Petersburg kam, in Moskau, und als er sahe, daß sein Sohn seine Gemahlinn in einem traurigen Zustande gelassen hatte, so schickte er dem Prinzen den Befehl, ohne Verzug zu seiner Familie zurück zu kommen.
Verbotene Grade der Verwandt- schaft.
Die Russen dürfen niemanden heirathen, der im vierten Grade mit ihnen verwandt ist. Diejenigen, so vom gleichen Grade der Blutsfreundschaft sind, nennen einander Bruder und Schwester, mit dem Unterschiede des ersten und des zweyten, und so ferner, bis zum vierten Grade; diejenigen aber, welche von einem höhern und niedern Grade sind, werden Vet- tern, Nichten u. s. f. genennt, mit eben dem Unter- schiede. Bey ihren Taufen haben sie gemeiniglich drey oder vier Gevattern und eben so viel Gevatterinnen, die sich nach der Ceremonie für so nahe verwandt hal- ten, daß sie einander eben so wenig heirathen können, als wenn sie Kinder von einerley Aeltern wären.
Jhre Be- gräbnisse.
Bey ihren Begräbnissen haben sie eine sehr lä- cherliche Gewohnheit. Ehe der Sarg zugemacht wird, giebt der Beichtvater dem Verstorbenen ein Zeugniß oder Paß in die andere Welt mit diesen Worten zwischen die Finger: Wir N. N. bekennen durch gegenwärtige (Zeilen), daß der Ueberbringer der- selben sich beständig unter uns verhalten und gelebt, wie es einem guten Christen geziemet, und sich zur grie- chischen Religion bekannt hat; und, ob er gleich etliche Sünden begangen hat, so hat er sie doch bekannt, die Absolution erhalten und das Abendmahl für die Bege- hung seiner Sünden genossen; daß er Gott und seine Heiligen geehret, sein Gebet nicht verabsäumet, und in den von der Kirche verordneten Stunden und Tagen gefastet hat, daß er sich jederzeit gegen mich, der ich
sein
Petersburg kam, in Moskau, und als er ſahe, daß ſein Sohn ſeine Gemahlinn in einem traurigen Zuſtande gelaſſen hatte, ſo ſchickte er dem Prinzen den Befehl, ohne Verzug zu ſeiner Familie zuruͤck zu kommen.
Verbotene Grade der Verwandt- ſchaft.
Die Ruſſen duͤrfen niemanden heirathen, der im vierten Grade mit ihnen verwandt iſt. Diejenigen, ſo vom gleichen Grade der Blutsfreundſchaft ſind, nennen einander Bruder und Schweſter, mit dem Unterſchiede des erſten und des zweyten, und ſo ferner, bis zum vierten Grade; diejenigen aber, welche von einem hoͤhern und niedern Grade ſind, werden Vet- tern, Nichten u. ſ. f. genennt, mit eben dem Unter- ſchiede. Bey ihren Taufen haben ſie gemeiniglich drey oder vier Gevattern und eben ſo viel Gevatterinnen, die ſich nach der Ceremonie fuͤr ſo nahe verwandt hal- ten, daß ſie einander eben ſo wenig heirathen koͤnnen, als wenn ſie Kinder von einerley Aeltern waͤren.
Jhre Be- graͤbniſſe.
Bey ihren Begraͤbniſſen haben ſie eine ſehr laͤ- cherliche Gewohnheit. Ehe der Sarg zugemacht wird, giebt der Beichtvater dem Verſtorbenen ein Zeugniß oder Paß in die andere Welt mit dieſen Worten zwiſchen die Finger: Wir N. N. bekennen durch gegenwaͤrtige (Zeilen), daß der Ueberbringer der- ſelben ſich beſtaͤndig unter uns verhalten und gelebt, wie es einem guten Chriſten geziemet, und ſich zur grie- chiſchen Religion bekannt hat; und, ob er gleich etliche Suͤnden begangen hat, ſo hat er ſie doch bekannt, die Abſolution erhalten und das Abendmahl fuͤr die Bege- hung ſeiner Suͤnden genoſſen; daß er Gott und ſeine Heiligen geehret, ſein Gebet nicht verabſaͤumet, und in den von der Kirche verordneten Stunden und Tagen gefaſtet hat, daß er ſich jederzeit gegen mich, der ich
ſein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0128"n="118"/>
Petersburg kam, in Moskau, und als er ſahe, daß ſein<lb/>
Sohn ſeine Gemahlinn in einem traurigen Zuſtande<lb/>
gelaſſen hatte, ſo ſchickte er dem Prinzen den Befehl,<lb/>
ohne Verzug zu ſeiner Familie zuruͤck zu kommen.</p><lb/><noteplace="left">Verbotene<lb/>
Grade der<lb/>
Verwandt-<lb/>ſchaft.</note><p>Die Ruſſen duͤrfen niemanden heirathen, der im<lb/>
vierten Grade mit ihnen verwandt iſt. Diejenigen,<lb/>ſo vom gleichen Grade der Blutsfreundſchaft ſind,<lb/>
nennen einander Bruder und Schweſter, mit dem<lb/>
Unterſchiede des erſten und des zweyten, und ſo ferner,<lb/>
bis zum vierten Grade; diejenigen aber, welche von<lb/>
einem hoͤhern und niedern Grade ſind, werden Vet-<lb/>
tern, Nichten u. ſ. f. genennt, mit eben dem Unter-<lb/>ſchiede. Bey ihren Taufen haben ſie gemeiniglich<lb/>
drey oder vier Gevattern und eben ſo viel Gevatterinnen,<lb/>
die ſich nach der Ceremonie fuͤr ſo nahe verwandt hal-<lb/>
ten, daß ſie einander eben ſo wenig heirathen koͤnnen,<lb/>
als wenn ſie Kinder von einerley Aeltern waͤren.</p><lb/><noteplace="left">Jhre Be-<lb/>
graͤbniſſe.</note><p>Bey ihren Begraͤbniſſen haben ſie eine ſehr laͤ-<lb/>
cherliche Gewohnheit. Ehe der Sarg zugemacht<lb/>
wird, giebt der Beichtvater dem Verſtorbenen ein<lb/>
Zeugniß oder Paß in die andere Welt mit dieſen<lb/>
Worten zwiſchen die Finger: Wir N. N. bekennen<lb/>
durch gegenwaͤrtige (Zeilen), daß der Ueberbringer der-<lb/>ſelben ſich beſtaͤndig unter uns verhalten und gelebt,<lb/>
wie es einem guten Chriſten geziemet, und ſich zur grie-<lb/>
chiſchen Religion bekannt hat; und, ob er gleich etliche<lb/>
Suͤnden begangen hat, ſo hat er ſie doch bekannt, die<lb/>
Abſolution erhalten und das Abendmahl fuͤr die Bege-<lb/>
hung ſeiner Suͤnden genoſſen; daß er Gott und ſeine<lb/>
Heiligen geehret, ſein Gebet nicht verabſaͤumet, und in<lb/>
den von der Kirche verordneten Stunden und Tagen<lb/>
gefaſtet hat, daß er ſich jederzeit gegen mich, der ich<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſein</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[118/0128]
Petersburg kam, in Moskau, und als er ſahe, daß ſein
Sohn ſeine Gemahlinn in einem traurigen Zuſtande
gelaſſen hatte, ſo ſchickte er dem Prinzen den Befehl,
ohne Verzug zu ſeiner Familie zuruͤck zu kommen.
Die Ruſſen duͤrfen niemanden heirathen, der im
vierten Grade mit ihnen verwandt iſt. Diejenigen,
ſo vom gleichen Grade der Blutsfreundſchaft ſind,
nennen einander Bruder und Schweſter, mit dem
Unterſchiede des erſten und des zweyten, und ſo ferner,
bis zum vierten Grade; diejenigen aber, welche von
einem hoͤhern und niedern Grade ſind, werden Vet-
tern, Nichten u. ſ. f. genennt, mit eben dem Unter-
ſchiede. Bey ihren Taufen haben ſie gemeiniglich
drey oder vier Gevattern und eben ſo viel Gevatterinnen,
die ſich nach der Ceremonie fuͤr ſo nahe verwandt hal-
ten, daß ſie einander eben ſo wenig heirathen koͤnnen,
als wenn ſie Kinder von einerley Aeltern waͤren.
Bey ihren Begraͤbniſſen haben ſie eine ſehr laͤ-
cherliche Gewohnheit. Ehe der Sarg zugemacht
wird, giebt der Beichtvater dem Verſtorbenen ein
Zeugniß oder Paß in die andere Welt mit dieſen
Worten zwiſchen die Finger: Wir N. N. bekennen
durch gegenwaͤrtige (Zeilen), daß der Ueberbringer der-
ſelben ſich beſtaͤndig unter uns verhalten und gelebt,
wie es einem guten Chriſten geziemet, und ſich zur grie-
chiſchen Religion bekannt hat; und, ob er gleich etliche
Suͤnden begangen hat, ſo hat er ſie doch bekannt, die
Abſolution erhalten und das Abendmahl fuͤr die Bege-
hung ſeiner Suͤnden genoſſen; daß er Gott und ſeine
Heiligen geehret, ſein Gebet nicht verabſaͤumet, und in
den von der Kirche verordneten Stunden und Tagen
gefaſtet hat, daß er ſich jederzeit gegen mich, der ich
ſein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/128>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.