Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
über das Reich der Thiere.
Von äußern lasset uns zuerst des Fühlens Nutzen über-
legen,

Und wozu es sowohl den Thieren, als auch den Menschen
dien', erwägen.
Wo dieser Sinn uns fehlete, wer würde Speis und
Trank begehren?

Es würden, ohn ihn, weder Thiere noch Menschen ihr
Geschlecht vermehren,

Es würd' in unsern Körpern nichts sich fügen, lösen,
scheiden, trennen,

Was überflüßig von uns führen, noch vor Zerstörung
schützen können.

Sogar ist selbst der Schmerz uns dienlich, daß wir, um
selben zu vermeiden,

So inn- als äußerliche Glieder mit Vorsicht zu beschützen
streben,

Und kurz, wir hätten ohn Gefühl gar kein Empfindlich-
keit, kein Leben.

Wie denn die andern Sinnen alle, da das Gefühl so all-
gemein,

Recht in der That und eigentlich nur Gattungen von Füh-
len seyn.

Wir unterscheiden und erkennen vermittelst dieser Sinn-
lichkeit

Der Körper äußerliches Wesen, Figuren und Beschaf-
fenheit;

Jndem, was warm ist und was kalt, was naß und tro-
cken, weich und fest,

Was rauh und glatt ist, durchs Gefühl sich ganz allein
begreifen läßt,

Und zwar vermittelst kleinern Wärzlein, die an der Ner-
ven Enden sitzen,
Zu-
O 2
uͤber das Reich der Thiere.
Von aͤußern laſſet uns zuerſt des Fuͤhlens Nutzen uͤber-
legen,

Und wozu es ſowohl den Thieren, als auch den Menſchen
dien’, erwaͤgen.
Wo dieſer Sinn uns fehlete, wer wuͤrde Speis und
Trank begehren?

Es wuͤrden, ohn ihn, weder Thiere noch Menſchen ihr
Geſchlecht vermehren,

Es wuͤrd’ in unſern Koͤrpern nichts ſich fuͤgen, loͤſen,
ſcheiden, trennen,

Was uͤberfluͤßig von uns fuͤhren, noch vor Zerſtoͤrung
ſchuͤtzen koͤnnen.

Sogar iſt ſelbſt der Schmerz uns dienlich, daß wir, um
ſelben zu vermeiden,

So inn- als aͤußerliche Glieder mit Vorſicht zu beſchuͤtzen
ſtreben,

Und kurz, wir haͤtten ohn Gefuͤhl gar kein Empfindlich-
keit, kein Leben.

Wie denn die andern Sinnen alle, da das Gefuͤhl ſo all-
gemein,

Recht in der That und eigentlich nur Gattungen von Fuͤh-
len ſeyn.

Wir unterſcheiden und erkennen vermittelſt dieſer Sinn-
lichkeit

Der Koͤrper aͤußerliches Weſen, Figuren und Beſchaf-
fenheit;

Jndem, was warm iſt und was kalt, was naß und tro-
cken, weich und feſt,

Was rauh und glatt iſt, durchs Gefuͤhl ſich ganz allein
begreifen laͤßt,

Und zwar vermittelſt kleinern Waͤrzlein, die an der Ner-
ven Enden ſitzen,
Zu-
O 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0231" n="211"/>
          <fw place="top" type="header">u&#x0364;ber das Reich der Thiere.</fw><lb/>
          <lg n="26">
            <l>Von a&#x0364;ußern la&#x017F;&#x017F;et uns zuer&#x017F;t des Fu&#x0364;hlens Nutzen u&#x0364;ber-<lb/><hi rendition="#et">legen,</hi></l><lb/>
            <l>Und wozu es &#x017F;owohl den Thieren, als auch den Men&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#et">dien&#x2019;, erwa&#x0364;gen.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="27">
            <l>Wo die&#x017F;er Sinn uns fehlete, wer wu&#x0364;rde Speis und<lb/><hi rendition="#et">Trank begehren?</hi></l><lb/>
            <l>Es wu&#x0364;rden, ohn ihn, weder Thiere noch Men&#x017F;chen ihr<lb/><hi rendition="#et">Ge&#x017F;chlecht vermehren,</hi></l><lb/>
            <l>Es wu&#x0364;rd&#x2019; in un&#x017F;ern Ko&#x0364;rpern nichts &#x017F;ich fu&#x0364;gen, lo&#x0364;&#x017F;en,<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;cheiden, trennen,</hi></l><lb/>
            <l>Was u&#x0364;berflu&#x0364;ßig von uns fu&#x0364;hren, noch vor Zer&#x017F;to&#x0364;rung<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chu&#x0364;tzen ko&#x0364;nnen.</hi></l><lb/>
            <l>Sogar i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t der Schmerz uns dienlich, daß wir, um<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;elben zu vermeiden,</hi></l><lb/>
            <l>So inn- als a&#x0364;ußerliche Glieder mit Vor&#x017F;icht zu be&#x017F;chu&#x0364;tzen<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;treben,</hi></l><lb/>
            <l>Und kurz, wir ha&#x0364;tten ohn Gefu&#x0364;hl gar kein Empfindlich-<lb/><hi rendition="#et">keit, kein Leben.</hi></l><lb/>
            <l>Wie denn die andern Sinnen alle, da das Gefu&#x0364;hl &#x017F;o all-<lb/><hi rendition="#et">gemein,</hi></l><lb/>
            <l>Recht in der That und eigentlich nur Gattungen von Fu&#x0364;h-<lb/><hi rendition="#et">len &#x017F;eyn.</hi></l><lb/>
            <l>Wir unter&#x017F;cheiden und erkennen vermittel&#x017F;t die&#x017F;er Sinn-<lb/><hi rendition="#et">lichkeit</hi></l><lb/>
            <l>Der Ko&#x0364;rper a&#x0364;ußerliches We&#x017F;en, Figuren und Be&#x017F;chaf-<lb/><hi rendition="#et">fenheit;</hi></l><lb/>
            <l>Jndem, was warm i&#x017F;t und was kalt, was naß und tro-<lb/><hi rendition="#et">cken, weich und fe&#x017F;t,</hi></l><lb/>
            <l>Was rauh und glatt i&#x017F;t, durchs Gefu&#x0364;hl &#x017F;ich ganz allein<lb/><hi rendition="#et">begreifen la&#x0364;ßt,</hi></l><lb/>
            <l>Und zwar vermittel&#x017F;t kleinern Wa&#x0364;rzlein, die an der Ner-<lb/><hi rendition="#et">ven Enden &#x017F;itzen,</hi></l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">O 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Zu-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0231] uͤber das Reich der Thiere. Von aͤußern laſſet uns zuerſt des Fuͤhlens Nutzen uͤber- legen, Und wozu es ſowohl den Thieren, als auch den Menſchen dien’, erwaͤgen. Wo dieſer Sinn uns fehlete, wer wuͤrde Speis und Trank begehren? Es wuͤrden, ohn ihn, weder Thiere noch Menſchen ihr Geſchlecht vermehren, Es wuͤrd’ in unſern Koͤrpern nichts ſich fuͤgen, loͤſen, ſcheiden, trennen, Was uͤberfluͤßig von uns fuͤhren, noch vor Zerſtoͤrung ſchuͤtzen koͤnnen. Sogar iſt ſelbſt der Schmerz uns dienlich, daß wir, um ſelben zu vermeiden, So inn- als aͤußerliche Glieder mit Vorſicht zu beſchuͤtzen ſtreben, Und kurz, wir haͤtten ohn Gefuͤhl gar kein Empfindlich- keit, kein Leben. Wie denn die andern Sinnen alle, da das Gefuͤhl ſo all- gemein, Recht in der That und eigentlich nur Gattungen von Fuͤh- len ſeyn. Wir unterſcheiden und erkennen vermittelſt dieſer Sinn- lichkeit Der Koͤrper aͤußerliches Weſen, Figuren und Beſchaf- fenheit; Jndem, was warm iſt und was kalt, was naß und tro- cken, weich und feſt, Was rauh und glatt iſt, durchs Gefuͤhl ſich ganz allein begreifen laͤßt, Und zwar vermittelſt kleinern Waͤrzlein, die an der Ner- ven Enden ſitzen, Zu- O 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/231
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/231>, abgerufen am 24.11.2024.