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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

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Betrachtungen
Wenn die Sammlung der Gewässer
Jn dem unbegrenzten Meer
Frisch, und sie von Gott nicht besser
Zugericht und salzig wär,
Stänk es längst, und wär verdorben,
Aller Fische Heer gestorben;
Es ertrüge Luft und Licht
So viel tausend Jahre nicht.
Wenn das Meer verfaulet wäre,
Welch ein giftig fauler Duft
Stiege dann nicht aus dem Meere,
Und vergiftete die Luft!
Dadurch würde bald auf Erden
Alles angestecket werden.
Solcher Plage, Quaal und Pein
Wehret Gott durchs Salz allein.
Wie wir es darinn entdecken,
Hat das Salz stets von Natur
Bey sechs Flächen mit vier Ecken
Eine würflichte Figur.
Es ist weiß, klar und durchsichtig,
Fest und lauter, nicht schwerwichtig,
Am Geschmacke scharf und rein,
Trocken, und an Körnern klein.
Unser Wesen selbst bestehet
Mit aus Salz, wie offenbar,
Ja, fast alles, was ihr sehet,
Hat zum Grunde Salz. Sogar
Selbst zu unsrer Erden Wesen
Scheint zum Grunde Salz erlesen;
Wie ich denn durch die Chimie
Meistens Salz aus allem zieh.
Stein-
Betrachtungen
Wenn die Sammlung der Gewaͤſſer
Jn dem unbegrenzten Meer
Friſch, und ſie von Gott nicht beſſer
Zugericht und ſalzig waͤr,
Staͤnk es laͤngſt, und waͤr verdorben,
Aller Fiſche Heer geſtorben;
Es ertruͤge Luft und Licht
So viel tauſend Jahre nicht.
Wenn das Meer verfaulet waͤre,
Welch ein giftig fauler Duft
Stiege dann nicht aus dem Meere,
Und vergiftete die Luft!
Dadurch wuͤrde bald auf Erden
Alles angeſtecket werden.
Solcher Plage, Quaal und Pein
Wehret Gott durchs Salz allein.
Wie wir es darinn entdecken,
Hat das Salz ſtets von Natur
Bey ſechs Flaͤchen mit vier Ecken
Eine wuͤrflichte Figur.
Es iſt weiß, klar und durchſichtig,
Feſt und lauter, nicht ſchwerwichtig,
Am Geſchmacke ſcharf und rein,
Trocken, und an Koͤrnern klein.
Unſer Weſen ſelbſt beſtehet
Mit aus Salz, wie offenbar,
Ja, faſt alles, was ihr ſehet,
Hat zum Grunde Salz. Sogar
Selbſt zu unſrer Erden Weſen
Scheint zum Grunde Salz erleſen;
Wie ich denn durch die Chimie
Meiſtens Salz aus allem zieh.
Stein-
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[82/0102] Betrachtungen Wenn die Sammlung der Gewaͤſſer Jn dem unbegrenzten Meer Friſch, und ſie von Gott nicht beſſer Zugericht und ſalzig waͤr, Staͤnk es laͤngſt, und waͤr verdorben, Aller Fiſche Heer geſtorben; Es ertruͤge Luft und Licht So viel tauſend Jahre nicht. Wenn das Meer verfaulet waͤre, Welch ein giftig fauler Duft Stiege dann nicht aus dem Meere, Und vergiftete die Luft! Dadurch wuͤrde bald auf Erden Alles angeſtecket werden. Solcher Plage, Quaal und Pein Wehret Gott durchs Salz allein. Wie wir es darinn entdecken, Hat das Salz ſtets von Natur Bey ſechs Flaͤchen mit vier Ecken Eine wuͤrflichte Figur. Es iſt weiß, klar und durchſichtig, Feſt und lauter, nicht ſchwerwichtig, Am Geſchmacke ſcharf und rein, Trocken, und an Koͤrnern klein. Unſer Weſen ſelbſt beſtehet Mit aus Salz, wie offenbar, Ja, faſt alles, was ihr ſehet, Hat zum Grunde Salz. Sogar Selbſt zu unſrer Erden Weſen Scheint zum Grunde Salz erleſen; Wie ich denn durch die Chimie Meiſtens Salz aus allem zieh. Stein-

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/102>, abgerufen am 21.11.2024.