Wer ist, der sich wohl mit Fug zu beklagen unterwindet, Sich im Stande zu befinden, drinn sich niemand nicht be- findet? Welcher nun in solchem Stande, muß im selben sich be- quemen, Willig, oder wider Willen, alles über sich zu nehmen. Handelt man denn nun nicht thöricht, (man gedenke doch daran) Daß man das gezwungen thut, was man doch freywillig kann?
Derjenige, der zufrieden ist, daß er sterbe, muß auch mit der Zeit des Todes und der Stunde zufrieden seyn.
B. "Es ist wahr, ich bin ein Mensch, und ver- lange folglich nicht, "Daß nichts Menschlichs mir begegne: halt es auch für meine Pflicht, "Da ich sterblich bin, zu sterben, ich bemerke die Ver- bindung "Der Natur mit unserm Tode, ja ich seh' ihn wirklich an, "Als ein Wunder der Natur, als ein' herrliche Erfindung "Der allmächtigweisen Gottheit, die, was gut, nur wollen kann. "Aber ich erschreck' und zitt're bloß nur für die Todeszeit, "Da die Stunde nicht gewiß. Da wir stets im Zweifel schweben, "Und nie sicher vor dem Tode, sind wir nie dazu bereit. "Da wir immer sterben können, heißt das Leben kaum ein Leben.
"Ueber-
Anleitung
Wer iſt, der ſich wohl mit Fug zu beklagen unterwindet, Sich im Stande zu befinden, drinn ſich niemand nicht be- findet? Welcher nun in ſolchem Stande, muß im ſelben ſich be- quemen, Willig, oder wider Willen, alles uͤber ſich zu nehmen. Handelt man denn nun nicht thoͤricht, (man gedenke doch daran) Daß man das gezwungen thut, was man doch freywillig kann?
Derjenige, der zufrieden iſt, daß er ſterbe, muß auch mit der Zeit des Todes und der Stunde zufrieden ſeyn.
B. „Es iſt wahr, ich bin ein Menſch, und ver- lange folglich nicht, „Daß nichts Menſchlichs mir begegne: halt es auch fuͤr meine Pflicht, „Da ich ſterblich bin, zu ſterben, ich bemerke die Ver- bindung „Der Natur mit unſerm Tode, ja ich ſeh’ ihn wirklich an, „Als ein Wunder der Natur, als ein’ herrliche Erfindung „Der allmaͤchtigweiſen Gottheit, die, was gut, nur wollen kann. „Aber ich erſchreck’ und zitt’re bloß nur fuͤr die Todeszeit, „Da die Stunde nicht gewiß. Da wir ſtets im Zweifel ſchweben, „Und nie ſicher vor dem Tode, ſind wir nie dazu bereit. „Da wir immer ſterben koͤnnen, heißt das Leben kaum ein Leben.
„Ueber-
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Wer iſt, der ſich wohl mit Fug zu beklagen unterwindet,
Sich im Stande zu befinden, drinn ſich niemand nicht be-
findet?
Welcher nun in ſolchem Stande, muß im ſelben ſich be-
quemen,
Willig, oder wider Willen, alles uͤber ſich zu nehmen.
Handelt man denn nun nicht thoͤricht, (man gedenke
doch daran)
Daß man das gezwungen thut, was man doch freywillig
kann?
Derjenige, der zufrieden iſt, daß er ſterbe,
muß auch mit der Zeit des Todes und
der Stunde zufrieden ſeyn.
B. „Es iſt wahr, ich bin ein Menſch, und ver-
lange folglich nicht,
„Daß nichts Menſchlichs mir begegne: halt es auch fuͤr
meine Pflicht,
„Da ich ſterblich bin, zu ſterben, ich bemerke die Ver-
bindung
„Der Natur mit unſerm Tode, ja ich ſeh’ ihn wirklich an,
„Als ein Wunder der Natur, als ein’ herrliche Erfindung
„Der allmaͤchtigweiſen Gottheit, die, was gut, nur
wollen kann.
„Aber ich erſchreck’ und zitt’re bloß nur fuͤr die Todeszeit,
„Da die Stunde nicht gewiß. Da wir ſtets im Zweifel
ſchweben,
„Und nie ſicher vor dem Tode, ſind wir nie dazu bereit.
„Da wir immer ſterben koͤnnen, heißt das Leben kaum
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/600>, abgerufen am 22.11.2024.
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