Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Auf das Ableben des Hn. Hof-R. Drollingers. Der Jrrthum herrschet in den Geistern, fast aller, die auf Erden wohnen. Erstrecken sich der Seelen Schwächen nicht gar auch auf Religionen? Ein jeder glaubt, mit Ausschluß andrer, als ob nur er die Wahrheit hätt. Viel Millionen ehren Brama, viel Millionen Mahomet. Viel' haben mehr, als tausend, Götter; viel' einen fal- schen, viele keinen: Viel glauben Seelen-Wandrungen; da gegentheils ver- schiedne meynen: Die Seelen sterben mit dem Körper; und was des Aberglaubens mehr. Ein jedes Volk denkt fast besonders; ein jedes Land hat seine Lehr. Wie sträf- und schädlich ist noch ferner die Kränklich- keit der starren Seelen, Die, statt, nach ihrer Pflicht und Ordnung, sich Gottes Werk zum Zweck zu wählen, Vor Gottes Werk, vor der Natur, ja vor der Gottheit Selber, blind, Und minder fast, als alles Vieh, vor Seiner Lieb' em- pfindlich sind! Die das bestirnte Firmament, worinn Sich Gott am hellsten zeiget, Kaum ihres Blickes würdigen. Was aus der frucht- barn Erde steiget, An Bäumen, Kräutern, Gras und Bluhmen, an Feld- an Baum- an Garten-Frucht, Dafür wird Lust, Bewundrung, Dank, in ihnen, nur umsonst gesucht: Sie L l 5
Auf das Ableben des Hn. Hof-R. Drollingers. Der Jrrthum herrſchet in den Geiſtern, faſt aller, die auf Erden wohnen. Erſtrecken ſich der Seelen Schwaͤchen nicht gar auch auf Religionen? Ein jeder glaubt, mit Ausſchluß andrer, als ob nur er die Wahrheit haͤtt. Viel Millionen ehren Brama, viel Millionen Mahomet. Viel’ haben mehr, als tauſend, Goͤtter; viel’ einen fal- ſchen, viele keinen: Viel glauben Seelen-Wandrungen; da gegentheils ver- ſchiedne meynen: Die Seelen ſterben mit dem Koͤrper; und was des Aberglaubens mehr. Ein jedes Volk denkt faſt beſonders; ein jedes Land hat ſeine Lehr. Wie ſtraͤf- und ſchaͤdlich iſt noch ferner die Kraͤnklich- keit der ſtarren Seelen, Die, ſtatt, nach ihrer Pflicht und Ordnung, ſich Gottes Werk zum Zweck zu waͤhlen, Vor Gottes Werk, vor der Natur, ja vor der Gottheit Selber, blind, Und minder faſt, als alles Vieh, vor Seiner Lieb’ em- pfindlich ſind! Die das beſtirnte Firmament, worinn Sich Gott am hellſten zeiget, Kaum ihres Blickes wuͤrdigen. Was aus der frucht- barn Erde ſteiget, An Baͤumen, Kraͤutern, Gras und Bluhmen, an Feld- an Baum- an Garten-Frucht, Dafuͤr wird Luſt, Bewundrung, Dank, in ihnen, nur umſonſt geſucht: Sie L l 5
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Auf das Ableben des Hn. Hof-R. Drollingers.
Der Jrrthum herrſchet in den Geiſtern, faſt aller, die
auf Erden wohnen.
Erſtrecken ſich der Seelen Schwaͤchen nicht gar auch
auf Religionen?
Ein jeder glaubt, mit Ausſchluß andrer, als ob nur er
die Wahrheit haͤtt.
Viel Millionen ehren Brama, viel Millionen Mahomet.
Viel’ haben mehr, als tauſend, Goͤtter; viel’ einen fal-
ſchen, viele keinen:
Viel glauben Seelen-Wandrungen; da gegentheils ver-
ſchiedne meynen:
Die Seelen ſterben mit dem Koͤrper; und was des
Aberglaubens mehr.
Ein jedes Volk denkt faſt beſonders; ein jedes Land
hat ſeine Lehr.
Wie ſtraͤf- und ſchaͤdlich iſt noch ferner die Kraͤnklich-
keit der ſtarren Seelen,
Die, ſtatt, nach ihrer Pflicht und Ordnung, ſich Gottes
Werk zum Zweck zu waͤhlen,
Vor Gottes Werk, vor der Natur, ja vor der Gottheit
Selber, blind,
Und minder faſt, als alles Vieh, vor Seiner Lieb’ em-
pfindlich ſind!
Die das beſtirnte Firmament, worinn Sich Gott am
hellſten zeiget,
Kaum ihres Blickes wuͤrdigen. Was aus der frucht-
barn Erde ſteiget,
An Baͤumen, Kraͤutern, Gras und Bluhmen, an Feld-
an Baum- an Garten-Frucht,
Dafuͤr wird Luſt, Bewundrung, Dank, in ihnen, nur
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