Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Seelen-Betrachtung. Gut! die Ausflucht scheinet billig. Aber, doch zum Zweck zu kommen, Und nicht erst zu untersuchen, ob nicht unser Wesen sey, Statt zwey Theil', als Seel' und Körper, eigentlich gefügt aus drey, Aus dem Körper, Seel' und Geist; laß, von einer an- dern Seelen, Uns die Schranken untersuchen, und zu unserm Vor- wurf wählen. Wir befinden, daß die Seele fühlet, merket, denkt und meynt: Wobey sie, nach ihrem Wesen, dennoch so beschaffen scheint, Daß, wenn keine Körper wären, und wenn ihr die Sin- nen fehlten, Auch so gar ihr' eignen Kräfte ewig sich vor ihr ver- hehlten; Ja, sie würde sich, vermuthlich, selber unbewußt ver- bleiben. Jst denn solchem Wesen wohl, das nur bloß die Fähigkeit, Durch Erfahrung, in sich hegt, das Vermögen zuzu- schreiben, Mich zur Wahrheit hinzuführen, und zur Vollenkom- menheit? Unsers Körpers Wunder-Bau ist so wunderbar gefüget, Zu der offenbahren Absicht, wie es ja vor Augen lieget, Daß wir sinnlich werden sollen; da die Menschen, bloß allein Durch die Werkzeug' ihrer Sinnen, mit der Welt ver- bunden seyn. Wär 8 Theil. N n
Seelen-Betrachtung. Gut! die Ausflucht ſcheinet billig. Aber, doch zum Zweck zu kommen, Und nicht erſt zu unterſuchen, ob nicht unſer Weſen ſey, Statt zwey Theil’, als Seel’ und Koͤrper, eigentlich gefuͤgt aus drey, Aus dem Koͤrper, Seel’ und Geiſt; laß, von einer an- dern Seelen, Uns die Schranken unterſuchen, und zu unſerm Vor- wurf waͤhlen. Wir befinden, daß die Seele fuͤhlet, merket, denkt und meynt: Wobey ſie, nach ihrem Weſen, dennoch ſo beſchaffen ſcheint, Daß, wenn keine Koͤrper waͤren, und wenn ihr die Sin- nen fehlten, Auch ſo gar ihr’ eignen Kraͤfte ewig ſich vor ihr ver- hehlten; Ja, ſie wuͤrde ſich, vermuthlich, ſelber unbewußt ver- bleiben. Jſt denn ſolchem Weſen wohl, das nur bloß die Faͤhigkeit, Durch Erfahrung, in ſich hegt, das Vermoͤgen zuzu- ſchreiben, Mich zur Wahrheit hinzufuͤhren, und zur Vollenkom- menheit? Unſers Koͤrpers Wunder-Bau iſt ſo wunderbar gefuͤget, Zu der offenbahren Abſicht, wie es ja vor Augen lieget, Daß wir ſinnlich werden ſollen; da die Menſchen, bloß allein Durch die Werkzeug’ ihrer Sinnen, mit der Welt ver- bunden ſeyn. Waͤr 8 Theil. N n
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0575" n="561"/> <fw place="top" type="header">Seelen-Betrachtung.</fw><lb/> <lg n="4"> <l>Gut! die Ausflucht ſcheinet billig. Aber, doch zum<lb/><hi rendition="#et">Zweck zu kommen,</hi></l><lb/> <l>Und nicht erſt zu unterſuchen, ob nicht unſer Weſen ſey,</l><lb/> <l>Statt zwey Theil’, als Seel’ und Koͤrper, eigentlich<lb/><hi rendition="#et">gefuͤgt aus drey,</hi></l><lb/> <l>Aus dem Koͤrper, Seel’ und Geiſt; laß, von einer an-<lb/><hi rendition="#et">dern Seelen,</hi></l><lb/> <l>Uns die Schranken unterſuchen, und zu unſerm Vor-<lb/><hi rendition="#et">wurf waͤhlen.</hi></l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Wir befinden, daß die Seele fuͤhlet, merket, denkt<lb/><hi rendition="#et">und meynt:</hi></l><lb/> <l>Wobey ſie, nach ihrem Weſen, dennoch ſo beſchaffen<lb/><hi rendition="#et">ſcheint,</hi></l><lb/> <l>Daß, wenn keine Koͤrper waͤren, und wenn ihr die Sin-<lb/><hi rendition="#et">nen fehlten,</hi></l><lb/> <l>Auch ſo gar ihr’ eignen Kraͤfte ewig ſich vor ihr ver-<lb/><hi rendition="#et">hehlten;</hi></l><lb/> <l>Ja, ſie wuͤrde ſich, vermuthlich, ſelber unbewußt ver-<lb/><hi rendition="#et">bleiben.</hi></l><lb/> <l>Jſt denn ſolchem Weſen wohl, das nur bloß die Faͤhigkeit,</l><lb/> <l>Durch Erfahrung, in ſich hegt, das Vermoͤgen zuzu-<lb/><hi rendition="#et">ſchreiben,</hi></l><lb/> <l>Mich zur Wahrheit hinzufuͤhren, und zur Vollenkom-<lb/><hi rendition="#et">menheit?</hi></l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Unſers Koͤrpers Wunder-Bau iſt ſo wunderbar gefuͤget,</l><lb/> <l>Zu der offenbahren Abſicht, wie es ja vor Augen lieget,</l><lb/> <l>Daß wir ſinnlich werden ſollen; da die Menſchen, bloß<lb/><hi rendition="#et">allein</hi></l><lb/> <l>Durch die Werkzeug’ ihrer Sinnen, mit der Welt ver-<lb/><hi rendition="#et">bunden ſeyn.</hi></l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">8 Theil. N n</fw> <fw place="bottom" type="catch">Waͤr</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [561/0575]
Seelen-Betrachtung.
Gut! die Ausflucht ſcheinet billig. Aber, doch zum
Zweck zu kommen,
Und nicht erſt zu unterſuchen, ob nicht unſer Weſen ſey,
Statt zwey Theil’, als Seel’ und Koͤrper, eigentlich
gefuͤgt aus drey,
Aus dem Koͤrper, Seel’ und Geiſt; laß, von einer an-
dern Seelen,
Uns die Schranken unterſuchen, und zu unſerm Vor-
wurf waͤhlen.
Wir befinden, daß die Seele fuͤhlet, merket, denkt
und meynt:
Wobey ſie, nach ihrem Weſen, dennoch ſo beſchaffen
ſcheint,
Daß, wenn keine Koͤrper waͤren, und wenn ihr die Sin-
nen fehlten,
Auch ſo gar ihr’ eignen Kraͤfte ewig ſich vor ihr ver-
hehlten;
Ja, ſie wuͤrde ſich, vermuthlich, ſelber unbewußt ver-
bleiben.
Jſt denn ſolchem Weſen wohl, das nur bloß die Faͤhigkeit,
Durch Erfahrung, in ſich hegt, das Vermoͤgen zuzu-
ſchreiben,
Mich zur Wahrheit hinzufuͤhren, und zur Vollenkom-
menheit?
Unſers Koͤrpers Wunder-Bau iſt ſo wunderbar gefuͤget,
Zu der offenbahren Abſicht, wie es ja vor Augen lieget,
Daß wir ſinnlich werden ſollen; da die Menſchen, bloß
allein
Durch die Werkzeug’ ihrer Sinnen, mit der Welt ver-
bunden ſeyn.
Waͤr
8 Theil. N n
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |