daß diese Ruinen an einigen Orten 6 Fuß, an an- dern 2 oder 3 hoch sind, an andern aber die Spur ganz verlohren ist; wie man denn anch auf einigen benachbarten Hügeln die Ruinen von verschiedenen alten viereckigten Festungen siehet, davon noch zwey stehen und bis auf den heutigen Tag von Persianern besetzt sind. Die Eingehohrnen sind der Meynung, daß die Stadt Derbent von Alexander dem Großen erbauet worden, und daß die lange Mauer, die bis an den Euxinus gereichet hat, ebenfalls auf seinen Befehl errichtet worden, den Einfall der Scythen in Persien dadurch zu verhüten.
Merkwürdi- ge Gräber.
Nicht weit von unserm Lager sahen wir einige tausend Gräber, die mit halbrunden (cylindrischen) Steinen bedeckt, und größer waren als die gewöhnli- che Menschenlänge ist. Sie hatten insgesammt Ara- bische Jnschriften. Man sagte davon, daß in den vorigen Zeiten (doch aber nach dem Mahomet,) ein gewisser König in Medien, mit Nahmen Kaßan, ge- wesen, der in einem Treffen wider die Dagestanischen Tartarn eine beträchtliche Niederlage an diesem Orte erlitten habe, und daß die in diesem Treffen gebliebe- nen Officiers in diesen Gräbern begraben wären. Die Erzählung scheint nicht ganz erdichtet zu seyn, weil in einer kleinen Entfernung, nahe bey der See, noch vierzig andere größere und mit einer Mauer um- gebene Gräber sind, von welchen man sagt, daß es die Gräber der Herren vom ersten Range, und anderer heiliger Männer sind, die sie begleitet haben. Hie- her kommen die Persianer, sowohl Manns-als Weibs- personen, verrichten ihre Andacht, und legen, so lan- ge sie beten, ihre Hände daran.
Die
daß dieſe Ruinen an einigen Orten 6 Fuß, an an- dern 2 oder 3 hoch ſind, an andern aber die Spur ganz verlohren iſt; wie man denn anch auf einigen benachbarten Huͤgeln die Ruinen von verſchiedenen alten viereckigten Feſtungen ſiehet, davon noch zwey ſtehen und bis auf den heutigen Tag von Perſianern beſetzt ſind. Die Eingehohrnen ſind der Meynung, daß die Stadt Derbent von Alexander dem Großen erbauet worden, und daß die lange Mauer, die bis an den Euxinus gereichet hat, ebenfalls auf ſeinen Befehl errichtet worden, den Einfall der Scythen in Perſien dadurch zu verhuͤten.
Merkwuͤrdi- ge Graͤber.
Nicht weit von unſerm Lager ſahen wir einige tauſend Graͤber, die mit halbrunden (cylindriſchen) Steinen bedeckt, und groͤßer waren als die gewoͤhnli- che Menſchenlaͤnge iſt. Sie hatten insgeſammt Ara- biſche Jnſchriften. Man ſagte davon, daß in den vorigen Zeiten (doch aber nach dem Mahomet,) ein gewiſſer Koͤnig in Medien, mit Nahmen Kaßan, ge- weſen, der in einem Treffen wider die Dageſtaniſchen Tartarn eine betraͤchtliche Niederlage an dieſem Orte erlitten habe, und daß die in dieſem Treffen gebliebe- nen Officiers in dieſen Graͤbern begraben waͤren. Die Erzaͤhlung ſcheint nicht ganz erdichtet zu ſeyn, weil in einer kleinen Entfernung, nahe bey der See, noch vierzig andere groͤßere und mit einer Mauer um- gebene Graͤber ſind, von welchen man ſagt, daß es die Graͤber der Herren vom erſten Range, und anderer heiliger Maͤnner ſind, die ſie begleitet haben. Hie- her kommen die Perſianer, ſowohl Manns-als Weibs- perſonen, verrichten ihre Andacht, und legen, ſo lan- ge ſie beten, ihre Haͤnde daran.
Die
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0344"n="334"/>
daß dieſe Ruinen an einigen Orten 6 Fuß, an an-<lb/>
dern 2 oder 3 hoch ſind, an andern aber die Spur<lb/>
ganz verlohren iſt; wie man denn anch auf einigen<lb/>
benachbarten Huͤgeln die Ruinen von verſchiedenen<lb/>
alten viereckigten Feſtungen ſiehet, davon noch zwey<lb/>ſtehen und bis auf den heutigen Tag von Perſianern<lb/>
beſetzt ſind. Die Eingehohrnen ſind der Meynung,<lb/>
daß die Stadt Derbent von Alexander dem Großen<lb/>
erbauet worden, und daß die lange Mauer, die bis<lb/>
an den Euxinus gereichet hat, ebenfalls auf ſeinen<lb/>
Befehl errichtet worden, den Einfall der Scythen<lb/>
in Perſien dadurch zu verhuͤten.</p><lb/><noteplace="left">Merkwuͤrdi-<lb/>
ge Graͤber.</note><p>Nicht weit von unſerm Lager ſahen wir einige<lb/>
tauſend Graͤber, die mit halbrunden (cylindriſchen)<lb/>
Steinen bedeckt, und groͤßer waren als die gewoͤhnli-<lb/>
che Menſchenlaͤnge iſt. Sie hatten insgeſammt Ara-<lb/>
biſche Jnſchriften. Man ſagte davon, daß in den<lb/>
vorigen Zeiten (doch aber nach dem Mahomet,) ein<lb/>
gewiſſer Koͤnig in Medien, mit Nahmen Kaßan, ge-<lb/>
weſen, der in einem Treffen wider die Dageſtaniſchen<lb/>
Tartarn eine betraͤchtliche Niederlage an dieſem Orte<lb/>
erlitten habe, und daß die in dieſem Treffen gebliebe-<lb/>
nen Officiers in dieſen Graͤbern begraben waͤren.<lb/>
Die Erzaͤhlung ſcheint nicht ganz erdichtet zu ſeyn,<lb/>
weil in einer kleinen Entfernung, nahe bey der See,<lb/>
noch vierzig andere groͤßere und mit einer Mauer um-<lb/>
gebene Graͤber ſind, von welchen man ſagt, daß es<lb/>
die Graͤber der Herren vom erſten Range, und anderer<lb/>
heiliger Maͤnner ſind, die ſie begleitet haben. Hie-<lb/>
her kommen die Perſianer, ſowohl Manns-als Weibs-<lb/>
perſonen, verrichten ihre Andacht, und legen, ſo lan-<lb/>
ge ſie beten, ihre Haͤnde daran.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Die</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[334/0344]
daß dieſe Ruinen an einigen Orten 6 Fuß, an an-
dern 2 oder 3 hoch ſind, an andern aber die Spur
ganz verlohren iſt; wie man denn anch auf einigen
benachbarten Huͤgeln die Ruinen von verſchiedenen
alten viereckigten Feſtungen ſiehet, davon noch zwey
ſtehen und bis auf den heutigen Tag von Perſianern
beſetzt ſind. Die Eingehohrnen ſind der Meynung,
daß die Stadt Derbent von Alexander dem Großen
erbauet worden, und daß die lange Mauer, die bis
an den Euxinus gereichet hat, ebenfalls auf ſeinen
Befehl errichtet worden, den Einfall der Scythen
in Perſien dadurch zu verhuͤten.
Nicht weit von unſerm Lager ſahen wir einige
tauſend Graͤber, die mit halbrunden (cylindriſchen)
Steinen bedeckt, und groͤßer waren als die gewoͤhnli-
che Menſchenlaͤnge iſt. Sie hatten insgeſammt Ara-
biſche Jnſchriften. Man ſagte davon, daß in den
vorigen Zeiten (doch aber nach dem Mahomet,) ein
gewiſſer Koͤnig in Medien, mit Nahmen Kaßan, ge-
weſen, der in einem Treffen wider die Dageſtaniſchen
Tartarn eine betraͤchtliche Niederlage an dieſem Orte
erlitten habe, und daß die in dieſem Treffen gebliebe-
nen Officiers in dieſen Graͤbern begraben waͤren.
Die Erzaͤhlung ſcheint nicht ganz erdichtet zu ſeyn,
weil in einer kleinen Entfernung, nahe bey der See,
noch vierzig andere groͤßere und mit einer Mauer um-
gebene Graͤber ſind, von welchen man ſagt, daß es
die Graͤber der Herren vom erſten Range, und anderer
heiliger Maͤnner ſind, die ſie begleitet haben. Hie-
her kommen die Perſianer, ſowohl Manns-als Weibs-
perſonen, verrichten ihre Andacht, und legen, ſo lan-
ge ſie beten, ihre Haͤnde daran.
Die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/344>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.