Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

zum vergnügten und gelassenen Sterben.
Bey dem Anblick deines Todes. Da du aber diese Welt,
Bloß mit dem Beding, erblickt, daß du einmal sterben
solltest;
Warum wunderst du dich denn, daß, was einmal fest-
gestellt,
Auch denn einst geschicht, und welches du ja einmal selber
wolltest.

Hör: entweder tadelst du, daß die Menschheit sterb-
lich ist,

Die unsterblich werden können; oder ich kann auch nicht
fassen,

Wie du mit dem Tode doch so gar unzufrieden bist,
Da du dich der Sterblichen Zustand einst gefallen lassen.
Denn ich glaube nicht, daß dich solche Raserey befangen,
Frech und ernstlich zu verlangen,
Daß der Schöpfer, dessen Wege du doch sonst bewundern
wollen,

Unser menschliches Geschlecht hätt' unsterblich machen sollen.
Denn (nicht einmal zu gedenken, daß dieß gegen Gottes
Ehre,

Seiner heilgen Macht und Ordnung ein verruchter Frevel
wäre:

Als wenn der nicht recht gewollt, welcher alles wollen
können,

Und der, was er wollt, erschaffen) hätt' Er die Unsterb-
lichkeit

Hier der Menschheit wollen gönnen;
Hat Er alles das, was Er hier erschaffen und gemacht,
Nicht allein nicht wohl gewollt, sondern, was Er übel
wollte,

Noch viel schädlicher und schlimmer gar zur Wirklichkeit
gebracht.
Denn,

zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Bey dem Anblick deines Todes. Da du aber dieſe Welt,
Bloß mit dem Beding, erblickt, daß du einmal ſterben
ſollteſt;
Warum wunderſt du dich denn, daß, was einmal feſt-
geſtellt,
Auch denn einſt geſchicht, und welches du ja einmal ſelber
wollteſt.

Hoͤr: entweder tadelſt du, daß die Menſchheit ſterb-
lich iſt,

Die unſterblich werden koͤnnen; oder ich kann auch nicht
faſſen,

Wie du mit dem Tode doch ſo gar unzufrieden biſt,
Da du dich der Sterblichen Zuſtand einſt gefallen laſſen.
Denn ich glaube nicht, daß dich ſolche Raſerey befangen,
Frech und ernſtlich zu verlangen,
Daß der Schoͤpfer, deſſen Wege du doch ſonſt bewundern
wollen,

Unſer menſchliches Geſchlecht haͤtt’ unſterblich machen ſollen.
Denn (nicht einmal zu gedenken, daß dieß gegen Gottes
Ehre,

Seiner heilgen Macht und Ordnung ein verruchter Frevel
waͤre:

Als wenn der nicht recht gewollt, welcher alles wollen
koͤnnen,

Und der, was er wollt, erſchaffen) haͤtt’ Er die Unſterb-
lichkeit

Hier der Menſchheit wollen goͤnnen;
Hat Er alles das, was Er hier erſchaffen und gemacht,
Nicht allein nicht wohl gewollt, ſondern, was Er uͤbel
wollte,

Noch viel ſchaͤdlicher und ſchlimmer gar zur Wirklichkeit
gebracht.
Denn,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg>
              <l><pb facs="#f0593" n="573"/><fw place="top" type="header">zum vergnu&#x0364;gten und gela&#x017F;&#x017F;enen Sterben.</fw><lb/>
Bey dem Anblick deines Todes. Da du aber die&#x017F;e Welt,<lb/>
Bloß mit dem Beding, erblickt, daß du einmal &#x017F;terben<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ollte&#x017F;t;</hi><lb/>
Warum wunder&#x017F;t du dich denn, daß, was einmal fe&#x017F;t-<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;tellt,</hi><lb/>
Auch denn ein&#x017F;t ge&#x017F;chicht, und welches du ja einmal &#x017F;elber<lb/><hi rendition="#et">wollte&#x017F;t.</hi></l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Ho&#x0364;r: entweder tadel&#x017F;t du, daß die Men&#x017F;chheit &#x017F;terb-<lb/><hi rendition="#et">lich i&#x017F;t,</hi></l><lb/>
              <l>Die un&#x017F;terblich werden ko&#x0364;nnen; oder ich kann auch nicht<lb/><hi rendition="#et">fa&#x017F;&#x017F;en,</hi></l><lb/>
              <l>Wie du mit dem Tode doch &#x017F;o gar unzufrieden bi&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Da du dich der Sterblichen Zu&#x017F;tand ein&#x017F;t gefallen la&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
              <l>Denn ich glaube nicht, daß dich &#x017F;olche Ra&#x017F;erey befangen,</l><lb/>
              <l>Frech und ern&#x017F;tlich zu verlangen,</l><lb/>
              <l>Daß der Scho&#x0364;pfer, de&#x017F;&#x017F;en Wege du doch &#x017F;on&#x017F;t bewundern<lb/><hi rendition="#et">wollen,</hi></l><lb/>
              <l>Un&#x017F;er men&#x017F;chliches Ge&#x017F;chlecht ha&#x0364;tt&#x2019; un&#x017F;terblich machen &#x017F;ollen.</l><lb/>
              <l>Denn (nicht einmal zu gedenken, daß dieß gegen Gottes<lb/><hi rendition="#et">Ehre,</hi></l><lb/>
              <l>Seiner heilgen Macht und Ordnung ein verruchter Frevel<lb/><hi rendition="#et">wa&#x0364;re:</hi></l><lb/>
              <l>Als wenn der nicht recht gewollt, welcher alles wollen<lb/><hi rendition="#et">ko&#x0364;nnen,</hi></l><lb/>
              <l>Und der, was er wollt, er&#x017F;chaffen) ha&#x0364;tt&#x2019; Er die Un&#x017F;terb-<lb/><hi rendition="#et">lichkeit</hi></l><lb/>
              <l>Hier der Men&#x017F;chheit wollen go&#x0364;nnen;</l><lb/>
              <l>Hat Er alles das, was Er hier er&#x017F;chaffen und gemacht,</l><lb/>
              <l>Nicht allein nicht wohl gewollt, &#x017F;ondern, was Er u&#x0364;bel<lb/><hi rendition="#et">wollte,</hi></l><lb/>
              <l>Noch viel &#x017F;cha&#x0364;dlicher und &#x017F;chlimmer gar zur Wirklichkeit<lb/><hi rendition="#et">gebracht.</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Denn,</fw><lb/></l>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[573/0593] zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben. Bey dem Anblick deines Todes. Da du aber dieſe Welt, Bloß mit dem Beding, erblickt, daß du einmal ſterben ſollteſt; Warum wunderſt du dich denn, daß, was einmal feſt- geſtellt, Auch denn einſt geſchicht, und welches du ja einmal ſelber wollteſt. Hoͤr: entweder tadelſt du, daß die Menſchheit ſterb- lich iſt, Die unſterblich werden koͤnnen; oder ich kann auch nicht faſſen, Wie du mit dem Tode doch ſo gar unzufrieden biſt, Da du dich der Sterblichen Zuſtand einſt gefallen laſſen. Denn ich glaube nicht, daß dich ſolche Raſerey befangen, Frech und ernſtlich zu verlangen, Daß der Schoͤpfer, deſſen Wege du doch ſonſt bewundern wollen, Unſer menſchliches Geſchlecht haͤtt’ unſterblich machen ſollen. Denn (nicht einmal zu gedenken, daß dieß gegen Gottes Ehre, Seiner heilgen Macht und Ordnung ein verruchter Frevel waͤre: Als wenn der nicht recht gewollt, welcher alles wollen koͤnnen, Und der, was er wollt, erſchaffen) haͤtt’ Er die Unſterb- lichkeit Hier der Menſchheit wollen goͤnnen; Hat Er alles das, was Er hier erſchaffen und gemacht, Nicht allein nicht wohl gewollt, ſondern, was Er uͤbel wollte, Noch viel ſchaͤdlicher und ſchlimmer gar zur Wirklichkeit gebracht. Denn,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/593
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/593>, abgerufen am 13.06.2024.