verleitet worden, und er glaube, daß sich die Russi- sche Armee jetzt in ähnlichen Umständen befinde. "Der Fürst der Moldau," sagte er, "hat uns be- reits hintergangen, und der Fürst der Wallachey kann ein gleiches thun. Und wenn auch er selbst es gut meynet, so kann es ihm an Macht fehlen, uns zu die- nen; denn es ist sehr zu fürchten, daß seine Truppen, welche seit langer Zeit an die Türkische Regierung ge- wöhnt sind, nicht gleicher Meynung mit ihm seyn werden." -- Und dieß traf auch vollkommen ein.
Nichts desto weniger ward der Marsch beschlos-Cantemir kommt allein zu uns. sen, und wir brachen noch dieselbe Nacht auf, die große Hitze am Tage zu vermeiden. Wir marschir- ten drey Nächte lang durch eine wüste dürre Heide, wo wir auf dem ganzen Wege keinen Tropfen Wasser hatten, welches sowohl die Menschen als das Vieh äußerst mitnahm. Den 18ten langten wir an dem Pruth an, wo wir viele von unsern Bagage-Pferden einbüßten, welche zu gierig getrunken hatten. Den 19ten giengen wir bey Jassy, der Haupt- und Resi- denzstadt des Fürsten der Moldau, über den Fluß. Hier kam der Fürst Cantemir mit einer geringen Be- gleitung ganz allein zu uns, indem sowohl die Mol- dauischen als Wallachischen Truppen ihn aus Furcht vor den Türken verlassen hatten. Wir setzten unsern Marsch längs dem Pruth fort, bis zum 21sten, daEin Schwarm Heuschrecken. wir auf einen fürchterlichen Schwarm Heuschrecken stießen, der, wenn er sich erhob, die ganze Armee als eine Wolke überschattete. Sie hatten nicht allein al- les Gras auf dem Felde, sondern auch die Blätter und die zarte Rinde an den Bäumen aufgefressen. Hier verlohren wir wieder einen Theil unserer Bagage-
Pferde
verleitet worden, und er glaube, daß ſich die Ruſſi- ſche Armee jetzt in aͤhnlichen Umſtaͤnden befinde. „Der Fuͤrſt der Moldau,“ ſagte er, „hat uns be- reits hintergangen, und der Fuͤrſt der Wallachey kann ein gleiches thun. Und wenn auch er ſelbſt es gut meynet, ſo kann es ihm an Macht fehlen, uns zu die- nen; denn es iſt ſehr zu fuͤrchten, daß ſeine Truppen, welche ſeit langer Zeit an die Tuͤrkiſche Regierung ge- woͤhnt ſind, nicht gleicher Meynung mit ihm ſeyn werden.“ — Und dieß traf auch vollkommen ein.
Nichts deſto weniger ward der Marſch beſchloſ-Cantemir kommt allein zu uns. ſen, und wir brachen noch dieſelbe Nacht auf, die große Hitze am Tage zu vermeiden. Wir marſchir- ten drey Naͤchte lang durch eine wuͤſte duͤrre Heide, wo wir auf dem ganzen Wege keinen Tropfen Waſſer hatten, welches ſowohl die Menſchen als das Vieh aͤußerſt mitnahm. Den 18ten langten wir an dem Pruth an, wo wir viele von unſern Bagage-Pferden einbuͤßten, welche zu gierig getrunken hatten. Den 19ten giengen wir bey Jaſſy, der Haupt- und Reſi- denzſtadt des Fuͤrſten der Moldau, uͤber den Fluß. Hier kam der Fuͤrſt Cantemir mit einer geringen Be- gleitung ganz allein zu uns, indem ſowohl die Mol- dauiſchen als Wallachiſchen Truppen ihn aus Furcht vor den Tuͤrken verlaſſen hatten. Wir ſetzten unſern Marſch laͤngs dem Pruth fort, bis zum 21ſten, daEin Schwarm Heuſchrecken. wir auf einen fuͤrchterlichen Schwarm Heuſchrecken ſtießen, der, wenn er ſich erhob, die ganze Armee als eine Wolke uͤberſchattete. Sie hatten nicht allein al- les Gras auf dem Felde, ſondern auch die Blaͤtter und die zarte Rinde an den Baͤumen aufgefreſſen. Hier verlohren wir wieder einen Theil unſerer Bagage-
Pferde
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0057"n="47"/>
verleitet worden, und er glaube, daß ſich die Ruſſi-<lb/>ſche Armee jetzt in aͤhnlichen Umſtaͤnden befinde.<lb/>„Der Fuͤrſt der Moldau,“ſagte er, „hat uns be-<lb/>
reits hintergangen, und der Fuͤrſt der Wallachey kann<lb/>
ein gleiches thun. Und wenn auch er ſelbſt es gut<lb/>
meynet, ſo kann es ihm an Macht fehlen, uns zu die-<lb/>
nen; denn es iſt ſehr zu fuͤrchten, daß ſeine Truppen,<lb/>
welche ſeit langer Zeit an die Tuͤrkiſche Regierung ge-<lb/>
woͤhnt ſind, nicht gleicher Meynung mit ihm ſeyn<lb/>
werden.“— Und dieß traf auch vollkommen ein.</p><lb/><p>Nichts deſto weniger ward der Marſch beſchloſ-<noteplace="right">Cantemir<lb/>
kommt allein<lb/>
zu uns.</note><lb/>ſen, und wir brachen noch dieſelbe Nacht auf, die<lb/>
große Hitze am Tage zu vermeiden. Wir marſchir-<lb/>
ten drey Naͤchte lang durch eine wuͤſte duͤrre Heide,<lb/>
wo wir auf dem ganzen Wege keinen Tropfen Waſſer<lb/>
hatten, welches ſowohl die Menſchen als das Vieh<lb/>
aͤußerſt mitnahm. Den 18ten langten wir an dem<lb/>
Pruth an, wo wir viele von unſern Bagage-Pferden<lb/>
einbuͤßten, welche zu gierig getrunken hatten. Den<lb/>
19ten giengen wir bey Jaſſy, der Haupt- und Reſi-<lb/>
denzſtadt des Fuͤrſten der Moldau, uͤber den Fluß.<lb/>
Hier kam der Fuͤrſt Cantemir mit einer geringen Be-<lb/>
gleitung ganz allein zu uns, indem ſowohl die Mol-<lb/>
dauiſchen als Wallachiſchen Truppen ihn aus Furcht<lb/>
vor den Tuͤrken verlaſſen hatten. Wir ſetzten unſern<lb/>
Marſch laͤngs dem Pruth fort, bis zum 21ſten, da<noteplace="right">Ein<lb/>
Schwarm<lb/>
Heuſchrecken.</note><lb/>
wir auf einen fuͤrchterlichen Schwarm Heuſchrecken<lb/>ſtießen, der, wenn er ſich erhob, die ganze Armee als<lb/>
eine Wolke uͤberſchattete. Sie hatten nicht allein al-<lb/>
les Gras auf dem Felde, ſondern auch die Blaͤtter und<lb/>
die zarte Rinde an den Baͤumen aufgefreſſen. Hier<lb/>
verlohren wir wieder einen Theil unſerer Bagage-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Pferde</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[47/0057]
verleitet worden, und er glaube, daß ſich die Ruſſi-
ſche Armee jetzt in aͤhnlichen Umſtaͤnden befinde.
„Der Fuͤrſt der Moldau,“ ſagte er, „hat uns be-
reits hintergangen, und der Fuͤrſt der Wallachey kann
ein gleiches thun. Und wenn auch er ſelbſt es gut
meynet, ſo kann es ihm an Macht fehlen, uns zu die-
nen; denn es iſt ſehr zu fuͤrchten, daß ſeine Truppen,
welche ſeit langer Zeit an die Tuͤrkiſche Regierung ge-
woͤhnt ſind, nicht gleicher Meynung mit ihm ſeyn
werden.“ — Und dieß traf auch vollkommen ein.
Nichts deſto weniger ward der Marſch beſchloſ-
ſen, und wir brachen noch dieſelbe Nacht auf, die
große Hitze am Tage zu vermeiden. Wir marſchir-
ten drey Naͤchte lang durch eine wuͤſte duͤrre Heide,
wo wir auf dem ganzen Wege keinen Tropfen Waſſer
hatten, welches ſowohl die Menſchen als das Vieh
aͤußerſt mitnahm. Den 18ten langten wir an dem
Pruth an, wo wir viele von unſern Bagage-Pferden
einbuͤßten, welche zu gierig getrunken hatten. Den
19ten giengen wir bey Jaſſy, der Haupt- und Reſi-
denzſtadt des Fuͤrſten der Moldau, uͤber den Fluß.
Hier kam der Fuͤrſt Cantemir mit einer geringen Be-
gleitung ganz allein zu uns, indem ſowohl die Mol-
dauiſchen als Wallachiſchen Truppen ihn aus Furcht
vor den Tuͤrken verlaſſen hatten. Wir ſetzten unſern
Marſch laͤngs dem Pruth fort, bis zum 21ſten, da
wir auf einen fuͤrchterlichen Schwarm Heuſchrecken
ſtießen, der, wenn er ſich erhob, die ganze Armee als
eine Wolke uͤberſchattete. Sie hatten nicht allein al-
les Gras auf dem Felde, ſondern auch die Blaͤtter und
die zarte Rinde an den Baͤumen aufgefreſſen. Hier
verlohren wir wieder einen Theil unſerer Bagage-
Pferde
Cantemir
kommt allein
zu uns.
Ein
Schwarm
Heuſchrecken.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/57>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.