Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.Betrachtungen Wie wird Zung und Gaum ergetzet, Wenn die holde Süßigkeit Dieser Frucht dieselbe netzet! Wenn wir die Beschaffenheit Dieser Lieblichkeit erwägten, Und im Schmecken überlegten, Daß, was uns reizt und erfrischt, Sich nicht von sich selber mischt: Sondern, daß ein gütigs Wesen, Durch des weisen Willens Macht Alles das dazu erlesen, Alles in die Frucht gebracht Und dem Samen eingepräget, Was uns so viel Lust erreget, Und zugleich das Blut uns kühlt, Wie man es so schmeckt als fühlt. Nicht nur roh, nein, auch candiret, Und in Zucker eingelegt, Wenn sie Zung und Gaum berühret, Da sie Süß's und Säuerlich's hegt, Das sich recht harmonisch füget, Schmeckt sie lieblich, und vergnüget Durch die Zung und Gaum den Geist, Daß er Gott mit Anmuth preist. Sollten wir, wenn wir sie essen, Gottes Macht, der sie uns schenkt, Und sein Lieben nicht ermessen? Dieß geschieht, wenn man gedenkt Jn der Zeit, wenn man sie käuet, Daß das Feu'r, das uns erfreuet, Jn der Frucht von selbst nicht flammt, Sondern von dem Schöpfer stammt. Anders
Betrachtungen Wie wird Zung und Gaum ergetzet, Wenn die holde Suͤßigkeit Dieſer Frucht dieſelbe netzet! Wenn wir die Beſchaffenheit Dieſer Lieblichkeit erwaͤgten, Und im Schmecken uͤberlegten, Daß, was uns reizt und erfriſcht, Sich nicht von ſich ſelber miſcht: Sondern, daß ein guͤtigs Weſen, Durch des weiſen Willens Macht Alles das dazu erleſen, Alles in die Frucht gebracht Und dem Samen eingepraͤget, Was uns ſo viel Luſt erreget, Und zugleich das Blut uns kuͤhlt, Wie man es ſo ſchmeckt als fuͤhlt. Nicht nur roh, nein, auch candiret, Und in Zucker eingelegt, Wenn ſie Zung und Gaum beruͤhret, Da ſie Suͤß’s und Saͤuerlich’s hegt, Das ſich recht harmoniſch fuͤget, Schmeckt ſie lieblich, und vergnuͤget Durch die Zung und Gaum den Geiſt, Daß er Gott mit Anmuth preiſt. Sollten wir, wenn wir ſie eſſen, Gottes Macht, der ſie uns ſchenkt, Und ſein Lieben nicht ermeſſen? Dieß geſchieht, wenn man gedenkt Jn der Zeit, wenn man ſie kaͤuet, Daß das Feu’r, das uns erfreuet, Jn der Frucht von ſelbſt nicht flammt, Sondern von dem Schoͤpfer ſtammt. Anders
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Betrachtungen
Wie wird Zung und Gaum ergetzet,
Wenn die holde Suͤßigkeit
Dieſer Frucht dieſelbe netzet!
Wenn wir die Beſchaffenheit
Dieſer Lieblichkeit erwaͤgten,
Und im Schmecken uͤberlegten,
Daß, was uns reizt und erfriſcht,
Sich nicht von ſich ſelber miſcht:
Sondern, daß ein guͤtigs Weſen,
Durch des weiſen Willens Macht
Alles das dazu erleſen,
Alles in die Frucht gebracht
Und dem Samen eingepraͤget,
Was uns ſo viel Luſt erreget,
Und zugleich das Blut uns kuͤhlt,
Wie man es ſo ſchmeckt als fuͤhlt.
Nicht nur roh, nein, auch candiret,
Und in Zucker eingelegt,
Wenn ſie Zung und Gaum beruͤhret,
Da ſie Suͤß’s und Saͤuerlich’s hegt,
Das ſich recht harmoniſch fuͤget,
Schmeckt ſie lieblich, und vergnuͤget
Durch die Zung und Gaum den Geiſt,
Daß er Gott mit Anmuth preiſt.
Sollten wir, wenn wir ſie eſſen,
Gottes Macht, der ſie uns ſchenkt,
Und ſein Lieben nicht ermeſſen?
Dieß geſchieht, wenn man gedenkt
Jn der Zeit, wenn man ſie kaͤuet,
Daß das Feu’r, das uns erfreuet,
Jn der Frucht von ſelbſt nicht flammt,
Sondern von dem Schoͤpfer ſtammt.
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