ten und alsdann folgende Aufschrift auf der andern Seite fanden: "Jhr Thoren, was suchet ihr? hie- her ist nichts geleget worden".
Alabaster- bruch.
Von hier kamen wir zu einem Dorfe Tenesowa genannt, wo ein schöner Alabasterbruch war, davon ich auch etliche große Stücken mitnahm und sie in das Proviantschiff legte, um sie dem Kaiser zu zeigen. Den 20sten Junii kamen wir nach Samara, einer Stadt zur linken Hand des Flusses, die zu dem Kö- nigreiche Bulgar gehöret. Der Fluß Samar, von dem sie den Nahmen hat, fällt hier in die Wolga, Bulgarische Tartarn.und liegt über 300 Werste von Casan. Die Stadt Samara ist viereckig, die Festungswerke und andere Gebäude sind von Holz, die Kirchen und Klöster aus- genommen. Die Besatzung bestehet aus einer An- zahl regulairer Truppen und Cosaken, die unter einem Gouverneur stehen. Der Bulgaren Leben und Sit- ten kommen fast mit der Casaner ihren überein. Nicht weit von diesem Orte, nahe am Flusse Ußa, stehet ein merkwürdiger Berg, Dewitza Gora oder der Jungfernberg genannt, davon sie viel fabelhafte Ge- schichten erzählen, die nicht verdienen wiederholet zu werden. Er war vor diesem der Sammelplatz einer Menge Kosakischer Räuber, die von dessen Anhöhe in eine beträchtliche Entfernung den Fluß herauf und herunter sehen konnten, und hierdurch in den Stand gesetzt wurden, die Fahrzeuge anzuhalten und zu be- rauben; aber jetzt ist er in ein Mönchskloster verwan- Jungfern- berg.delt. Der Berg ist wie ein Hut Zucker gestaltet, mit einem Wege, der rund herum bis auf den Gipfel hinauf gehet. An diesem Wege stehen kleine Cellen nicht weit von einander, davon jede von einem Mönche
bewohnet
ten und alsdann folgende Aufſchrift auf der andern Seite fanden: „Jhr Thoren, was ſuchet ihr? hie- her iſt nichts geleget worden“.
Alabaſter- bruch.
Von hier kamen wir zu einem Dorfe Teneſowa genannt, wo ein ſchoͤner Alabaſterbruch war, davon ich auch etliche große Stuͤcken mitnahm und ſie in das Proviantſchiff legte, um ſie dem Kaiſer zu zeigen. Den 20ſten Junii kamen wir nach Samara, einer Stadt zur linken Hand des Fluſſes, die zu dem Koͤ- nigreiche Bulgar gehoͤret. Der Fluß Samar, von dem ſie den Nahmen hat, faͤllt hier in die Wolga, Bulgariſche Tartarn.und liegt uͤber 300 Werſte von Caſan. Die Stadt Samara iſt viereckig, die Feſtungswerke und andere Gebaͤude ſind von Holz, die Kirchen und Kloͤſter aus- genommen. Die Beſatzung beſtehet aus einer An- zahl regulairer Truppen und Coſaken, die unter einem Gouverneur ſtehen. Der Bulgaren Leben und Sit- ten kommen faſt mit der Caſaner ihren uͤberein. Nicht weit von dieſem Orte, nahe am Fluſſe Ußa, ſtehet ein merkwuͤrdiger Berg, Dewitza Gora oder der Jungfernberg genannt, davon ſie viel fabelhafte Ge- ſchichten erzaͤhlen, die nicht verdienen wiederholet zu werden. Er war vor dieſem der Sammelplatz einer Menge Koſakiſcher Raͤuber, die von deſſen Anhoͤhe in eine betraͤchtliche Entfernung den Fluß herauf und herunter ſehen konnten, und hierdurch in den Stand geſetzt wurden, die Fahrzeuge anzuhalten und zu be- rauben; aber jetzt iſt er in ein Moͤnchskloſter verwan- Jungfern- berg.delt. Der Berg iſt wie ein Hut Zucker geſtaltet, mit einem Wege, der rund herum bis auf den Gipfel hinauf gehet. An dieſem Wege ſtehen kleine Cellen nicht weit von einander, davon jede von einem Moͤnche
bewohnet
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0290"n="280"/>
ten und alsdann folgende Aufſchrift auf der andern<lb/>
Seite fanden: „Jhr Thoren, was ſuchet ihr? hie-<lb/>
her iſt nichts geleget worden“.</p><lb/><noteplace="left">Alabaſter-<lb/>
bruch.</note><p>Von hier kamen wir zu einem Dorfe <hirendition="#fr">Teneſowa</hi><lb/>
genannt, wo ein ſchoͤner Alabaſterbruch war, davon<lb/>
ich auch etliche große Stuͤcken mitnahm und ſie in das<lb/>
Proviantſchiff legte, um ſie dem Kaiſer zu zeigen.<lb/>
Den 20ſten Junii kamen wir nach <hirendition="#fr">Samara,</hi> einer<lb/>
Stadt zur linken Hand des Fluſſes, die zu dem Koͤ-<lb/>
nigreiche Bulgar gehoͤret. Der Fluß Samar, von<lb/>
dem ſie den Nahmen hat, faͤllt hier in die Wolga,<lb/><noteplace="left">Bulgariſche<lb/>
Tartarn.</note>und liegt uͤber 300 Werſte von Caſan. Die Stadt<lb/>
Samara iſt viereckig, die Feſtungswerke und andere<lb/>
Gebaͤude ſind von Holz, die Kirchen und Kloͤſter aus-<lb/>
genommen. Die Beſatzung beſtehet aus einer An-<lb/>
zahl regulairer Truppen und Coſaken, die unter einem<lb/>
Gouverneur ſtehen. Der Bulgaren Leben und Sit-<lb/>
ten kommen faſt mit der Caſaner ihren uͤberein. Nicht<lb/>
weit von dieſem Orte, nahe am Fluſſe Ußa, ſtehet<lb/>
ein merkwuͤrdiger Berg, <hirendition="#fr">Dewitza Gora</hi> oder der<lb/>
Jungfernberg genannt, davon ſie viel fabelhafte Ge-<lb/>ſchichten erzaͤhlen, die nicht verdienen wiederholet zu<lb/>
werden. Er war vor dieſem der Sammelplatz einer<lb/>
Menge Koſakiſcher Raͤuber, die von deſſen Anhoͤhe<lb/>
in eine betraͤchtliche Entfernung den Fluß herauf und<lb/>
herunter ſehen konnten, und hierdurch in den Stand<lb/>
geſetzt wurden, die Fahrzeuge anzuhalten und zu be-<lb/>
rauben; aber jetzt iſt er in ein Moͤnchskloſter verwan-<lb/><noteplace="left">Jungfern-<lb/>
berg.</note>delt. Der Berg iſt wie ein Hut Zucker geſtaltet,<lb/>
mit einem Wege, der rund herum bis auf den Gipfel<lb/>
hinauf gehet. An dieſem Wege ſtehen kleine Cellen<lb/>
nicht weit von einander, davon jede von einem Moͤnche<lb/><fwplace="bottom"type="catch">bewohnet</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[280/0290]
ten und alsdann folgende Aufſchrift auf der andern
Seite fanden: „Jhr Thoren, was ſuchet ihr? hie-
her iſt nichts geleget worden“.
Von hier kamen wir zu einem Dorfe Teneſowa
genannt, wo ein ſchoͤner Alabaſterbruch war, davon
ich auch etliche große Stuͤcken mitnahm und ſie in das
Proviantſchiff legte, um ſie dem Kaiſer zu zeigen.
Den 20ſten Junii kamen wir nach Samara, einer
Stadt zur linken Hand des Fluſſes, die zu dem Koͤ-
nigreiche Bulgar gehoͤret. Der Fluß Samar, von
dem ſie den Nahmen hat, faͤllt hier in die Wolga,
und liegt uͤber 300 Werſte von Caſan. Die Stadt
Samara iſt viereckig, die Feſtungswerke und andere
Gebaͤude ſind von Holz, die Kirchen und Kloͤſter aus-
genommen. Die Beſatzung beſtehet aus einer An-
zahl regulairer Truppen und Coſaken, die unter einem
Gouverneur ſtehen. Der Bulgaren Leben und Sit-
ten kommen faſt mit der Caſaner ihren uͤberein. Nicht
weit von dieſem Orte, nahe am Fluſſe Ußa, ſtehet
ein merkwuͤrdiger Berg, Dewitza Gora oder der
Jungfernberg genannt, davon ſie viel fabelhafte Ge-
ſchichten erzaͤhlen, die nicht verdienen wiederholet zu
werden. Er war vor dieſem der Sammelplatz einer
Menge Koſakiſcher Raͤuber, die von deſſen Anhoͤhe
in eine betraͤchtliche Entfernung den Fluß herauf und
herunter ſehen konnten, und hierdurch in den Stand
geſetzt wurden, die Fahrzeuge anzuhalten und zu be-
rauben; aber jetzt iſt er in ein Moͤnchskloſter verwan-
delt. Der Berg iſt wie ein Hut Zucker geſtaltet,
mit einem Wege, der rund herum bis auf den Gipfel
hinauf gehet. An dieſem Wege ſtehen kleine Cellen
nicht weit von einander, davon jede von einem Moͤnche
bewohnet
Bulgariſche
Tartarn.
Jungfern-
berg.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/290>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.