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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

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Der Sonntag,
Sie gehen mehrentheils hinaus, so wie sie in die Kirche
kamen;

Da sie, die meiste Zeit der Predigt, gehofft auf ein er-
seufztes Amen.

Von fremden, immer regen Geld- und Welt-Gedanken,
sonder Zahl,

Die bald die Wollust, bald der Geiz, erzeuget, sprech'
ich nicht einmal.
Ja, sprichst du, dieß ist, leider! wahr; allein,
es muß, in unserm Leben,
Wie das bekannte Sprichwort zeigt, der Miß-
brauch den Gebrauch nicht heben.
Wie viele fromme Seelen sind, die in die Kirch'
aus Andacht gehn,
Mit Andacht singen, ernstlich beten, und, was der
Lehrer sagt, verstehn,
Ja, sich daraus zu bessern, suchen!
So geb' ich
dieses zu. Allein,

Du wirst auch dieß mir zugestehn, daß solcher Seelen
wenig seyn,

Jm Gegenhalt mit allen andern: zudem, so heischt
das Christenthum,

Nebst vielen guten Ordnungen, daß stets ein Evangelium,
Wie man es nennt, erkläret werde. Die Ordnung
zwinget alle Lehrer,

Daß sie, die Herrlichkeit des Schöpfers in Seinem
Schöpfungs-Werk, dem Hörer,

Behindert werden, vorzustellen. Man hat vielleicht
hiebey gedacht,

Wie man zuerst, im Christenthum, die Kirchen-Ordnun-
gen gemacht,
Dieß
Der Sonntag,
Sie gehen mehrentheils hinaus, ſo wie ſie in die Kirche
kamen;

Da ſie, die meiſte Zeit der Predigt, gehofft auf ein er-
ſeufztes Amen.

Von fremden, immer regen Geld- und Welt-Gedanken,
ſonder Zahl,

Die bald die Wolluſt, bald der Geiz, erzeuget, ſprech’
ich nicht einmal.
Ja, ſprichſt du, dieß iſt, leider! wahr; allein,
es muß, in unſerm Leben,
Wie das bekannte Sprichwort zeigt, der Miß-
brauch den Gebrauch nicht heben.
Wie viele fromme Seelen ſind, die in die Kirch’
aus Andacht gehn,
Mit Andacht ſingen, ernſtlich beten, und, was der
Lehrer ſagt, verſtehn,
Ja, ſich daraus zu beſſern, ſuchen!
So geb’ ich
dieſes zu. Allein,

Du wirſt auch dieß mir zugeſtehn, daß ſolcher Seelen
wenig ſeyn,

Jm Gegenhalt mit allen andern: zudem, ſo heiſcht
das Chriſtenthum,

Nebſt vielen guten Ordnungen, daß ſtets ein Evangelium,
Wie man es nennt, erklaͤret werde. Die Ordnung
zwinget alle Lehrer,

Daß ſie, die Herrlichkeit des Schoͤpfers in Seinem
Schoͤpfungs-Werk, dem Hoͤrer,

Behindert werden, vorzuſtellen. Man hat vielleicht
hiebey gedacht,

Wie man zuerſt, im Chriſtenthum, die Kirchen-Ordnun-
gen gemacht,
Dieß
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[396/0410] Der Sonntag, Sie gehen mehrentheils hinaus, ſo wie ſie in die Kirche kamen; Da ſie, die meiſte Zeit der Predigt, gehofft auf ein er- ſeufztes Amen. Von fremden, immer regen Geld- und Welt-Gedanken, ſonder Zahl, Die bald die Wolluſt, bald der Geiz, erzeuget, ſprech’ ich nicht einmal. Ja, ſprichſt du, dieß iſt, leider! wahr; allein, es muß, in unſerm Leben, Wie das bekannte Sprichwort zeigt, der Miß- brauch den Gebrauch nicht heben. Wie viele fromme Seelen ſind, die in die Kirch’ aus Andacht gehn, Mit Andacht ſingen, ernſtlich beten, und, was der Lehrer ſagt, verſtehn, Ja, ſich daraus zu beſſern, ſuchen! So geb’ ich dieſes zu. Allein, Du wirſt auch dieß mir zugeſtehn, daß ſolcher Seelen wenig ſeyn, Jm Gegenhalt mit allen andern: zudem, ſo heiſcht das Chriſtenthum, Nebſt vielen guten Ordnungen, daß ſtets ein Evangelium, Wie man es nennt, erklaͤret werde. Die Ordnung zwinget alle Lehrer, Daß ſie, die Herrlichkeit des Schoͤpfers in Seinem Schoͤpfungs-Werk, dem Hoͤrer, Behindert werden, vorzuſtellen. Man hat vielleicht hiebey gedacht, Wie man zuerſt, im Chriſtenthum, die Kirchen-Ordnun- gen gemacht, Dieß

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/410>, abgerufen am 22.11.2024.