Wer kann einen edlen Hirsch ohn Bewundrung und Vergnügen, Jn so rasch- und munterm Anstand, laufen, stehen oder liegen, Fliehen oder weiden seh'n? Seine herrliche Gestalt, Sein so leicht- als fester Tritt, zieh'n mit frölicher Gewalt Ein betrachtend Aug' auf ihn. Sein erhabenes Geweih, Die benervte schlanke Schenkel, kurz, des ganzen Kör- pers Bau Zeiget einen weisen Urstand, leget eine Macht zur Schau, Und weist eine Lieb' und Vorsorg' auch zugleich für uns dabey, Da sein angenehmes Fleisch, das er uns zur Kost gewehrt, Uns, auf so verschiedne Weis' zugericht, ergetzt und nährt. Sollte denn der Mensch nicht billig, wie in allen andern Werken, Auch in diesem schönen Thier' Spuren einer Gottheit merken? Und, voll Lust und Dank, begreifen, finden, fühlen, schmecken, seh'n, Daß sein' Allmacht zu bewundern, seine Weisheit zu er- höh'n?
Der
Q 5
uͤber das Reich der Thiere.
Der Hirſch.
Wer kann einen edlen Hirſch ohn Bewundrung und Vergnuͤgen, Jn ſo raſch- und munterm Anſtand, laufen, ſtehen oder liegen, Fliehen oder weiden ſeh’n? Seine herrliche Geſtalt, Sein ſo leicht- als feſter Tritt, zieh’n mit froͤlicher Gewalt Ein betrachtend Aug’ auf ihn. Sein erhabenes Geweih, Die benervte ſchlanke Schenkel, kurz, des ganzen Koͤr- pers Bau Zeiget einen weiſen Urſtand, leget eine Macht zur Schau, Und weiſt eine Lieb’ und Vorſorg’ auch zugleich fuͤr uns dabey, Da ſein angenehmes Fleiſch, das er uns zur Koſt gewehrt, Uns, auf ſo verſchiedne Weiſ’ zugericht, ergetzt und naͤhrt. Sollte denn der Menſch nicht billig, wie in allen andern Werken, Auch in dieſem ſchoͤnen Thier’ Spuren einer Gottheit merken? Und, voll Luſt und Dank, begreifen, finden, fuͤhlen, ſchmecken, ſeh’n, Daß ſein’ Allmacht zu bewundern, ſeine Weisheit zu er- hoͤh’n?
Der
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uͤber das Reich der Thiere.
Der Hirſch.
Wer kann einen edlen Hirſch ohn Bewundrung und
Vergnuͤgen,
Jn ſo raſch- und munterm Anſtand, laufen, ſtehen oder
liegen,
Fliehen oder weiden ſeh’n? Seine herrliche Geſtalt,
Sein ſo leicht- als feſter Tritt, zieh’n mit froͤlicher Gewalt
Ein betrachtend Aug’ auf ihn. Sein erhabenes Geweih,
Die benervte ſchlanke Schenkel, kurz, des ganzen Koͤr-
pers Bau
Zeiget einen weiſen Urſtand, leget eine Macht zur Schau,
Und weiſt eine Lieb’ und Vorſorg’ auch zugleich fuͤr uns
dabey,
Da ſein angenehmes Fleiſch, das er uns zur Koſt gewehrt,
Uns, auf ſo verſchiedne Weiſ’ zugericht, ergetzt und naͤhrt.
Sollte denn der Menſch nicht billig, wie in allen andern
Werken,
Auch in dieſem ſchoͤnen Thier’ Spuren einer Gottheit
merken?
Und, voll Luſt und Dank, begreifen, finden, fuͤhlen,
ſchmecken, ſeh’n,
Daß ſein’ Allmacht zu bewundern, ſeine Weisheit zu er-
hoͤh’n?
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/269>, abgerufen am 22.11.2024.
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