Wenn wir recht mit Ernst besehen Aller Pflanzen Eigenschaft, So kann keine je entstehen Sonder eines Samens Kraft. Denn ein Same, wie es scheinet, Und man lange Zeit gemeynet, Jst kein Wesen ohn Figur, Es betriegt der Schein uns nur.
Nein, im Samen liegt verschrenket Der zukünft'gen Pflanze Bild, Dieses ist in ihn gesenket, Er ist ganz damit erfüllt. Da die Zäserchen, wie Sehnen, Dann sich aus einander dehnen, Wenn sie Wärm und Feuchtigkeit Lockt und treibt zur Frühlingszeit.
Denn allein aus bloßer Erden Kann, wie die Erfahrung lehrt, Nicht die kleinste Pflanze werden. Bloß den Saft, der Pflanzen nährt, Hebt sie auf. Sie dient daneben, Einen Wohnplatz abzugeben, Da sie sie beherbergt, stützt, Und die Wurzeln deckt und schützt.
Kleine Ran- ken.
Mehr bewundernswerthe Theile Trifft man noch in Pflanzen an, Wovon ich die kleinen Seile Hier nicht übergehen kann, Welche wir an vielen finden, Wodurch sie sich binden, winden, Und wie wir an ihnen sehn, Von der Erde sich erhöh'n.
Erbsen,
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uͤber das Reich der Pflanzen.
Wenn wir recht mit Ernſt beſehen Aller Pflanzen Eigenſchaft, So kann keine je entſtehen Sonder eines Samens Kraft. Denn ein Same, wie es ſcheinet, Und man lange Zeit gemeynet, Jſt kein Weſen ohn Figur, Es betriegt der Schein uns nur.
Nein, im Samen liegt verſchrenket Der zukuͤnft’gen Pflanze Bild, Dieſes iſt in ihn geſenket, Er iſt ganz damit erfuͤllt. Da die Zaͤſerchen, wie Sehnen, Dann ſich aus einander dehnen, Wenn ſie Waͤrm und Feuchtigkeit Lockt und treibt zur Fruͤhlingszeit.
Denn allein aus bloßer Erden Kann, wie die Erfahrung lehrt, Nicht die kleinſte Pflanze werden. Bloß den Saft, der Pflanzen naͤhrt, Hebt ſie auf. Sie dient daneben, Einen Wohnplatz abzugeben, Da ſie ſie beherbergt, ſtuͤtzt, Und die Wurzeln deckt und ſchuͤtzt.
Kleine Ran- ken.
Mehr bewundernswerthe Theile Trifft man noch in Pflanzen an, Wovon ich die kleinen Seile Hier nicht uͤbergehen kann, Welche wir an vielen finden, Wodurch ſie ſich binden, winden, Und wie wir an ihnen ſehn, Von der Erde ſich erhoͤh’n.
Erbſen,
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uͤber das Reich der Pflanzen.
Wenn wir recht mit Ernſt beſehen
Aller Pflanzen Eigenſchaft,
So kann keine je entſtehen
Sonder eines Samens Kraft.
Denn ein Same, wie es ſcheinet,
Und man lange Zeit gemeynet,
Jſt kein Weſen ohn Figur,
Es betriegt der Schein uns nur.
Nein, im Samen liegt verſchrenket
Der zukuͤnft’gen Pflanze Bild,
Dieſes iſt in ihn geſenket,
Er iſt ganz damit erfuͤllt.
Da die Zaͤſerchen, wie Sehnen,
Dann ſich aus einander dehnen,
Wenn ſie Waͤrm und Feuchtigkeit
Lockt und treibt zur Fruͤhlingszeit.
Denn allein aus bloßer Erden
Kann, wie die Erfahrung lehrt,
Nicht die kleinſte Pflanze werden.
Bloß den Saft, der Pflanzen naͤhrt,
Hebt ſie auf. Sie dient daneben,
Einen Wohnplatz abzugeben,
Da ſie ſie beherbergt, ſtuͤtzt,
Und die Wurzeln deckt und ſchuͤtzt.
Mehr bewundernswerthe Theile
Trifft man noch in Pflanzen an,
Wovon ich die kleinen Seile
Hier nicht uͤbergehen kann,
Welche wir an vielen finden,
Wodurch ſie ſich binden, winden,
Und wie wir an ihnen ſehn,
Von der Erde ſich erhoͤh’n.
Erbſen,
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/141>, abgerufen am 16.02.2025.
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