senier schickten nemlich jährlich einen Chor von 35 Knaben nebst ihrem Lehrer und einem Flötenspieler zu einem Feste nach Rhegion. Da ereignete es sich einst, dass die ganze Schaar in der gefährlichen Meerenge unterging. Als Denkmal der Trauer wurden nun die Bilder der Knaben nebst Lehrer und Flötenspieler in Olympia aufgestellt; und diese waren Werke des Eleers Kallon: Paus. V, 25, 1. An dem Weihge- schenke befanden sich zwei Inschriften, durch die wir die Zeit des Künstlers annähernd bestimmen können. Die ältere sagte aus, dass die Bilder von den Messeniern an der Meerenge ge- weiht waren, also nach Ol. 71, 3, in welchem Jahre Zankle den Namen Messene erhielt. Die andere war später hinzuge- fügt und bestand in Distichen des Sophisten Hippias, der ge- gen Ol. 86 blühte. Das Werk fällt also zwischen Ol. 71 und 86. Man könnte daher auf die Vermuthung gerathen, der Eleer und der Aeginet Kallon seien eine Person, und die ver- schiedene Angabe des Vaterlandes erkläre sich daraus, dass die Eleer dem Aegineten nach dem Falle seines Vaterlandes das Bürgerrecht ertheilt hätten. Doch entbehrt diese Annahme jedes Beweises. Den Kallon, welchen Plinius unter der 87sten Ol. anführt, halte ich für den Aegineten, weil dieser der be- rühmtere ist.
Sparta.
Bei Gelegenheit des Kallon von Aegina ward bereits Gi- tiades von Sparta erwähnt. Nach der dort aufgestellten Ver- muthung musste er noch nach dem Ende des dritten messeni- schen Krieges (Ol. 81, 2) am Leben sein, indem wir die Drei- füsse in Amyklae mit den Figuren der Aphrodite und Artemis (Paus. III, 18, 5; vgl. IV, 14, 2) auf diesen Krieg bezogen. Ausserdem ist er uns durch den Tempel der Athene Chal- kioekos in Sparta bekannt geworden. Hören wir darüber Pau- sanias (III, 17, 3): "Viele Jahre nach den Tyndariden errich- teten die Lakedaemonier beides, Tempel sowohl als Bild, aus Erz. Gitiades, ein eingeborener Mann, war der Künstler. Die- ser Gitiades dichtete unter andern dorischen Gesängen auch einen Hymnus auf die Göttin. Auf dem Erze aber sind (in Relief) dargestellt viele von den anbefohlenen Kämpfen des Herakles, viele auch von denen, die er aus eigenem Antriebe bestand; aus der Geschichte der Söhne des Tyndareus unter anderem auch der Raub der Töchter des Leukippos; ferner He-
senier schickten nemlich jährlich einen Chor von 35 Knaben nebst ihrem Lehrer und einem Flötenspieler zu einem Feste nach Rhegion. Da ereignete es sich einst, dass die ganze Schaar in der gefährlichen Meerenge unterging. Als Denkmal der Trauer wurden nun die Bilder der Knaben nebst Lehrer und Flötenspieler in Olympia aufgestellt; und diese waren Werke des Eleers Kallon: Paus. V, 25, 1. An dem Weihge- schenke befanden sich zwei Inschriften, durch die wir die Zeit des Künstlers annähernd bestimmen können. Die ältere sagte aus, dass die Bilder von den Messeniern an der Meerenge ge- weiht waren, also nach Ol. 71, 3, in welchem Jahre Zankle den Namen Messene erhielt. Die andere war später hinzuge- fügt und bestand in Distichen des Sophisten Hippias, der ge- gen Ol. 86 blühte. Das Werk fällt also zwischen Ol. 71 und 86. Man könnte daher auf die Vermuthung gerathen, der Eleer und der Aeginet Kallon seien eine Person, und die ver- schiedene Angabe des Vaterlandes erkläre sich daraus, dass die Eleer dem Aegineten nach dem Falle seines Vaterlandes das Bürgerrecht ertheilt hätten. Doch entbehrt diese Annahme jedes Beweises. Den Kallon, welchen Plinius unter der 87sten Ol. anführt, halte ich für den Aegineten, weil dieser der be- rühmtere ist.
Sparta.
Bei Gelegenheit des Kallon von Aegina ward bereits Gi- tiades von Sparta erwähnt. Nach der dort aufgestellten Ver- muthung musste er noch nach dem Ende des dritten messeni- schen Krieges (Ol. 81, 2) am Leben sein, indem wir die Drei- füsse in Amyklae mit den Figuren der Aphrodite und Artemis (Paus. III, 18, 5; vgl. IV, 14, 2) auf diesen Krieg bezogen. Ausserdem ist er uns durch den Tempel der Athene Chal- kioekos in Sparta bekannt geworden. Hören wir darüber Pau- sanias (III, 17, 3): „Viele Jahre nach den Tyndariden errich- teten die Lakedaemonier beides, Tempel sowohl als Bild, aus Erz. Gitiades, ein eingeborener Mann, war der Künstler. Die- ser Gitiades dichtete unter andern dorischen Gesängen auch einen Hymnus auf die Göttin. Auf dem Erze aber sind (in Relief) dargestellt viele von den anbefohlenen Kämpfen des Herakles, viele auch von denen, die er aus eigenem Antriebe bestand; aus der Geschichte der Söhne des Tyndareus unter anderem auch der Raub der Töchter des Leukippos; ferner He-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0127"n="114"/>
senier schickten nemlich jährlich einen Chor von 35 Knaben<lb/>
nebst ihrem Lehrer und einem Flötenspieler zu einem Feste<lb/>
nach Rhegion. Da ereignete es sich einst, dass die ganze<lb/>
Schaar in der gefährlichen Meerenge unterging. Als Denkmal<lb/>
der Trauer wurden nun die Bilder der Knaben nebst Lehrer<lb/>
und Flötenspieler in Olympia aufgestellt; und diese waren<lb/>
Werke des Eleers Kallon: Paus. V, 25, 1. An dem Weihge-<lb/>
schenke befanden sich zwei Inschriften, durch die wir die Zeit<lb/>
des Künstlers annähernd bestimmen können. Die ältere sagte<lb/>
aus, dass die Bilder von den Messeniern an der Meerenge ge-<lb/>
weiht waren, also nach Ol. 71, 3, in welchem Jahre Zankle<lb/>
den Namen Messene erhielt. Die andere war später hinzuge-<lb/>
fügt und bestand in Distichen des Sophisten Hippias, der ge-<lb/>
gen Ol. 86 blühte. Das Werk fällt also zwischen Ol. 71 und<lb/>
86. Man könnte daher auf die Vermuthung gerathen, der<lb/>
Eleer und der Aeginet Kallon seien <hirendition="#g">eine</hi> Person, und die ver-<lb/>
schiedene Angabe des Vaterlandes erkläre sich daraus, dass<lb/>
die Eleer dem Aegineten nach dem Falle seines Vaterlandes<lb/>
das Bürgerrecht ertheilt hätten. Doch entbehrt diese Annahme<lb/>
jedes Beweises. Den Kallon, welchen Plinius unter der 87sten<lb/>
Ol. anführt, halte ich für den Aegineten, weil dieser der be-<lb/>
rühmtere ist.</p><lb/><p><hirendition="#g">Sparta.</hi></p><lb/><p>Bei Gelegenheit des Kallon von Aegina ward bereits <hirendition="#g">Gi-<lb/>
tiades</hi> von Sparta erwähnt. Nach der dort aufgestellten Ver-<lb/>
muthung musste er noch nach dem Ende des dritten messeni-<lb/>
schen Krieges (Ol. 81, 2) am Leben sein, indem wir die Drei-<lb/>
füsse in Amyklae mit den Figuren der Aphrodite und Artemis<lb/>
(Paus. III, 18, 5; vgl. IV, 14, 2) auf diesen Krieg bezogen.<lb/>
Ausserdem ist er uns durch den Tempel der Athene Chal-<lb/>
kioekos in Sparta bekannt geworden. Hören wir darüber Pau-<lb/>
sanias (III, 17, 3): „Viele Jahre nach den Tyndariden errich-<lb/>
teten die Lakedaemonier beides, Tempel sowohl als Bild, aus<lb/>
Erz. Gitiades, ein eingeborener Mann, war der Künstler. Die-<lb/>
ser Gitiades dichtete unter andern dorischen Gesängen auch<lb/>
einen Hymnus auf die Göttin. Auf dem Erze aber sind (in<lb/>
Relief) dargestellt viele von den anbefohlenen Kämpfen des<lb/>
Herakles, viele auch von denen, die er aus eigenem Antriebe<lb/>
bestand; aus der Geschichte der Söhne des Tyndareus unter<lb/>
anderem auch der Raub der Töchter des Leukippos; ferner He-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[114/0127]
senier schickten nemlich jährlich einen Chor von 35 Knaben
nebst ihrem Lehrer und einem Flötenspieler zu einem Feste
nach Rhegion. Da ereignete es sich einst, dass die ganze
Schaar in der gefährlichen Meerenge unterging. Als Denkmal
der Trauer wurden nun die Bilder der Knaben nebst Lehrer
und Flötenspieler in Olympia aufgestellt; und diese waren
Werke des Eleers Kallon: Paus. V, 25, 1. An dem Weihge-
schenke befanden sich zwei Inschriften, durch die wir die Zeit
des Künstlers annähernd bestimmen können. Die ältere sagte
aus, dass die Bilder von den Messeniern an der Meerenge ge-
weiht waren, also nach Ol. 71, 3, in welchem Jahre Zankle
den Namen Messene erhielt. Die andere war später hinzuge-
fügt und bestand in Distichen des Sophisten Hippias, der ge-
gen Ol. 86 blühte. Das Werk fällt also zwischen Ol. 71 und
86. Man könnte daher auf die Vermuthung gerathen, der
Eleer und der Aeginet Kallon seien eine Person, und die ver-
schiedene Angabe des Vaterlandes erkläre sich daraus, dass
die Eleer dem Aegineten nach dem Falle seines Vaterlandes
das Bürgerrecht ertheilt hätten. Doch entbehrt diese Annahme
jedes Beweises. Den Kallon, welchen Plinius unter der 87sten
Ol. anführt, halte ich für den Aegineten, weil dieser der be-
rühmtere ist.
Sparta.
Bei Gelegenheit des Kallon von Aegina ward bereits Gi-
tiades von Sparta erwähnt. Nach der dort aufgestellten Ver-
muthung musste er noch nach dem Ende des dritten messeni-
schen Krieges (Ol. 81, 2) am Leben sein, indem wir die Drei-
füsse in Amyklae mit den Figuren der Aphrodite und Artemis
(Paus. III, 18, 5; vgl. IV, 14, 2) auf diesen Krieg bezogen.
Ausserdem ist er uns durch den Tempel der Athene Chal-
kioekos in Sparta bekannt geworden. Hören wir darüber Pau-
sanias (III, 17, 3): „Viele Jahre nach den Tyndariden errich-
teten die Lakedaemonier beides, Tempel sowohl als Bild, aus
Erz. Gitiades, ein eingeborener Mann, war der Künstler. Die-
ser Gitiades dichtete unter andern dorischen Gesängen auch
einen Hymnus auf die Göttin. Auf dem Erze aber sind (in
Relief) dargestellt viele von den anbefohlenen Kämpfen des
Herakles, viele auch von denen, die er aus eigenem Antriebe
bestand; aus der Geschichte der Söhne des Tyndareus unter
anderem auch der Raub der Töchter des Leukippos; ferner He-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/127>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.