Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.auf das 1745ste Jahr. Und, wie er sonst dazu gewöhnt, was er bemerket, auf- zuschreiben; Schien die Gewohnheit seine Hand, zu dieser Handlung, anzutreiben. Er griff zur Feder, sann ein wenig: Und, wie er etwas nachgedacht; So wurden folgende Gedanken, in Eile, zu Papier gebracht: Die zwar, von einiger Zerstreuung, in den Jdeen; doch daneben, Von seiner reinen Art zu denken, ein' unleugbare Probe geben. "Wo bin ich? Jst, was mir hier in die Augen fällt, "Auch wirklich? Bin ich hier in einer neuen Welt? "Jst alles das, was hier vorhanden, "Und was ich fühl' und seh, von ungefehr entstanden? "Jst es, so wie es ist, gewachsen? Oder muß "Ein Geist gewesen seyn, der, nach vernünftgem Schluß, "Die Theile so gefügt; der alles, mit Bedacht, "Zu solcher Ebenmaß so ordentlich gebracht? "Dieß scheint mir wahr zu seyn. Allein, wo ist der Geist? "Wo find' ich den Verstand? Jst er nicht hier? Wie heißt, "Wie nennt er sich? Jch kann ja nichts von ihm verstehen: "Jch hör', ich fühl' ihn nicht; ich kann ihn auch nicht sehen. "Doch D d 2
auf das 1745ſte Jahr. Und, wie er ſonſt dazu gewoͤhnt, was er bemerket, auf- zuſchreiben; Schien die Gewohnheit ſeine Hand, zu dieſer Handlung, anzutreiben. Er griff zur Feder, ſann ein wenig: Und, wie er etwas nachgedacht; So wurden folgende Gedanken, in Eile, zu Papier gebracht: Die zwar, von einiger Zerſtreuung, in den Jdeen; doch daneben, Von ſeiner reinen Art zu denken, ein’ unleugbare Probe geben. “Wo bin ich? Jſt, was mir hier in die Augen faͤllt, “Auch wirklich? Bin ich hier in einer neuen Welt? “Jſt alles das, was hier vorhanden, “Und was ich fuͤhl’ und ſeh, von ungefehr entſtanden? “Jſt es, ſo wie es iſt, gewachſen? Oder muß “Ein Geiſt geweſen ſeyn, der, nach vernuͤnftgem Schluß, “Die Theile ſo gefuͤgt; der alles, mit Bedacht, “Zu ſolcher Ebenmaß ſo ordentlich gebracht? “Dieß ſcheint mir wahr zu ſeyn. Allein, wo iſt der Geiſt? “Wo find’ ich den Verſtand? Jſt er nicht hier? Wie heißt, “Wie nennt er ſich? Jch kann ja nichts von ihm verſtehen: “Jch hoͤr’, ich fuͤhl’ ihn nicht; ich kann ihn auch nicht ſehen. “Doch D d 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0433" n="419"/> <fw place="top" type="header">auf das 1745ſte Jahr.</fw><lb/> <lg n="11"> <l>Und, wie er ſonſt dazu gewoͤhnt, was er bemerket, auf-<lb/><hi rendition="#et">zuſchreiben;</hi></l><lb/> <l>Schien die Gewohnheit ſeine Hand, zu dieſer Handlung,<lb/><hi rendition="#et">anzutreiben.</hi></l><lb/> <l>Er griff zur Feder, ſann ein wenig: Und, wie er etwas<lb/><hi rendition="#et">nachgedacht;</hi></l><lb/> <l>So wurden folgende Gedanken, in Eile, zu Papier<lb/><hi rendition="#et">gebracht:</hi></l><lb/> <l>Die zwar, von einiger Zerſtreuung, in den Jdeen; doch<lb/><hi rendition="#et">daneben,</hi></l><lb/> <l>Von ſeiner reinen Art zu denken, ein’ unleugbare Probe<lb/><hi rendition="#et">geben.</hi></l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>“Wo bin ich? Jſt, was mir hier in die Augen faͤllt,</l><lb/> <l>“Auch wirklich? Bin ich hier in einer neuen Welt?</l><lb/> <l>“Jſt alles das, was hier vorhanden,</l><lb/> <l>“Und was ich fuͤhl’ und ſeh, von ungefehr entſtanden?</l><lb/> <l>“Jſt es, ſo wie es iſt, gewachſen? Oder muß</l><lb/> <l>“Ein Geiſt geweſen ſeyn, der, nach vernuͤnftgem<lb/><hi rendition="#et">Schluß,</hi></l><lb/> <l>“Die Theile ſo gefuͤgt; der alles, mit Bedacht,</l><lb/> <l>“Zu ſolcher Ebenmaß ſo ordentlich gebracht?</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>“Dieß ſcheint mir wahr zu ſeyn. Allein, wo iſt<lb/><hi rendition="#et">der Geiſt?</hi></l><lb/> <l>“Wo find’ ich den Verſtand? Jſt er nicht hier?<lb/><hi rendition="#et">Wie heißt,</hi></l><lb/> <l>“Wie nennt er ſich? Jch kann ja nichts von ihm<lb/><hi rendition="#et">verſtehen:</hi></l><lb/> <l>“Jch hoͤr’, ich fuͤhl’ ihn nicht; ich kann ihn auch<lb/><hi rendition="#et">nicht ſehen.</hi></l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">D d 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">“Doch</fw><lb/> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [419/0433]
auf das 1745ſte Jahr.
Und, wie er ſonſt dazu gewoͤhnt, was er bemerket, auf-
zuſchreiben;
Schien die Gewohnheit ſeine Hand, zu dieſer Handlung,
anzutreiben.
Er griff zur Feder, ſann ein wenig: Und, wie er etwas
nachgedacht;
So wurden folgende Gedanken, in Eile, zu Papier
gebracht:
Die zwar, von einiger Zerſtreuung, in den Jdeen; doch
daneben,
Von ſeiner reinen Art zu denken, ein’ unleugbare Probe
geben.
“Wo bin ich? Jſt, was mir hier in die Augen faͤllt,
“Auch wirklich? Bin ich hier in einer neuen Welt?
“Jſt alles das, was hier vorhanden,
“Und was ich fuͤhl’ und ſeh, von ungefehr entſtanden?
“Jſt es, ſo wie es iſt, gewachſen? Oder muß
“Ein Geiſt geweſen ſeyn, der, nach vernuͤnftgem
Schluß,
“Die Theile ſo gefuͤgt; der alles, mit Bedacht,
“Zu ſolcher Ebenmaß ſo ordentlich gebracht?
“Dieß ſcheint mir wahr zu ſeyn. Allein, wo iſt
der Geiſt?
“Wo find’ ich den Verſtand? Jſt er nicht hier?
Wie heißt,
“Wie nennt er ſich? Jch kann ja nichts von ihm
verſtehen:
“Jch hoͤr’, ich fuͤhl’ ihn nicht; ich kann ihn auch
nicht ſehen.
“Doch
D d 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |