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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

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Anleitung
O großer Trost, in dem wir sterben, (da wir doch alle
sterben müssen)
Daß wir die Wahrheit, welche sich in Gottes Liebe grün-
det, wissen.
Wer wird nicht kräftig aufgerichtet im Tode selbst, wenn
man ermißt:
Daß unser Sterben ein Verändern, das Aendern ein
Verbessern ist.
Jch will, von unserm letzten Wechsel, bey diesem Jah-
reswechsel, singen,
Und mich bemühen solche Gründe von unserm Scheiden
vorzubringen,
Die in der That unwidersprechlich; und zeigen, daß fast
jedermann,
Nach einem irdischen Vergnügen, zuletzt vergnügt
auch sterben kann.
Die Gründe, die ich aus der Kunst stets froh zu
leben*, meist genommen,
Verhoff und wünsch ich, daß sie vielen zu statten und zu
Nutzen kommen!


Merkt, wie sich des Schöpfers Weisheit, in dem
Tode selbst, entdeckt!
Zieht ihm ab die schwarze Larve, welche nur die Thoren
schreckt.
Aus der Furcht des Todes bloß stammt das allgemeine
Klagen.
Was sind in dem Tode selbst doch für wesentliche Pla-
gen?
Wir
* Siehe des gelehrten Spaniers A. A. de Sarasa Ars
semper gaudendi. Tract. XV.
Anleitung
O großer Troſt, in dem wir ſterben, (da wir doch alle
ſterben muͤſſen)
Daß wir die Wahrheit, welche ſich in Gottes Liebe gruͤn-
det, wiſſen.
Wer wird nicht kraͤftig aufgerichtet im Tode ſelbſt, wenn
man ermißt:
Daß unſer Sterben ein Veraͤndern, das Aendern ein
Verbeſſern iſt.
Jch will, von unſerm letzten Wechſel, bey dieſem Jah-
reswechſel, ſingen,
Und mich bemuͤhen ſolche Gruͤnde von unſerm Scheiden
vorzubringen,
Die in der That unwiderſprechlich; und zeigen, daß faſt
jedermann,
Nach einem irdiſchen Vergnuͤgen, zuletzt vergnuͤgt
auch ſterben kann.
Die Gruͤnde, die ich aus der Kunſt ſtets froh zu
leben*, meiſt genommen,
Verhoff und wuͤnſch ich, daß ſie vielen zu ſtatten und zu
Nutzen kommen!


Merkt, wie ſich des Schoͤpfers Weisheit, in dem
Tode ſelbſt, entdeckt!
Zieht ihm ab die ſchwarze Larve, welche nur die Thoren
ſchreckt.
Aus der Furcht des Todes bloß ſtammt das allgemeine
Klagen.
Was ſind in dem Tode ſelbſt doch fuͤr weſentliche Pla-
gen?
Wir
* Siehe des gelehrten Spaniers A. A. de Saraſa Ars
ſemper gaudendi. Tract. XV.
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[566/0586] Anleitung O großer Troſt, in dem wir ſterben, (da wir doch alle ſterben muͤſſen) Daß wir die Wahrheit, welche ſich in Gottes Liebe gruͤn- det, wiſſen. Wer wird nicht kraͤftig aufgerichtet im Tode ſelbſt, wenn man ermißt: Daß unſer Sterben ein Veraͤndern, das Aendern ein Verbeſſern iſt. Jch will, von unſerm letzten Wechſel, bey dieſem Jah- reswechſel, ſingen, Und mich bemuͤhen ſolche Gruͤnde von unſerm Scheiden vorzubringen, Die in der That unwiderſprechlich; und zeigen, daß faſt jedermann, Nach einem irdiſchen Vergnuͤgen, zuletzt vergnuͤgt auch ſterben kann. Die Gruͤnde, die ich aus der Kunſt ſtets froh zu leben *, meiſt genommen, Verhoff und wuͤnſch ich, daß ſie vielen zu ſtatten und zu Nutzen kommen! Merkt, wie ſich des Schoͤpfers Weisheit, in dem Tode ſelbſt, entdeckt! Zieht ihm ab die ſchwarze Larve, welche nur die Thoren ſchreckt. Aus der Furcht des Todes bloß ſtammt das allgemeine Klagen. Was ſind in dem Tode ſelbſt doch fuͤr weſentliche Pla- gen? Wir * Siehe des gelehrten Spaniers A. A. de Saraſa Ars ſemper gaudendi. Tract. XV.

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/586>, abgerufen am 01.06.2024.