Wunde, daher sie sich auch vor dem Feuergewehre sehr fürchten. Jhr Gewehr bestehet in einem Säbel, einer Lanze, Bogen und Pfeilen; sie fangen aber schon an, sich der Feuergewehre zu bedienen, welche sie mit der Zeit furchtbarer machen werden. Jhr Vieh ist groß; ihre Schaafe sind von der größten Art, und haben große fette Schwänze, die 26 bis 30 Pfund wiegen. Jhre Ohren hängen herunter wie bey unsern Hunden; sie haben anstatt der Wolle weiches krauses Haar, daher ihre Häute insgesammt zu Futtern unter die Kleider gebraucht werden. Jh- re Pferde sind klein und haben ein schlechtes Ansehen, sind aber flüchtig, munter und stark; viele gehen von Natur einen Paß, und trottiren unglaublich geschwin- de. Sie essen Kameele, Kühe und Schaafe, ziehen aber das Pferdefleisch allen andern vor.
Sie sind in ihrer Einbildung die glücklichsten Menschen von der Welt, weil sie sich mit keiner Ar- beit ermüden, sondern sich mit Fischen und Jagen vergnügen. Jch kann mir auch nichts angenehmers vorstellen, als ihre Lebensart im Sommer; allein im Winter müssen sie sich über den Fluß begeben, und auf der dürren Ebene von Astrakan wohnen, wo sie nichts als den Mist ihres Viehes zu brennen haben, und das Vieh bey dem wenigen Grafe einer unfrucht- baren Wüsteney beynahe verhungert. Hier bleiben sie bis auf den Frühling, da ihre vorige Wohnung, auf der östlichen Seite des Flusses, fast einen ganzen Monat von dem geschmolzenen Schneewasser über- schwemmt ist, und ihr Land wie eine mit Bäumen bewachsene See aussiehet. Sobald dieses Wasser fällt, gehen sie mit vieler Freude zurück, lassen ihre
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Wunde, daher ſie ſich auch vor dem Feuergewehre ſehr fuͤrchten. Jhr Gewehr beſtehet in einem Saͤbel, einer Lanze, Bogen und Pfeilen; ſie fangen aber ſchon an, ſich der Feuergewehre zu bedienen, welche ſie mit der Zeit furchtbarer machen werden. Jhr Vieh iſt groß; ihre Schaafe ſind von der groͤßten Art, und haben große fette Schwaͤnze, die 26 bis 30 Pfund wiegen. Jhre Ohren haͤngen herunter wie bey unſern Hunden; ſie haben anſtatt der Wolle weiches krauſes Haar, daher ihre Haͤute insgeſammt zu Futtern unter die Kleider gebraucht werden. Jh- re Pferde ſind klein und haben ein ſchlechtes Anſehen, ſind aber fluͤchtig, munter und ſtark; viele gehen von Natur einen Paß, und trottiren unglaublich geſchwin- de. Sie eſſen Kameele, Kuͤhe und Schaafe, ziehen aber das Pferdefleiſch allen andern vor.
Sie ſind in ihrer Einbildung die gluͤcklichſten Menſchen von der Welt, weil ſie ſich mit keiner Ar- beit ermuͤden, ſondern ſich mit Fiſchen und Jagen vergnuͤgen. Jch kann mir auch nichts angenehmers vorſtellen, als ihre Lebensart im Sommer; allein im Winter muͤſſen ſie ſich uͤber den Fluß begeben, und auf der duͤrren Ebene von Aſtrakan wohnen, wo ſie nichts als den Miſt ihres Viehes zu brennen haben, und das Vieh bey dem wenigen Grafe einer unfrucht- baren Wuͤſteney beynahe verhungert. Hier bleiben ſie bis auf den Fruͤhling, da ihre vorige Wohnung, auf der oͤſtlichen Seite des Fluſſes, faſt einen ganzen Monat von dem geſchmolzenen Schneewaſſer uͤber- ſchwemmt iſt, und ihr Land wie eine mit Baͤumen bewachſene See ausſiehet. Sobald dieſes Waſſer faͤllt, gehen ſie mit vieler Freude zuruͤck, laſſen ihre
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Wunde, daher ſie ſich auch vor dem Feuergewehre
ſehr fuͤrchten. Jhr Gewehr beſtehet in einem Saͤbel,
einer Lanze, Bogen und Pfeilen; ſie fangen aber
ſchon an, ſich der Feuergewehre zu bedienen, welche
ſie mit der Zeit furchtbarer machen werden. Jhr
Vieh iſt groß; ihre Schaafe ſind von der groͤßten
Art, und haben große fette Schwaͤnze, die 26 bis
30 Pfund wiegen. Jhre Ohren haͤngen herunter
wie bey unſern Hunden; ſie haben anſtatt der Wolle
weiches krauſes Haar, daher ihre Haͤute insgeſammt
zu Futtern unter die Kleider gebraucht werden. Jh-
re Pferde ſind klein und haben ein ſchlechtes Anſehen,
ſind aber fluͤchtig, munter und ſtark; viele gehen von
Natur einen Paß, und trottiren unglaublich geſchwin-
de. Sie eſſen Kameele, Kuͤhe und Schaafe, ziehen
aber das Pferdefleiſch allen andern vor.
Sie ſind in ihrer Einbildung die gluͤcklichſten
Menſchen von der Welt, weil ſie ſich mit keiner Ar-
beit ermuͤden, ſondern ſich mit Fiſchen und Jagen
vergnuͤgen. Jch kann mir auch nichts angenehmers
vorſtellen, als ihre Lebensart im Sommer; allein im
Winter muͤſſen ſie ſich uͤber den Fluß begeben, und
auf der duͤrren Ebene von Aſtrakan wohnen, wo ſie
nichts als den Miſt ihres Viehes zu brennen haben,
und das Vieh bey dem wenigen Grafe einer unfrucht-
baren Wuͤſteney beynahe verhungert. Hier bleiben
ſie bis auf den Fruͤhling, da ihre vorige Wohnung,
auf der oͤſtlichen Seite des Fluſſes, faſt einen ganzen
Monat von dem geſchmolzenen Schneewaſſer uͤber-
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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/295>, abgerufen am 21.11.2024.
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