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Brümmer, Franz: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. 5. 6. Aufl. Leipzig, 1913.

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nach Amerika aus, wo er alle Leiden
eines mittellosen Einwanderers ohne
Beruf gründlich durchkostete und zu-
meist in Neuyork und Baltimore ein
ruheloses, ungeregeltes Leben führte.
Jn Washington gelang es ihm, sich
eine angemessenere Stellung zu er-
werben. Er legte dort vor der deutsch-
reformierten Synode das vorge-
schriebene theologische Amtsexamen
ab und wurde zum Prediger ordi-
niert. Seine freieren Ansichten brach-
ten ihn bald mit der orthodoxen
Kirchenbehörde in Konflikt; indessen
stellte sich seine ganze Gemeinde auf
seine Seite und gründete mit ihm
eine "freie Gemeinde". Als freireli-
giöser Wanderredner besuchte er seit
1874 alle größeren Orte des Landes,
wo sich eine eingewanderte deutsche
Bevölkerung befand, und fand hier
einen günstigen Boden für die Ver-
breitung Feuerbachischer u. radikal-
politischer Jdeen. Jm Jahre 1876
kam er zum ersten Male nach Detroit,
wo er im Hause des Sozialen Turn-
vereins Sonntagsvorträge hielt, u.
nach einigen Jahren siedelte er gänz-
lich dahin über. Von Detroit aus
bereiste er die mittleren und west-
lichen Staaten, überall in den deut-
schen Freidenker- und Turnvereinen
Vorträge über religionsphilosophi-
sche u. späterhin auch über literarische
Fragen haltend. 1884 gründete er
mit Hilfe seiner Freunde eine lite-
rarische Wochenschrift, der er den
Namen "Der arme Teufel" gab. Der
Erfolg dieses ganz eigenartigen Blat-
tes ermöglichte es ihm, sich demselben
ausschließlich zu widmen. Er redi-
gierte es bis zu seinem Tode und
verfaßte seinen Jnhalt im wesent-
lichen allein. Jm Jahre 1889 er-
möglichte es ein reicher Brauer in
Detroit durch seine dargebotenen
Mittel, daß R. eine lang ersehnte
Reise nach seiner Heimat und nach
der Schweiz machen konnte, wo er
mit einer Reihe jungdeutscher Dich-
[Spaltenumbruch]
Rei
ter radikaler Tendenz intimere Be-
kanntschaft anknüpfte. 1893 wurde
er von einem Rückenmarksleiden be-
fallen, das eine Lähmung der Beine
im Gefolge hatte, so daß er seit 1894
ans Bett gefesselt blieb. Er starb am
31. März 1898. Nach seinem Tode
erschienen

S:

Das Reitzel-Buch (Ge.,
Essays, Sk., hrsg. von Dr. Martin
Drescher), 1900.

Reitzenbeck, Heinrich,

* am 7. Juli
1812 zu Wels in Oberösterreich als
der Sohn eines Kaufmanns, kam
nach dem Tode des letzteren 1816 zu
seinen Großeltern nach Gaspolzho-
fen, wo er die Dorfschule besuchte,
und 1820 nach Linz, wo er den Un-
terricht in der Normalhauptschule u.
später im Gymnasium genoß, auch
als Zögling der ständischen Musik-
schule von dem Meister J. B. Schie-
dermayer Unterricht in der Gesang-
u. Kompositionslehre empfing. Der
Wunsch, die Rechte zu studieren, ließ
sich nicht verwirklichen, u. so wandte
sich R. der Pharmazie zu. Seine
Lehrzeit verbrachte er in Gastein,
wo er auch die Leihbibliothek für die
Badegäste besorgte. Später bezog er
die Universität Wien, an der er Na-
turwissenschaften studierte und sich
das Diplom eines Magisters erwarb.
Nachdem er darauf zwei Jahre in
Bozen und Meran geweilt, kam er
als Provisor nach Linz, wo er mit
Ad. Stifter befreundet ward. Die-
ser war es auch, der bei Gründung
der Realschulen in Österreich R. 1851
eine Lehrerstelle (Professur) an der
Realschule in Salzburg verschaffte.
Hier wirkte R. bis zu seinem Über-
tritt in den Ruhestand 1876, u. lebte
dann daselbst seinen literarischen
Studien bis zu seinem Tode am 6.
Februar 1893.

S:

Glimmer (Ges.
Schr.). 4 Bdchn., 1846 (Jnhalt:
I. Lieder und Briefe in oberösterr.
Volksmundart. - II. Der reiche Bett-
ler. Volksstück. - III-IV. Kurze Ge-
schichten, Novellen und Humoresken).

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Rei
nach Amerika aus, wo er alle Leiden
eines mittelloſen Einwanderers ohne
Beruf gründlich durchkoſtete und zu-
meiſt in Neuyork und Baltimore ein
ruheloſes, ungeregeltes Leben führte.
Jn Waſhington gelang es ihm, ſich
eine angemeſſenere Stellung zu er-
werben. Er legte dort vor der deutſch-
reformierten Synode das vorge-
ſchriebene theologiſche Amtsexamen
ab und wurde zum Prediger ordi-
niert. Seine freieren Anſichten brach-
ten ihn bald mit der orthodoxen
Kirchenbehörde in Konflikt; indeſſen
ſtellte ſich ſeine ganze Gemeinde auf
ſeine Seite und gründete mit ihm
eine „freie Gemeinde“. Als freireli-
giöſer Wanderredner beſuchte er ſeit
1874 alle größeren Orte des Landes,
wo ſich eine eingewanderte deutſche
Bevölkerung befand, und fand hier
einen günſtigen Boden für die Ver-
breitung Feuerbachiſcher u. radikal-
politiſcher Jdeen. Jm Jahre 1876
kam er zum erſten Male nach Detroit,
wo er im Hauſe des Sozialen Turn-
vereins Sonntagsvorträge hielt, u.
nach einigen Jahren ſiedelte er gänz-
lich dahin über. Von Detroit aus
bereiſte er die mittleren und weſt-
lichen Staaten, überall in den deut-
ſchen Freidenker- und Turnvereinen
Vorträge über religionsphiloſophi-
ſche u. ſpäterhin auch über literariſche
Fragen haltend. 1884 gründete er
mit Hilfe ſeiner Freunde eine lite-
rariſche Wochenſchrift, der er den
Namen „Der arme Teufel“ gab. Der
Erfolg dieſes ganz eigenartigen Blat-
tes ermöglichte es ihm, ſich demſelben
ausſchließlich zu widmen. Er redi-
gierte es bis zu ſeinem Tode und
verfaßte ſeinen Jnhalt im weſent-
lichen allein. Jm Jahre 1889 er-
möglichte es ein reicher Brauer in
Detroit durch ſeine dargebotenen
Mittel, daß R. eine lang erſehnte
Reiſe nach ſeiner Heimat und nach
der Schweiz machen konnte, wo er
mit einer Reihe jungdeutſcher Dich-
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Rei
ter radikaler Tendenz intimere Be-
kanntſchaft anknüpfte. 1893 wurde
er von einem Rückenmarksleiden be-
fallen, das eine Lähmung der Beine
im Gefolge hatte, ſo daß er ſeit 1894
ans Bett gefeſſelt blieb. Er ſtarb am
31. März 1898. Nach ſeinem Tode
erſchienen

S:

Das Reitzel-Buch (Ge.,
Eſſays, Sk., hrsg. von Dr. Martin
Dreſcher), 1900.

Reitzenbeck, Heinrich,

* am 7. Juli
1812 zu Wels in Oberöſterreich als
der Sohn eines Kaufmanns, kam
nach dem Tode des letzteren 1816 zu
ſeinen Großeltern nach Gaspolzho-
fen, wo er die Dorfſchule beſuchte,
und 1820 nach Linz, wo er den Un-
terricht in der Normalhauptſchule u.
ſpäter im Gymnaſium genoß, auch
als Zögling der ſtändiſchen Muſik-
ſchule von dem Meiſter J. B. Schie-
dermayer Unterricht in der Geſang-
u. Kompoſitionslehre empfing. Der
Wunſch, die Rechte zu ſtudieren, ließ
ſich nicht verwirklichen, u. ſo wandte
ſich R. der Pharmazie zu. Seine
Lehrzeit verbrachte er in Gaſtein,
wo er auch die Leihbibliothek für die
Badegäſte beſorgte. Später bezog er
die Univerſität Wien, an der er Na-
turwiſſenſchaften ſtudierte und ſich
das Diplom eines Magiſters erwarb.
Nachdem er darauf zwei Jahre in
Bozen und Meran geweilt, kam er
als Proviſor nach Linz, wo er mit
Ad. Stifter befreundet ward. Die-
ſer war es auch, der bei Gründung
der Realſchulen in Öſterreich R. 1851
eine Lehrerſtelle (Profeſſur) an der
Realſchule in Salzburg verſchaffte.
Hier wirkte R. bis zu ſeinem Über-
tritt in den Ruheſtand 1876, u. lebte
dann daſelbſt ſeinen literariſchen
Studien bis zu ſeinem Tode am 6.
Februar 1893.

S:

Glimmer (Geſ.
Schr.). 4 Bdchn., 1846 (Jnhalt:
I. Lieder und Briefe in oberöſterr.
Volksmundart. ‒ II. Der reiche Bett-
ler. Volksſtück. ‒ III‒IV. Kurze Ge-
ſchichten, Novellen und Humoresken).

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[431/0435] Rei Rei nach Amerika aus, wo er alle Leiden eines mittelloſen Einwanderers ohne Beruf gründlich durchkoſtete und zu- meiſt in Neuyork und Baltimore ein ruheloſes, ungeregeltes Leben führte. Jn Waſhington gelang es ihm, ſich eine angemeſſenere Stellung zu er- werben. Er legte dort vor der deutſch- reformierten Synode das vorge- ſchriebene theologiſche Amtsexamen ab und wurde zum Prediger ordi- niert. Seine freieren Anſichten brach- ten ihn bald mit der orthodoxen Kirchenbehörde in Konflikt; indeſſen ſtellte ſich ſeine ganze Gemeinde auf ſeine Seite und gründete mit ihm eine „freie Gemeinde“. Als freireli- giöſer Wanderredner beſuchte er ſeit 1874 alle größeren Orte des Landes, wo ſich eine eingewanderte deutſche Bevölkerung befand, und fand hier einen günſtigen Boden für die Ver- breitung Feuerbachiſcher u. radikal- politiſcher Jdeen. Jm Jahre 1876 kam er zum erſten Male nach Detroit, wo er im Hauſe des Sozialen Turn- vereins Sonntagsvorträge hielt, u. nach einigen Jahren ſiedelte er gänz- lich dahin über. Von Detroit aus bereiſte er die mittleren und weſt- lichen Staaten, überall in den deut- ſchen Freidenker- und Turnvereinen Vorträge über religionsphiloſophi- ſche u. ſpäterhin auch über literariſche Fragen haltend. 1884 gründete er mit Hilfe ſeiner Freunde eine lite- rariſche Wochenſchrift, der er den Namen „Der arme Teufel“ gab. Der Erfolg dieſes ganz eigenartigen Blat- tes ermöglichte es ihm, ſich demſelben ausſchließlich zu widmen. Er redi- gierte es bis zu ſeinem Tode und verfaßte ſeinen Jnhalt im weſent- lichen allein. Jm Jahre 1889 er- möglichte es ein reicher Brauer in Detroit durch ſeine dargebotenen Mittel, daß R. eine lang erſehnte Reiſe nach ſeiner Heimat und nach der Schweiz machen konnte, wo er mit einer Reihe jungdeutſcher Dich- ter radikaler Tendenz intimere Be- kanntſchaft anknüpfte. 1893 wurde er von einem Rückenmarksleiden be- fallen, das eine Lähmung der Beine im Gefolge hatte, ſo daß er ſeit 1894 ans Bett gefeſſelt blieb. Er ſtarb am 31. März 1898. Nach ſeinem Tode erſchienen S: Das Reitzel-Buch (Ge., Eſſays, Sk., hrsg. von Dr. Martin Dreſcher), 1900. Reitzenbeck, Heinrich, * am 7. Juli 1812 zu Wels in Oberöſterreich als der Sohn eines Kaufmanns, kam nach dem Tode des letzteren 1816 zu ſeinen Großeltern nach Gaspolzho- fen, wo er die Dorfſchule beſuchte, und 1820 nach Linz, wo er den Un- terricht in der Normalhauptſchule u. ſpäter im Gymnaſium genoß, auch als Zögling der ſtändiſchen Muſik- ſchule von dem Meiſter J. B. Schie- dermayer Unterricht in der Geſang- u. Kompoſitionslehre empfing. Der Wunſch, die Rechte zu ſtudieren, ließ ſich nicht verwirklichen, u. ſo wandte ſich R. der Pharmazie zu. Seine Lehrzeit verbrachte er in Gaſtein, wo er auch die Leihbibliothek für die Badegäſte beſorgte. Später bezog er die Univerſität Wien, an der er Na- turwiſſenſchaften ſtudierte und ſich das Diplom eines Magiſters erwarb. Nachdem er darauf zwei Jahre in Bozen und Meran geweilt, kam er als Proviſor nach Linz, wo er mit Ad. Stifter befreundet ward. Die- ſer war es auch, der bei Gründung der Realſchulen in Öſterreich R. 1851 eine Lehrerſtelle (Profeſſur) an der Realſchule in Salzburg verſchaffte. Hier wirkte R. bis zu ſeinem Über- tritt in den Ruheſtand 1876, u. lebte dann daſelbſt ſeinen literariſchen Studien bis zu ſeinem Tode am 6. Februar 1893. S: Glimmer (Geſ. Schr.). 4 Bdchn., 1846 (Jnhalt: I. Lieder und Briefe in oberöſterr. Volksmundart. ‒ II. Der reiche Bett- ler. Volksſtück. ‒ III‒IV. Kurze Ge- ſchichten, Novellen und Humoresken). *

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Zitationshilfe: Brümmer, Franz: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. 5. 6. Aufl. Leipzig, 1913, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruemmer_lexikon05_1913/435>, abgerufen am 24.11.2024.