Wir leben; aber welch ein Leben, wenn man nicht, daß wir leben, denkt! Jnzwischen, daß sich unsre Zeit beständig, wie ein Strohm, versenkt, Wird man, mit eitlem Tand beschäfftigt, kaum, daß wir leben, einst gewahr; Und eh wir merken, daß wir leben, zeigt sich bereits die Todten-Baar.
Wir suchen Brodt, wir suchen Reichthum, wir streben nach dem Schmuck der Ehre, Als wenn, geehrt und reich zu seyn, der Endzweck un- sers Daseyns wäre: Da doch Natur, Vernunft und Schrift, nebst unsern Sinnen, unserm Geist, Jn einer allgemeinen Sprache, ganz einen andern End- zweck weist.
Es predigt uns die ganze Welt den wahren Satz: "Der Schöpfer wolle, "Daß man, in Seinen Werken, Jhn bewundernd, sich vergnügen solle. "Zu dieser Absicht scheinet uns das Leben, auf der Welt, gegeben. "Zum Ruhm des Schöpfers sich vergnügen, das ist allein ein wahres Leben.
Gottes
Das wahre Leben.
Wir leben; aber welch ein Leben, wenn man nicht, daß wir leben, denkt! Jnzwiſchen, daß ſich unſre Zeit beſtaͤndig, wie ein Strohm, verſenkt, Wird man, mit eitlem Tand beſchaͤfftigt, kaum, daß wir leben, einſt gewahr; Und eh wir merken, daß wir leben, zeigt ſich bereits die Todten-Baar.
Wir ſuchen Brodt, wir ſuchen Reichthum, wir ſtreben nach dem Schmuck der Ehre, Als wenn, geehrt und reich zu ſeyn, der Endzweck un- ſers Daſeyns waͤre: Da doch Natur, Vernunft und Schrift, nebſt unſern Sinnen, unſerm Geiſt, Jn einer allgemeinen Sprache, ganz einen andern End- zweck weiſt.
Es predigt uns die ganze Welt den wahren Satz: “Der Schoͤpfer wolle, “Daß man, in Seinen Werken, Jhn bewundernd, ſich vergnuͤgen ſolle. “Zu dieſer Abſicht ſcheinet uns das Leben, auf der Welt, gegeben. “Zum Ruhm des Schoͤpfers ſich vergnuͤgen, das iſt allein ein wahres Leben.
Gottes
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Das wahre Leben.
Wir leben; aber welch ein Leben, wenn man nicht,
daß wir leben, denkt!
Jnzwiſchen, daß ſich unſre Zeit beſtaͤndig, wie ein Strohm,
verſenkt,
Wird man, mit eitlem Tand beſchaͤfftigt, kaum, daß
wir leben, einſt gewahr;
Und eh wir merken, daß wir leben, zeigt ſich bereits die
Todten-Baar.
Wir ſuchen Brodt, wir ſuchen Reichthum, wir ſtreben
nach dem Schmuck der Ehre,
Als wenn, geehrt und reich zu ſeyn, der Endzweck un-
ſers Daſeyns waͤre:
Da doch Natur, Vernunft und Schrift, nebſt unſern
Sinnen, unſerm Geiſt,
Jn einer allgemeinen Sprache, ganz einen andern End-
zweck weiſt.
Es predigt uns die ganze Welt den wahren Satz:
“Der Schoͤpfer wolle,
“Daß man, in Seinen Werken, Jhn bewundernd,
ſich vergnuͤgen ſolle.
“Zu dieſer Abſicht ſcheinet uns das Leben, auf der Welt,
gegeben.
“Zum Ruhm des Schoͤpfers ſich vergnuͤgen, das
iſt allein ein wahres Leben.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/494>, abgerufen am 23.11.2024.
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