche Minute; daß ihn ein' jegliche Se-
cunde
Unwidersprechlich näher bring von seinem hier verspühr-
ten Leiden
Zum End', und auch zugleich zum Anfang der ihm beschied-
nen sel'gen Freuden.
Es wird gewiß die Ueberlegung, zur Linderung von seiner
Pein
Sodenn am allermeisten wirken, und am ersprießlichsten
ihm seyn,
Daß, wenn der GOtt, Der einst zu ihm sprach: Komm!
itzt wieder saget: Gehe!
Er diesem Wink zu folgen willig, gedenke: HErr, Dein
Will' geschehe!
Dieß sind, geliebter Corilas! die Tröstungen in deinem
Leiden,
Die dir so nütz' als nöhtig seyn. Nun wünscht' ich aber
von euch beyden
Zu wissen, ob ihr noch, wie vor, in eurer Meynung seyd
geblieben:
Es wäre, was auf diesem Blatt vom Guten in der Welt
geschrieben,
Nicht
Nuͤtzliche Betrachtung
Und es gewiß, daß man uns Menſchen mit Recht denn
ungluͤckſelig nennte,
Wenn auf dem Kreiſe dieſer Welt man alt wuͤrd’ und
nicht ſterben koͤnnte.
Ein Kranker wird in ſolchem Stande, wenn ihn ſo viele
Plagen kraͤnken,
Zu einem ganz beſondern Troſt, mit groſſem Nutzen, dieß
gedenken:
Daß ihn nicht nur ein jeder Tag, daß ihn nicht nur ein’
jede Stunde,
Und nicht nur jegliche Minute; daß ihn ein’ jegliche Se-
cunde
Unwiderſprechlich naͤher bring von ſeinem hier verſpuͤhr-
ten Leiden
Zum End’, und auch zugleich zum Anfang der ihm beſchied-
nen ſel’gen Freuden.
Es wird gewiß die Ueberlegung, zur Linderung von ſeiner
Pein
Sodenn am allermeiſten wirken, und am erſprießlichſten
ihm ſeyn,
Daß, wenn der GOtt, Der einſt zu ihm ſprach: Komm!
itzt wieder ſaget: Gehe!
Er dieſem Wink zu folgen willig, gedenke: HErr, Dein
Will’ geſchehe!
Dieß ſind, geliebter Corilas! die Troͤſtungen in deinem
Leiden,
Die dir ſo nuͤtz’ als noͤhtig ſeyn. Nun wuͤnſcht’ ich aber
von euch beyden
Zu wiſſen, ob ihr noch, wie vor, in eurer Meynung ſeyd
geblieben:
Es waͤre, was auf dieſem Blatt vom Guten in der Welt
geſchrieben,
Nicht
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[718/0736] Nuͤtzliche Betrachtung Und es gewiß, daß man uns Menſchen mit Recht denn ungluͤckſelig nennte, Wenn auf dem Kreiſe dieſer Welt man alt wuͤrd’ und nicht ſterben koͤnnte. Ein Kranker wird in ſolchem Stande, wenn ihn ſo viele Plagen kraͤnken, Zu einem ganz beſondern Troſt, mit groſſem Nutzen, dieß gedenken: Daß ihn nicht nur ein jeder Tag, daß ihn nicht nur ein’ jede Stunde, Und nicht nur jegliche Minute; daß ihn ein’ jegliche Se- cunde Unwiderſprechlich naͤher bring von ſeinem hier verſpuͤhr- ten Leiden Zum End’, und auch zugleich zum Anfang der ihm beſchied- nen ſel’gen Freuden. Es wird gewiß die Ueberlegung, zur Linderung von ſeiner Pein Sodenn am allermeiſten wirken, und am erſprießlichſten ihm ſeyn, Daß, wenn der GOtt, Der einſt zu ihm ſprach: Komm! itzt wieder ſaget: Gehe! Er dieſem Wink zu folgen willig, gedenke: HErr, Dein Will’ geſchehe! Dieß ſind, geliebter Corilas! die Troͤſtungen in deinem Leiden, Die dir ſo nuͤtz’ als noͤhtig ſeyn. Nun wuͤnſcht’ ich aber von euch beyden Zu wiſſen, ob ihr noch, wie vor, in eurer Meynung ſeyd geblieben: Es waͤre, was auf dieſem Blatt vom Guten in der Welt geſchrieben, Nicht

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 718. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/736>, abgerufen am 22.11.2024.