Jn Europa hier und dorten Find't man ihn im Ueberfluß; Welschland zeugt so viele Sorten, Daß man sich verwundern muß. Auch in Frankreich, auch in Sachsen Lässet Gott viel Marmor wachsen. Laßt uns, wenn wir Marmor sehn, Denken: Gott! dein Werk ist schön.
Jn dem Marmor sieht mein Auge, Von der ämsigen Natur, Und wie sie zu scherzen tauge, Eine sonderbare Spur. Sollt' uns nun ihr Spiel nicht lenken, An den Schöpfer zu gedenken, Welcher stets der Erden Geist, Uns zum Nutzen, wirken heißt?
Unter schönen glatten Steinen Wird das Fraueneis gesetzt, Welches man, wie viele meynen, Für den Mondstein sonst geschätzt, Den man Selenites nennet, Aber itzo nicht mehr kennet; Dieser Stein ist überall Ganz durchsichtig, wie Crystall.
Und doch lässet er sich trennen Ohne Mühe, wie denn wir Jhn in Blättlein theilen können, Die noch dünner, als Papier, Und dadurch sind viele Sachen Aus dem Spiegelstein zu machen; Fensterscheiben, Leuchten auch Reicht die Klarheit zum Gebrauch.
Er
Betrachtungen
Jn Europa hier und dorten Find’t man ihn im Ueberfluß; Welſchland zeugt ſo viele Sorten, Daß man ſich verwundern muß. Auch in Frankreich, auch in Sachſen Laͤſſet Gott viel Marmor wachſen. Laßt uns, wenn wir Marmor ſehn, Denken: Gott! dein Werk iſt ſchoͤn.
Jn dem Marmor ſieht mein Auge, Von der aͤmſigen Natur, Und wie ſie zu ſcherzen tauge, Eine ſonderbare Spur. Sollt’ uns nun ihr Spiel nicht lenken, An den Schoͤpfer zu gedenken, Welcher ſtets der Erden Geiſt, Uns zum Nutzen, wirken heißt?
Unter ſchoͤnen glatten Steinen Wird das Fraueneis geſetzt, Welches man, wie viele meynen, Fuͤr den Mondſtein ſonſt geſchaͤtzt, Den man Selenites nennet, Aber itzo nicht mehr kennet; Dieſer Stein iſt uͤberall Ganz durchſichtig, wie Cryſtall.
Und doch laͤſſet er ſich trennen Ohne Muͤhe, wie denn wir Jhn in Blaͤttlein theilen koͤnnen, Die noch duͤnner, als Papier, Und dadurch ſind viele Sachen Aus dem Spiegelſtein zu machen; Fenſterſcheiben, Leuchten auch Reicht die Klarheit zum Gebrauch.
Er
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[52/0072]
Betrachtungen
Jn Europa hier und dorten
Find’t man ihn im Ueberfluß;
Welſchland zeugt ſo viele Sorten,
Daß man ſich verwundern muß.
Auch in Frankreich, auch in Sachſen
Laͤſſet Gott viel Marmor wachſen.
Laßt uns, wenn wir Marmor ſehn,
Denken: Gott! dein Werk iſt ſchoͤn.
Jn dem Marmor ſieht mein Auge,
Von der aͤmſigen Natur,
Und wie ſie zu ſcherzen tauge,
Eine ſonderbare Spur.
Sollt’ uns nun ihr Spiel nicht lenken,
An den Schoͤpfer zu gedenken,
Welcher ſtets der Erden Geiſt,
Uns zum Nutzen, wirken heißt?
Unter ſchoͤnen glatten Steinen
Wird das Fraueneis geſetzt,
Welches man, wie viele meynen,
Fuͤr den Mondſtein ſonſt geſchaͤtzt,
Den man Selenites nennet,
Aber itzo nicht mehr kennet;
Dieſer Stein iſt uͤberall
Ganz durchſichtig, wie Cryſtall.
Und doch laͤſſet er ſich trennen
Ohne Muͤhe, wie denn wir
Jhn in Blaͤttlein theilen koͤnnen,
Die noch duͤnner, als Papier,
Und dadurch ſind viele Sachen
Aus dem Spiegelſtein zu machen;
Fenſterſcheiben, Leuchten auch
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/72>, abgerufen am 16.07.2024.
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