Das, was man, von der wahren Tugend, in hun- dert tausend Büchern lehret, Wird, durch der Pamela Betragen, auf eine solche Weis' erkläret, Daß der nicht nur kein tugendhaftes, kein menschlichs Herz im Busen hegt, Den diese tugendhafte Schöne zur Tugendliebe nicht be- wegt.
Die Tugend war den Sterblichen, doch nur dem Na- men nach, bekannt, Bis sie, uns Menschen zu beglücken, beschloß, zu uns herab zu steigen, Und uns, mit allem ihren Reiz, sich in der Pamela zu zeigen. Doch leider! es war diese Mühe von ihr vergebens an- gewandt. Die Pamela ward spröd und kalt, als ein gemeines Buch, gelesen; Ein jeder, wenig ausgenommen, blieb das, so er vorher gewesen. Jhr Sittenlehrer, könnt denn künftig all' eure Lehren sicher sparen; Die Menschen werden immer seyn so gut und böse, wie sie waren.
Jch
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Lobgedichte auf die Pamela.
Das, was man, von der wahren Tugend, in hun- dert tauſend Buͤchern lehret, Wird, durch der Pamela Betragen, auf eine ſolche Weiſ’ erklaͤret, Daß der nicht nur kein tugendhaftes, kein menſchlichs Herz im Buſen hegt, Den dieſe tugendhafte Schoͤne zur Tugendliebe nicht be- wegt.
Die Tugend war den Sterblichen, doch nur dem Na- men nach, bekannt, Bis ſie, uns Menſchen zu begluͤcken, beſchloß, zu uns herab zu ſteigen, Und uns, mit allem ihren Reiz, ſich in der Pamela zu zeigen. Doch leider! es war dieſe Muͤhe von ihr vergebens an- gewandt. Die Pamela ward ſproͤd und kalt, als ein gemeines Buch, geleſen; Ein jeder, wenig ausgenommen, blieb das, ſo er vorher geweſen. Jhr Sittenlehrer, koͤnnt denn kuͤnftig all’ eure Lehren ſicher ſparen; Die Menſchen werden immer ſeyn ſo gut und boͤſe, wie ſie waren.
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[553/0573]
Lobgedichte
auf die Pamela.
Das, was man, von der wahren Tugend, in hun-
dert tauſend Buͤchern lehret,
Wird, durch der Pamela Betragen, auf eine ſolche
Weiſ’ erklaͤret,
Daß der nicht nur kein tugendhaftes, kein menſchlichs
Herz im Buſen hegt,
Den dieſe tugendhafte Schoͤne zur Tugendliebe nicht be-
wegt.
Die Tugend war den Sterblichen, doch nur dem Na-
men nach, bekannt,
Bis ſie, uns Menſchen zu begluͤcken, beſchloß, zu uns
herab zu ſteigen,
Und uns, mit allem ihren Reiz, ſich in der Pamela zu
zeigen.
Doch leider! es war dieſe Muͤhe von ihr vergebens an-
gewandt.
Die Pamela ward ſproͤd und kalt, als ein gemeines Buch,
geleſen;
Ein jeder, wenig ausgenommen, blieb das, ſo er vorher
geweſen.
Jhr Sittenlehrer, koͤnnt denn kuͤnftig all’ eure Lehren ſicher
ſparen;
Die Menſchen werden immer ſeyn ſo gut und boͤſe, wie
ſie waren.
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/573>, abgerufen am 22.11.2024.
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