Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Neu-Jahrs-Gedicht, Bald das; bald alles, was vorhanden. Zuletzt fing, sich sein Haupt zu drehen, Und er, sich aufzurichten, an. Man konnt' an ihm, fast sichtbar, sehen Die Menge stets sich mehrender und ihn verwirrender Jdeen, Die ihn in ein Erstaunen setzten. Dieß währt fast eine Stunde lang, Bis eine starke Neubegier zuletzt ihn, aufzustehen, zwang. Jm Zimmer (dessen obre Fenster allein geöffnet, daß er nicht Die Blicke weit erstrecken könnte) verwandt' er sein erstaunt Gesicht Auf jeden Vorwurf, nach einander; betastet' alles, was ihm nah: Und jedes schien ihn zu vergnügen, was er betastet' und besah. Des ganzen Zimmers Symmetrie schien dem gerührten Geist vor allen; Die zierlichen Mobilien doch auch nicht minder, zu ge- fallen. Zuletzt sah er, von ungefehr, den ihm bekannten Schreib- Tisch stehn, Den man zugleich mit hergebracht. Er freute sich, ihn hier zu sehn: Papier, nebst Dintenfaß und Federn, befanden sich zu recht geleget. Drauf fiel er, theils vom Sehen matt, von Neugier theils dazu beweget, Jn den ihm auch bekannten Lehn-Stuhl; saß etwas stille, dacht, und schien Die ganz zerstreueten Jdeen zusammen und zu recht zu ziehn. Und,
Neu-Jahrs-Gedicht, Bald das; bald alles, was vorhanden. Zuletzt fing, ſich ſein Haupt zu drehen, Und er, ſich aufzurichten, an. Man konnt’ an ihm, faſt ſichtbar, ſehen Die Menge ſtets ſich mehrender und ihn verwirrender Jdeen, Die ihn in ein Erſtaunen ſetzten. Dieß waͤhrt faſt eine Stunde lang, Bis eine ſtarke Neubegier zuletzt ihn, aufzuſtehen, zwang. Jm Zimmer (deſſen obre Fenſter allein geoͤffnet, daß er nicht Die Blicke weit erſtrecken koͤnnte) verwandt’ er ſein erſtaunt Geſicht Auf jeden Vorwurf, nach einander; betaſtet’ alles, was ihm nah: Und jedes ſchien ihn zu vergnuͤgen, was er betaſtet’ und beſah. Des ganzen Zimmers Symmetrie ſchien dem geruͤhrten Geiſt vor allen; Die zierlichen Mobilien doch auch nicht minder, zu ge- fallen. Zuletzt ſah er, von ungefehr, den ihm bekannten Schreib- Tiſch ſtehn, Den man zugleich mit hergebracht. Er freute ſich, ihn hier zu ſehn: Papier, nebſt Dintenfaß und Federn, befanden ſich zu recht geleget. Drauf fiel er, theils vom Sehen matt, von Neugier theils dazu beweget, Jn den ihm auch bekannten Lehn-Stuhl; ſaß etwas ſtille, dacht, und ſchien Die ganz zerſtreueten Jdeen zuſammen und zu recht zu ziehn. Und,
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Neu-Jahrs-Gedicht,
Bald das; bald alles, was vorhanden. Zuletzt fing,
ſich ſein Haupt zu drehen,
Und er, ſich aufzurichten, an. Man konnt’ an ihm, faſt
ſichtbar, ſehen
Die Menge ſtets ſich mehrender und ihn verwirrender
Jdeen,
Die ihn in ein Erſtaunen ſetzten. Dieß waͤhrt faſt eine
Stunde lang,
Bis eine ſtarke Neubegier zuletzt ihn, aufzuſtehen, zwang.
Jm Zimmer (deſſen obre Fenſter allein geoͤffnet, daß er
nicht
Die Blicke weit erſtrecken koͤnnte) verwandt’ er ſein
erſtaunt Geſicht
Auf jeden Vorwurf, nach einander; betaſtet’ alles, was
ihm nah:
Und jedes ſchien ihn zu vergnuͤgen, was er betaſtet’ und
beſah.
Des ganzen Zimmers Symmetrie ſchien dem geruͤhrten
Geiſt vor allen;
Die zierlichen Mobilien doch auch nicht minder, zu ge-
fallen.
Zuletzt ſah er, von ungefehr, den ihm bekannten Schreib-
Tiſch ſtehn,
Den man zugleich mit hergebracht. Er freute ſich, ihn
hier zu ſehn:
Papier, nebſt Dintenfaß und Federn, befanden ſich
zu recht geleget.
Drauf fiel er, theils vom Sehen matt, von Neugier theils
dazu beweget,
Jn den ihm auch bekannten Lehn-Stuhl; ſaß etwas ſtille,
dacht, und ſchien
Die ganz zerſtreueten Jdeen zuſammen und zu recht zu ziehn.
Und,
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