Bey dem Anblick deines Todes. Da du aber diese Welt, Bloß mit dem Beding, erblickt, daß du einmal sterben solltest; Warum wunderst du dich denn, daß, was einmal fest- gestellt, Auch denn einst geschicht, und welches du ja einmal selber wolltest.
Hör: entweder tadelst du, daß die Menschheit sterb- lich ist, Die unsterblich werden können; oder ich kann auch nicht fassen, Wie du mit dem Tode doch so gar unzufrieden bist, Da du dich der Sterblichen Zustand einst gefallen lassen. Denn ich glaube nicht, daß dich solche Raserey befangen, Frech und ernstlich zu verlangen, Daß der Schöpfer, dessen Wege du doch sonst bewundern wollen, Unser menschliches Geschlecht hätt' unsterblich machen sollen. Denn (nicht einmal zu gedenken, daß dieß gegen Gottes Ehre, Seiner heilgen Macht und Ordnung ein verruchter Frevel wäre: Als wenn der nicht recht gewollt, welcher alles wollen können, Und der, was er wollt, erschaffen) hätt' Er die Unsterb- lichkeit Hier der Menschheit wollen gönnen; Hat Er alles das, was Er hier erschaffen und gemacht, Nicht allein nicht wohl gewollt, sondern, was Er übel wollte, Noch viel schädlicher und schlimmer gar zur Wirklichkeit gebracht.
Denn,
zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Bey dem Anblick deines Todes. Da du aber dieſe Welt, Bloß mit dem Beding, erblickt, daß du einmal ſterben ſollteſt; Warum wunderſt du dich denn, daß, was einmal feſt- geſtellt, Auch denn einſt geſchicht, und welches du ja einmal ſelber wollteſt.
Hoͤr: entweder tadelſt du, daß die Menſchheit ſterb- lich iſt, Die unſterblich werden koͤnnen; oder ich kann auch nicht faſſen, Wie du mit dem Tode doch ſo gar unzufrieden biſt, Da du dich der Sterblichen Zuſtand einſt gefallen laſſen. Denn ich glaube nicht, daß dich ſolche Raſerey befangen, Frech und ernſtlich zu verlangen, Daß der Schoͤpfer, deſſen Wege du doch ſonſt bewundern wollen, Unſer menſchliches Geſchlecht haͤtt’ unſterblich machen ſollen. Denn (nicht einmal zu gedenken, daß dieß gegen Gottes Ehre, Seiner heilgen Macht und Ordnung ein verruchter Frevel waͤre: Als wenn der nicht recht gewollt, welcher alles wollen koͤnnen, Und der, was er wollt, erſchaffen) haͤtt’ Er die Unſterb- lichkeit Hier der Menſchheit wollen goͤnnen; Hat Er alles das, was Er hier erſchaffen und gemacht, Nicht allein nicht wohl gewollt, ſondern, was Er uͤbel wollte, Noch viel ſchaͤdlicher und ſchlimmer gar zur Wirklichkeit gebracht.
Denn,
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zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Bey dem Anblick deines Todes. Da du aber dieſe Welt,
Bloß mit dem Beding, erblickt, daß du einmal ſterben
ſollteſt;
Warum wunderſt du dich denn, daß, was einmal feſt-
geſtellt,
Auch denn einſt geſchicht, und welches du ja einmal ſelber
wollteſt.
Hoͤr: entweder tadelſt du, daß die Menſchheit ſterb-
lich iſt,
Die unſterblich werden koͤnnen; oder ich kann auch nicht
faſſen,
Wie du mit dem Tode doch ſo gar unzufrieden biſt,
Da du dich der Sterblichen Zuſtand einſt gefallen laſſen.
Denn ich glaube nicht, daß dich ſolche Raſerey befangen,
Frech und ernſtlich zu verlangen,
Daß der Schoͤpfer, deſſen Wege du doch ſonſt bewundern
wollen,
Unſer menſchliches Geſchlecht haͤtt’ unſterblich machen ſollen.
Denn (nicht einmal zu gedenken, daß dieß gegen Gottes
Ehre,
Seiner heilgen Macht und Ordnung ein verruchter Frevel
waͤre:
Als wenn der nicht recht gewollt, welcher alles wollen
koͤnnen,
Und der, was er wollt, erſchaffen) haͤtt’ Er die Unſterb-
lichkeit
Hier der Menſchheit wollen goͤnnen;
Hat Er alles das, was Er hier erſchaffen und gemacht,
Nicht allein nicht wohl gewollt, ſondern, was Er uͤbel
wollte,
Noch viel ſchaͤdlicher und ſchlimmer gar zur Wirklichkeit
gebracht.
Denn,
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/593>, abgerufen am 13.06.2024.
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