Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.Vermischte Gedichte Auf! laßt uns mindstens uns bestreben, in dieser schö- nen Sommerzeit, Uns, an der Erden äußern Schätzen, Zu Ehren dem, der sie für uns so schön geschmücket, zu ergetzen. Wie angenehm bewegt sich hier das blonde reifende Getraide! Jhr flisternd und ihr ämsigs Regen erregt auch unsern Blicken Freude, Und nicht der Hoffnung nur allein. Ein reges Meer voll trockner Wellen Scheint, in den nimmerstillen Aehren, ein jedes Feld uns vorzustellen. Man siehet auf ihren beweglichen Flächen, Auf welchen Glanz, Formen und Farben sich brechen, Viel laufende Lichter und laufende Schatten Sich fliehn, sich vermischen, sich trennen, sich gatten. Hier fieht man die Aehren sich heben, sich neigen, Sich wirbeln, sich jagen, sich senken und steigen. Zuweilen formiren sie wirkliche Wogen Gehölet und zu uns herüber gebogen. Des lieblichen Ungestüms wallend Bewegen Kann, durch ein veränderlichflüchtiges Eilen, Uns einen verwirrenden Schwindel zuweilen, Doch einen nicht schädlichen Schwindel, erregen. Jch stehe bey der Halmen Menge Und bey der Aehren Größ' und Länge Ob dieser segenreichen Fülle, Vor Freuden halberstaunet, stille. Der
Vermiſchte Gedichte Auf! laßt uns mindſtens uns beſtreben, in dieſer ſchoͤ- nen Sommerzeit, Uns, an der Erden aͤußern Schaͤtzen, Zu Ehren dem, der ſie fuͤr uns ſo ſchoͤn geſchmuͤcket, zu ergetzen. Wie angenehm bewegt ſich hier das blonde reifende Getraide! Jhr fliſternd und ihr aͤmſigs Regen erregt auch unſern Blicken Freude, Und nicht der Hoffnung nur allein. Ein reges Meer voll trockner Wellen Scheint, in den nimmerſtillen Aehren, ein jedes Feld uns vorzuſtellen. Man ſiehet auf ihren beweglichen Flaͤchen, Auf welchen Glanz, Formen und Farben ſich brechen, Viel laufende Lichter und laufende Schatten Sich fliehn, ſich vermiſchen, ſich trennen, ſich gatten. Hier fieht man die Aehren ſich heben, ſich neigen, Sich wirbeln, ſich jagen, ſich ſenken und ſteigen. Zuweilen formiren ſie wirkliche Wogen Gehoͤlet und zu uns heruͤber gebogen. Des lieblichen Ungeſtuͤms wallend Bewegen Kann, durch ein veraͤnderlichfluͤchtiges Eilen, Uns einen verwirrenden Schwindel zuweilen, Doch einen nicht ſchaͤdlichen Schwindel, erregen. Jch ſtehe bey der Halmen Menge Und bey der Aehren Groͤß’ und Laͤnge Ob dieſer ſegenreichen Fuͤlle, Vor Freuden halberſtaunet, ſtille. Der
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Vermiſchte Gedichte
Auf! laßt uns mindſtens uns beſtreben, in dieſer ſchoͤ-
nen Sommerzeit,
Uns, an der Erden aͤußern Schaͤtzen,
Zu Ehren dem, der ſie fuͤr uns ſo ſchoͤn geſchmuͤcket,
zu ergetzen.
Wie angenehm bewegt ſich hier das blonde reifende
Getraide!
Jhr fliſternd und ihr aͤmſigs Regen erregt auch unſern
Blicken Freude,
Und nicht der Hoffnung nur allein. Ein reges Meer
voll trockner Wellen
Scheint, in den nimmerſtillen Aehren, ein jedes Feld
uns vorzuſtellen.
Man ſiehet auf ihren beweglichen Flaͤchen,
Auf welchen Glanz, Formen und Farben ſich
brechen,
Viel laufende Lichter und laufende Schatten
Sich fliehn, ſich vermiſchen, ſich trennen, ſich
gatten.
Hier fieht man die Aehren ſich heben, ſich neigen,
Sich wirbeln, ſich jagen, ſich ſenken und ſteigen.
Zuweilen formiren ſie wirkliche Wogen
Gehoͤlet und zu uns heruͤber gebogen.
Des lieblichen Ungeſtuͤms wallend Bewegen
Kann, durch ein veraͤnderlichfluͤchtiges Eilen,
Uns einen verwirrenden Schwindel zuweilen,
Doch einen nicht ſchaͤdlichen Schwindel, erregen.
Jch ſtehe bey der Halmen Menge
Und bey der Aehren Groͤß’ und Laͤnge
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