Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

zum vergnügten und gelassenen Sterben.
"Sterben, eh von unsern Sachen
"Wir das mindeste verordnet: unser Haus in Schrecken
finden,
"Das nichts weniger vermuthet? Kömmt der Tod nun
allgemählig,

"O mein Gott! wie manche Krankheit, Schmerz und
Plagen, die unzählig,

"Wie viel Ekel, Schlaflosheit, wie im Haupt so man-
che Pein,

"Wie viel Martern hin und wieder,
"Welche Zückungen der Nerven, und Verrenkungen der
Glieder

"Werden zu erwarten seyn!
"Endlich was den Tod am meisten fürchterlich und
schrecklich macht,

"Jst der jammerreiche Zweifel und der Ungewißheit
Nacht

"Wegen eines künftgen Lebens, ob es selig oder nicht?
"Von der ganzen Ewigkeit wird geredet. Ob du selig
"Oder wirst geplaget werden,
"Hängt von diesem Zeitpunct ab. Wem, der dieses
überlegt,

"Stehn die Haare nicht zu Berge? Welchem wird sein
Eingeweide

"Von so unvermeidlichen Plagen, Schrecken, Gram
und Leide

"Nicht erschüttert und bewegt?
"Da wir also sterben müssen,
"Unverhofft und schnell entweder, oder auch durch Pein
zerrissen,

"Und dabey dennoch nicht wissen,
"Ob das Ende dieser Pein
"Von nie aufzuhörnden Plagen nicht der Anfang werde seyn;

"Dieses,

zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
„Sterben, eh von unſern Sachen
„Wir das mindeſte verordnet: unſer Haus in Schrecken
finden,
„Das nichts weniger vermuthet? Koͤmmt der Tod nun
allgemaͤhlig,

„O mein Gott! wie manche Krankheit, Schmerz und
Plagen, die unzaͤhlig,

„Wie viel Ekel, Schlaflosheit, wie im Haupt ſo man-
che Pein,

„Wie viel Martern hin und wieder,
„Welche Zuͤckungen der Nerven, und Verrenkungen der
Glieder

„Werden zu erwarten ſeyn!
„Endlich was den Tod am meiſten fuͤrchterlich und
ſchrecklich macht,

„Jſt der jammerreiche Zweifel und der Ungewißheit
Nacht

„Wegen eines kuͤnftgen Lebens, ob es ſelig oder nicht?
„Von der ganzen Ewigkeit wird geredet. Ob du ſelig
„Oder wirſt geplaget werden,
„Haͤngt von dieſem Zeitpunct ab. Wem, der dieſes
uͤberlegt,

„Stehn die Haare nicht zu Berge? Welchem wird ſein
Eingeweide

„Von ſo unvermeidlichen Plagen, Schrecken, Gram
und Leide

„Nicht erſchuͤttert und bewegt?
„Da wir alſo ſterben muͤſſen,
„Unverhofft und ſchnell entweder, oder auch durch Pein
zerriſſen,

„Und dabey dennoch nicht wiſſen,
„Ob das Ende dieſer Pein
„Von nie aufzuhoͤrnden Plagen nicht der Anfang werde ſeyn;

„Dieſes,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg>
              <l><pb facs="#f0591" n="571"/><fw place="top" type="header">zum vergnu&#x0364;gten und gela&#x017F;&#x017F;enen Sterben.</fw><lb/>
&#x201E;Sterben, eh von un&#x017F;ern Sachen<lb/>
&#x201E;Wir das minde&#x017F;te verordnet: un&#x017F;er Haus in Schrecken<lb/><hi rendition="#et">finden,</hi></l><lb/>
              <l>&#x201E;Das nichts weniger vermuthet? Ko&#x0364;mmt der Tod nun<lb/><hi rendition="#et">allgema&#x0364;hlig,</hi></l><lb/>
              <l>&#x201E;O mein Gott! wie manche Krankheit, Schmerz und<lb/><hi rendition="#et">Plagen, die unza&#x0364;hlig,</hi></l><lb/>
              <l>&#x201E;Wie viel Ekel, Schlaflosheit, wie im Haupt &#x017F;o man-<lb/><hi rendition="#et">che Pein,</hi></l><lb/>
              <l>&#x201E;Wie viel Martern hin und wieder,<lb/>
&#x201E;Welche Zu&#x0364;ckungen der Nerven, und Verrenkungen der<lb/><hi rendition="#et">Glieder</hi></l><lb/>
              <l>&#x201E;Werden zu erwarten &#x017F;eyn!<lb/>
&#x201E;Endlich was den Tod am mei&#x017F;ten fu&#x0364;rchterlich und<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chrecklich macht,</hi></l><lb/>
              <l>&#x201E;J&#x017F;t der jammerreiche Zweifel und der Ungewißheit<lb/><hi rendition="#et">Nacht</hi></l><lb/>
              <l>&#x201E;Wegen eines ku&#x0364;nftgen Lebens, ob es &#x017F;elig oder nicht?<lb/>
&#x201E;Von der ganzen Ewigkeit wird geredet. Ob du &#x017F;elig<lb/>
&#x201E;Oder wir&#x017F;t geplaget werden,<lb/>
&#x201E;Ha&#x0364;ngt von die&#x017F;em Zeitpunct ab. Wem, der die&#x017F;es<lb/><hi rendition="#et">u&#x0364;berlegt,</hi></l><lb/>
              <l>&#x201E;Stehn die Haare nicht zu Berge? Welchem wird &#x017F;ein<lb/><hi rendition="#et">Eingeweide</hi></l><lb/>
              <l>&#x201E;Von &#x017F;o unvermeidlichen Plagen, Schrecken, Gram<lb/><hi rendition="#et">und Leide</hi></l><lb/>
              <l>&#x201E;Nicht er&#x017F;chu&#x0364;ttert und bewegt?<lb/>
&#x201E;Da wir al&#x017F;o &#x017F;terben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x201E;Unverhofft und &#x017F;chnell entweder, oder auch durch Pein<lb/><hi rendition="#et">zerri&#x017F;&#x017F;en,</hi></l><lb/>
              <l>&#x201E;Und dabey dennoch nicht wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x201E;Ob das Ende die&#x017F;er Pein<lb/>
&#x201E;Von nie aufzuho&#x0364;rnden Plagen nicht der Anfang werde &#x017F;eyn;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Die&#x017F;es,</fw><lb/></l>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[571/0591] zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben. „Sterben, eh von unſern Sachen „Wir das mindeſte verordnet: unſer Haus in Schrecken finden, „Das nichts weniger vermuthet? Koͤmmt der Tod nun allgemaͤhlig, „O mein Gott! wie manche Krankheit, Schmerz und Plagen, die unzaͤhlig, „Wie viel Ekel, Schlaflosheit, wie im Haupt ſo man- che Pein, „Wie viel Martern hin und wieder, „Welche Zuͤckungen der Nerven, und Verrenkungen der Glieder „Werden zu erwarten ſeyn! „Endlich was den Tod am meiſten fuͤrchterlich und ſchrecklich macht, „Jſt der jammerreiche Zweifel und der Ungewißheit Nacht „Wegen eines kuͤnftgen Lebens, ob es ſelig oder nicht? „Von der ganzen Ewigkeit wird geredet. Ob du ſelig „Oder wirſt geplaget werden, „Haͤngt von dieſem Zeitpunct ab. Wem, der dieſes uͤberlegt, „Stehn die Haare nicht zu Berge? Welchem wird ſein Eingeweide „Von ſo unvermeidlichen Plagen, Schrecken, Gram und Leide „Nicht erſchuͤttert und bewegt? „Da wir alſo ſterben muͤſſen, „Unverhofft und ſchnell entweder, oder auch durch Pein zerriſſen, „Und dabey dennoch nicht wiſſen, „Ob das Ende dieſer Pein „Von nie aufzuhoͤrnden Plagen nicht der Anfang werde ſeyn; „Dieſes,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/591
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/591>, abgerufen am 22.11.2024.