Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Anleitung
"Dieses, einzeln und vereint, wenn ich es zusammen-
fasse,
"Machet, daß ich vor dem Tode zittre, beb', erstarr',
erblasse.

Bist du mit deinem menschlichen Stande
zufrieden, so mußt du auch sterblich seyn,
und auch sterben wollen.

A. Um auf diese deine Klagen,
Dir und andern gnug zu thun, muß ich dich
zuvoderst fragen:
Red ich hier mit einem Menschen, oder einem Engel?
sprich.
B. "Allerdings mit einem Menschen." A. Höre!
Ferner frag ich dich:
Jst dirs leid, daß du ein Mensch? bist du nicht damit
zufrieden?
B. "Nein, es ist mir gar nicht leid, daß mir dieser
Stand beschieden,
"Und ich bin es gar nicht ungern." A. Stimmst du
damit überein,
Freust du dich, daß du ein Mensch, kannst du dich ja
nicht beklagen,
Daß du sterblich bist: dieß heißt eigentlich, ein Mensch
zu seyn.
Klagst du nun nicht, daß du sterblich, mußt du billig
auch ertragen,
Daß ein Sterblicher auch stirbt. Wenn du dich unsterb.
lich hieltest,
Wundert' ich mich nicht darüber, daß du Angst und
Schrecken fühltest
Bey

Anleitung
„Dieſes, einzeln und vereint, wenn ich es zuſammen-
faſſe,
„Machet, daß ich vor dem Tode zittre, beb’, erſtarr’,
erblaſſe.

Biſt du mit deinem menſchlichen Stande
zufrieden, ſo mußt du auch ſterblich ſeyn,
und auch ſterben wollen.

A. Um auf dieſe deine Klagen,
Dir und andern gnug zu thun, muß ich dich
zuvoderſt fragen:
Red ich hier mit einem Menſchen, oder einem Engel?
ſprich.
B. „Allerdings mit einem Menſchen.“ A. Hoͤre!
Ferner frag ich dich:
Jſt dirs leid, daß du ein Menſch? biſt du nicht damit
zufrieden?
B. „Nein, es iſt mir gar nicht leid, daß mir dieſer
Stand beſchieden,
„Und ich bin es gar nicht ungern.“ A. Stimmſt du
damit uͤberein,
Freuſt du dich, daß du ein Menſch, kannſt du dich ja
nicht beklagen,
Daß du ſterblich biſt: dieß heißt eigentlich, ein Menſch
zu ſeyn.
Klagſt du nun nicht, daß du ſterblich, mußt du billig
auch ertragen,
Daß ein Sterblicher auch ſtirbt. Wenn du dich unſterb.
lich hielteſt,
Wundert’ ich mich nicht daruͤber, daß du Angſt und
Schrecken fuͤhlteſt
Bey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg>
              <l><pb facs="#f0592" n="572"/><fw place="top" type="header">Anleitung</fw><lb/>
&#x201E;Die&#x017F;es, einzeln und vereint, wenn ich es zu&#x017F;ammen-<lb/><hi rendition="#et">fa&#x017F;&#x017F;e,</hi></l><lb/>
              <l>&#x201E;Machet, daß ich vor dem Tode zittre, beb&#x2019;, er&#x017F;tarr&#x2019;,<lb/><hi rendition="#et">erbla&#x017F;&#x017F;e.</hi></l>
            </lg><lb/>
            <p> <hi rendition="#fr">Bi&#x017F;t du mit deinem men&#x017F;chlichen Stande<lb/>
zufrieden, &#x017F;o mußt du auch &#x017F;terblich &#x017F;eyn,<lb/>
und auch &#x017F;terben wollen.</hi> </p><lb/>
            <lg>
              <l>A. <hi rendition="#in">U</hi>m auf die&#x017F;e deine Klagen,<lb/>
Dir und andern gnug zu thun, muß ich dich<lb/><hi rendition="#et">zuvoder&#x017F;t fragen:</hi><lb/>
Red ich hier mit einem Men&#x017F;chen, oder einem Engel?<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;prich.</hi><lb/>
B. &#x201E;Allerdings mit einem Men&#x017F;chen.&#x201C; A. Ho&#x0364;re!<lb/><hi rendition="#et">Ferner frag ich dich:</hi><lb/>
J&#x017F;t dirs leid, daß du ein Men&#x017F;ch? bi&#x017F;t du nicht damit<lb/><hi rendition="#et">zufrieden?</hi><lb/>
B. &#x201E;Nein, es i&#x017F;t mir gar nicht leid, daß mir die&#x017F;er<lb/><hi rendition="#et">Stand be&#x017F;chieden,</hi><lb/>
&#x201E;Und ich bin es gar nicht ungern.&#x201C; A. Stimm&#x017F;t du<lb/><hi rendition="#et">damit u&#x0364;berein,</hi><lb/>
Freu&#x017F;t du dich, daß du ein Men&#x017F;ch, kann&#x017F;t du dich ja<lb/><hi rendition="#et">nicht beklagen,</hi><lb/>
Daß du &#x017F;terblich bi&#x017F;t: dieß heißt eigentlich, ein Men&#x017F;ch<lb/><hi rendition="#et">zu &#x017F;eyn.</hi><lb/>
Klag&#x017F;t du nun nicht, daß du &#x017F;terblich, mußt du billig<lb/><hi rendition="#et">auch ertragen,</hi><lb/>
Daß ein Sterblicher auch &#x017F;tirbt. Wenn du dich un&#x017F;terb.<lb/><hi rendition="#et">lich hielte&#x017F;t,</hi><lb/>
Wundert&#x2019; ich mich nicht daru&#x0364;ber, daß du Ang&#x017F;t und<lb/><hi rendition="#et">Schrecken fu&#x0364;hlte&#x017F;t</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Bey</fw><lb/></l>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[572/0592] Anleitung „Dieſes, einzeln und vereint, wenn ich es zuſammen- faſſe, „Machet, daß ich vor dem Tode zittre, beb’, erſtarr’, erblaſſe. Biſt du mit deinem menſchlichen Stande zufrieden, ſo mußt du auch ſterblich ſeyn, und auch ſterben wollen. A. Um auf dieſe deine Klagen, Dir und andern gnug zu thun, muß ich dich zuvoderſt fragen: Red ich hier mit einem Menſchen, oder einem Engel? ſprich. B. „Allerdings mit einem Menſchen.“ A. Hoͤre! Ferner frag ich dich: Jſt dirs leid, daß du ein Menſch? biſt du nicht damit zufrieden? B. „Nein, es iſt mir gar nicht leid, daß mir dieſer Stand beſchieden, „Und ich bin es gar nicht ungern.“ A. Stimmſt du damit uͤberein, Freuſt du dich, daß du ein Menſch, kannſt du dich ja nicht beklagen, Daß du ſterblich biſt: dieß heißt eigentlich, ein Menſch zu ſeyn. Klagſt du nun nicht, daß du ſterblich, mußt du billig auch ertragen, Daß ein Sterblicher auch ſtirbt. Wenn du dich unſterb. lich hielteſt, Wundert’ ich mich nicht daruͤber, daß du Angſt und Schrecken fuͤhlteſt Bey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/592
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/592>, abgerufen am 22.11.2024.