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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

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Petersburg kam, in Moskau, und als er sahe, daß sein
Sohn seine Gemahlinn in einem traurigen Zustande
gelassen hatte, so schickte er dem Prinzen den Befehl,
ohne Verzug zu seiner Familie zurück zu kommen.

Verbotene
Grade der
Verwandt-
schaft.

Die Russen dürfen niemanden heirathen, der im
vierten Grade mit ihnen verwandt ist. Diejenigen,
so vom gleichen Grade der Blutsfreundschaft sind,
nennen einander Bruder und Schwester, mit dem
Unterschiede des ersten und des zweyten, und so ferner,
bis zum vierten Grade; diejenigen aber, welche von
einem höhern und niedern Grade sind, werden Vet-
tern, Nichten u. s. f. genennt, mit eben dem Unter-
schiede. Bey ihren Taufen haben sie gemeiniglich
drey oder vier Gevattern und eben so viel Gevatterinnen,
die sich nach der Ceremonie für so nahe verwandt hal-
ten, daß sie einander eben so wenig heirathen können,
als wenn sie Kinder von einerley Aeltern wären.

Jhre Be-
gräbnisse.

Bey ihren Begräbnissen haben sie eine sehr lä-
cherliche Gewohnheit. Ehe der Sarg zugemacht
wird, giebt der Beichtvater dem Verstorbenen ein
Zeugniß oder Paß in die andere Welt mit diesen
Worten zwischen die Finger: Wir N. N. bekennen
durch gegenwärtige (Zeilen), daß der Ueberbringer der-
selben sich beständig unter uns verhalten und gelebt,
wie es einem guten Christen geziemet, und sich zur grie-
chischen Religion bekannt hat; und, ob er gleich etliche
Sünden begangen hat, so hat er sie doch bekannt, die
Absolution erhalten und das Abendmahl für die Bege-
hung seiner Sünden genossen; daß er Gott und seine
Heiligen geehret, sein Gebet nicht verabsäumet, und in
den von der Kirche verordneten Stunden und Tagen
gefastet hat, daß er sich jederzeit gegen mich, der ich

sein

Petersburg kam, in Moskau, und als er ſahe, daß ſein
Sohn ſeine Gemahlinn in einem traurigen Zuſtande
gelaſſen hatte, ſo ſchickte er dem Prinzen den Befehl,
ohne Verzug zu ſeiner Familie zuruͤck zu kommen.

Verbotene
Grade der
Verwandt-
ſchaft.

Die Ruſſen duͤrfen niemanden heirathen, der im
vierten Grade mit ihnen verwandt iſt. Diejenigen,
ſo vom gleichen Grade der Blutsfreundſchaft ſind,
nennen einander Bruder und Schweſter, mit dem
Unterſchiede des erſten und des zweyten, und ſo ferner,
bis zum vierten Grade; diejenigen aber, welche von
einem hoͤhern und niedern Grade ſind, werden Vet-
tern, Nichten u. ſ. f. genennt, mit eben dem Unter-
ſchiede. Bey ihren Taufen haben ſie gemeiniglich
drey oder vier Gevattern und eben ſo viel Gevatterinnen,
die ſich nach der Ceremonie fuͤr ſo nahe verwandt hal-
ten, daß ſie einander eben ſo wenig heirathen koͤnnen,
als wenn ſie Kinder von einerley Aeltern waͤren.

Jhre Be-
graͤbniſſe.

Bey ihren Begraͤbniſſen haben ſie eine ſehr laͤ-
cherliche Gewohnheit. Ehe der Sarg zugemacht
wird, giebt der Beichtvater dem Verſtorbenen ein
Zeugniß oder Paß in die andere Welt mit dieſen
Worten zwiſchen die Finger: Wir N. N. bekennen
durch gegenwaͤrtige (Zeilen), daß der Ueberbringer der-
ſelben ſich beſtaͤndig unter uns verhalten und gelebt,
wie es einem guten Chriſten geziemet, und ſich zur grie-
chiſchen Religion bekannt hat; und, ob er gleich etliche
Suͤnden begangen hat, ſo hat er ſie doch bekannt, die
Abſolution erhalten und das Abendmahl fuͤr die Bege-
hung ſeiner Suͤnden genoſſen; daß er Gott und ſeine
Heiligen geehret, ſein Gebet nicht verabſaͤumet, und in
den von der Kirche verordneten Stunden und Tagen
gefaſtet hat, daß er ſich jederzeit gegen mich, der ich

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[118/0128] Petersburg kam, in Moskau, und als er ſahe, daß ſein Sohn ſeine Gemahlinn in einem traurigen Zuſtande gelaſſen hatte, ſo ſchickte er dem Prinzen den Befehl, ohne Verzug zu ſeiner Familie zuruͤck zu kommen. Die Ruſſen duͤrfen niemanden heirathen, der im vierten Grade mit ihnen verwandt iſt. Diejenigen, ſo vom gleichen Grade der Blutsfreundſchaft ſind, nennen einander Bruder und Schweſter, mit dem Unterſchiede des erſten und des zweyten, und ſo ferner, bis zum vierten Grade; diejenigen aber, welche von einem hoͤhern und niedern Grade ſind, werden Vet- tern, Nichten u. ſ. f. genennt, mit eben dem Unter- ſchiede. Bey ihren Taufen haben ſie gemeiniglich drey oder vier Gevattern und eben ſo viel Gevatterinnen, die ſich nach der Ceremonie fuͤr ſo nahe verwandt hal- ten, daß ſie einander eben ſo wenig heirathen koͤnnen, als wenn ſie Kinder von einerley Aeltern waͤren. Bey ihren Begraͤbniſſen haben ſie eine ſehr laͤ- cherliche Gewohnheit. Ehe der Sarg zugemacht wird, giebt der Beichtvater dem Verſtorbenen ein Zeugniß oder Paß in die andere Welt mit dieſen Worten zwiſchen die Finger: Wir N. N. bekennen durch gegenwaͤrtige (Zeilen), daß der Ueberbringer der- ſelben ſich beſtaͤndig unter uns verhalten und gelebt, wie es einem guten Chriſten geziemet, und ſich zur grie- chiſchen Religion bekannt hat; und, ob er gleich etliche Suͤnden begangen hat, ſo hat er ſie doch bekannt, die Abſolution erhalten und das Abendmahl fuͤr die Bege- hung ſeiner Suͤnden genoſſen; daß er Gott und ſeine Heiligen geehret, ſein Gebet nicht verabſaͤumet, und in den von der Kirche verordneten Stunden und Tagen gefaſtet hat, daß er ſich jederzeit gegen mich, der ich ſein

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Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/128>, abgerufen am 25.11.2024.