34 Jahren verheirathet, und die Hochzeit dieses aus- serordentlichen Paares von ungefähr 400 Personen beyderley Geschlechts in einer Masquerade begangen wurde, wobey allemal vier Personen ihre besondere Kleidung und Musik hatten. Die vier Personen, die die Gesellschaft einladen mußten, waren die vier größten Stammerer im ganzen Reiche; die vier Läu- fer waren die allerlangsamsten, dicksten Podagristen, die nur gefunden werden konnten; die Brautführer, Aufseher und Aufwärter waren sehr alte Manner, und der Priester, der sie traute, war fast 100 Jahr alt. Die Procession, die von des Czars Pallaste aus und auf dem Eise über den Fluß in die große Kirche nahe beym Senathause gieng, geschah in fol- gender Ordnung. Zuerst kam ein Schlitten mit vier Läufern; dann ein Schlitten mit den Stammerern, den Brautführern, Aufsehern und Aufwärtern; hier- auf folgte der Knes Romadanofski, der After-Czar, der in seiner Kleidung den König David vorstellte, anstatt der Harfe aber eine mit einer Bärenhaut be- deckte Leyer hatte, darauf zu spielen. Da er die Hauptperson in dem Schauspiele war, so war auch sein Schlitten wie ein Thron gebauet, und er hatte des König Davids Krone auf dem Kopfe, an jede Ecke des Schlittens aber war ein Bär statt der Läufer gebun- den, und einer stand hinten darauf und hielt den Schlitten mit seinen zwey Pfoten. Die Bären wurden die ganze Zeit über mit Stacheln gestochen, und brüllten auf eine fürchterliche Art. Hierauf folg- ten Braut und Bräutigam auf einem mit Fleiß erhöhe- ten Schitten, der von Liebesgöttern umgeben war, von denen jeder ein großes Horn in seiner Hand hielt.
Vorne
34 Jahren verheirathet, und die Hochzeit dieſes auſ- ſerordentlichen Paares von ungefaͤhr 400 Perſonen beyderley Geſchlechts in einer Masquerade begangen wurde, wobey allemal vier Perſonen ihre beſondere Kleidung und Muſik hatten. Die vier Perſonen, die die Geſellſchaft einladen mußten, waren die vier groͤßten Stammerer im ganzen Reiche; die vier Laͤu- fer waren die allerlangſamſten, dickſten Podagriſten, die nur gefunden werden konnten; die Brautfuͤhrer, Aufſeher und Aufwaͤrter waren ſehr alte Manner, und der Prieſter, der ſie traute, war faſt 100 Jahr alt. Die Proceſſion, die von des Czars Pallaſte aus und auf dem Eiſe uͤber den Fluß in die große Kirche nahe beym Senathauſe gieng, geſchah in fol- gender Ordnung. Zuerſt kam ein Schlitten mit vier Laͤufern; dann ein Schlitten mit den Stammerern, den Brautfuͤhrern, Aufſehern und Aufwaͤrtern; hier- auf folgte der Knes Romadanofski, der After-Czar, der in ſeiner Kleidung den Koͤnig David vorſtellte, anſtatt der Harfe aber eine mit einer Baͤrenhaut be- deckte Leyer hatte, darauf zu ſpielen. Da er die Hauptperſon in dem Schauſpiele war, ſo war auch ſein Schlitten wie ein Thron gebauet, und er hatte des Koͤnig Davids Krone auf dem Kopfe, an jede Ecke des Schlittens aber war ein Baͤr ſtatt der Laͤufer gebun- den, und einer ſtand hinten darauf und hielt den Schlitten mit ſeinen zwey Pfoten. Die Baͤren wurden die ganze Zeit uͤber mit Stacheln geſtochen, und bruͤllten auf eine fuͤrchterliche Art. Hierauf folg- ten Braut und Braͤutigam auf einem mit Fleiß erhoͤhe- ten Schitten, der von Liebesgoͤttern umgeben war, von denen jeder ein großes Horn in ſeiner Hand hielt.
Vorne
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0183"n="173"/>
34 Jahren verheirathet, und die Hochzeit dieſes auſ-<lb/>ſerordentlichen Paares von ungefaͤhr 400 Perſonen<lb/>
beyderley Geſchlechts in einer Masquerade begangen<lb/>
wurde, wobey allemal vier Perſonen ihre beſondere<lb/>
Kleidung und Muſik hatten. Die vier Perſonen,<lb/>
die die Geſellſchaft einladen mußten, waren die vier<lb/>
groͤßten Stammerer im ganzen Reiche; die vier Laͤu-<lb/>
fer waren die allerlangſamſten, dickſten Podagriſten,<lb/>
die nur gefunden werden konnten; die Brautfuͤhrer,<lb/>
Aufſeher und Aufwaͤrter waren ſehr alte Manner,<lb/>
und der Prieſter, der ſie traute, war faſt 100 Jahr<lb/>
alt. Die Proceſſion, die von des Czars Pallaſte<lb/>
aus und auf dem Eiſe uͤber den Fluß in die große<lb/>
Kirche nahe beym Senathauſe gieng, geſchah in fol-<lb/>
gender Ordnung. Zuerſt kam ein Schlitten mit vier<lb/>
Laͤufern; dann ein Schlitten mit den Stammerern,<lb/>
den Brautfuͤhrern, Aufſehern und Aufwaͤrtern; hier-<lb/>
auf folgte der Knes Romadanofski, der After-Czar,<lb/>
der in ſeiner Kleidung den Koͤnig David vorſtellte,<lb/>
anſtatt der Harfe aber eine mit einer Baͤrenhaut be-<lb/>
deckte Leyer hatte, darauf zu ſpielen. Da er die<lb/>
Hauptperſon in dem Schauſpiele war, ſo war auch<lb/>ſein Schlitten wie ein Thron gebauet, und er hatte des<lb/>
Koͤnig Davids Krone auf dem Kopfe, an jede Ecke des<lb/>
Schlittens aber war ein Baͤr ſtatt der Laͤufer gebun-<lb/>
den, und einer ſtand hinten darauf und hielt den<lb/>
Schlitten mit ſeinen zwey Pfoten. Die Baͤren<lb/>
wurden die ganze Zeit uͤber mit Stacheln geſtochen,<lb/>
und bruͤllten auf eine fuͤrchterliche Art. Hierauf folg-<lb/>
ten Braut und Braͤutigam auf einem mit Fleiß erhoͤhe-<lb/>
ten Schitten, der von Liebesgoͤttern umgeben war,<lb/>
von denen jeder ein großes Horn in ſeiner Hand hielt.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Vorne</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[173/0183]
34 Jahren verheirathet, und die Hochzeit dieſes auſ-
ſerordentlichen Paares von ungefaͤhr 400 Perſonen
beyderley Geſchlechts in einer Masquerade begangen
wurde, wobey allemal vier Perſonen ihre beſondere
Kleidung und Muſik hatten. Die vier Perſonen,
die die Geſellſchaft einladen mußten, waren die vier
groͤßten Stammerer im ganzen Reiche; die vier Laͤu-
fer waren die allerlangſamſten, dickſten Podagriſten,
die nur gefunden werden konnten; die Brautfuͤhrer,
Aufſeher und Aufwaͤrter waren ſehr alte Manner,
und der Prieſter, der ſie traute, war faſt 100 Jahr
alt. Die Proceſſion, die von des Czars Pallaſte
aus und auf dem Eiſe uͤber den Fluß in die große
Kirche nahe beym Senathauſe gieng, geſchah in fol-
gender Ordnung. Zuerſt kam ein Schlitten mit vier
Laͤufern; dann ein Schlitten mit den Stammerern,
den Brautfuͤhrern, Aufſehern und Aufwaͤrtern; hier-
auf folgte der Knes Romadanofski, der After-Czar,
der in ſeiner Kleidung den Koͤnig David vorſtellte,
anſtatt der Harfe aber eine mit einer Baͤrenhaut be-
deckte Leyer hatte, darauf zu ſpielen. Da er die
Hauptperſon in dem Schauſpiele war, ſo war auch
ſein Schlitten wie ein Thron gebauet, und er hatte des
Koͤnig Davids Krone auf dem Kopfe, an jede Ecke des
Schlittens aber war ein Baͤr ſtatt der Laͤufer gebun-
den, und einer ſtand hinten darauf und hielt den
Schlitten mit ſeinen zwey Pfoten. Die Baͤren
wurden die ganze Zeit uͤber mit Stacheln geſtochen,
und bruͤllten auf eine fuͤrchterliche Art. Hierauf folg-
ten Braut und Braͤutigam auf einem mit Fleiß erhoͤhe-
ten Schitten, der von Liebesgoͤttern umgeben war,
von denen jeder ein großes Horn in ſeiner Hand hielt.
Vorne
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/183>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.