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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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Olympia findet, wird man zu der Vermuthung gedrängt, dass
unsere beiden Gewährsmänner hier ein und dasselbe Werk
im Sinne gehabt haben. Freilich entspricht der Hoplit des
Pausanias nicht dem Knaben bei Plinius, und um dieser Ver-
legenheit zu entgehen, bleibt uns als Ausweg nur die Annahme
übrig, dass Plinius, der nicht aus eigener Anschauung schrieb,
beim Excerpiren geirrt und vielleicht gar aus einer Figur zwei
verschiedene gemacht habe: denn die Aepfel als Attribut der
nackten Figur erinnern uns unwillkürlich an die mala punica,
die sich vortrefflich für den Libyer schicken würden.

6) Kratisthenes, der für den Sohn des oben genannten
Mnaseas galt, siegte zu Olympia im Wagenrennen und stellte
deshalb ein Viergespann mit seinem eigenen Bilde und dem
der Nike von der Hand des Pythagoras auf: Paus. VI, 18, 1.

7) Protolaos, Sohn des Dialkes, aus Mantinea, siegte
m Faustkampfe der Knaben: Paus. VI, 6, 1.

8) Eine Pankratiastenstatue zu Delphi, mit der, wie
Plinius sagt, Pythagoras den Myron besiegte: 34, 59. Wenn es
weiter heisst: eodem (pancratiasta) vicit et Leontiscum, so
dürfen wir nach v. Jan's Bemerkung (im Anhange zum Pli-
nius von Sillig) dies nicht auf einen Künstler Leontiscus be-
ziehen, sondern auf die schon erwähnte Statue dieses Sie-
gers, deren Vortrefflichkeit Pythagoras selbst durch seinen
Pankratiasten noch überboten haben soll (vgl. 36, 92). Dem
Kreise der Heroenmythologie gehören an:

9) Perseus mit Flügeln, wie sich von selbst verstehen
wird, nur an Helm und Füssen: Dio Chrysost. or. 37, T. II, p.
106 Reiske.

10) Der Kampf des Eteokles und Polyneikes: Tatian.
c. Graec. 54, p. 148 Worth.

11) Ein Hinkender, bei dem der Beschauer den Schmerz
der Wunde mitzuempfinden glaubte, zu Syrakus. Plin. l. l.
Dass unter diesem Hinkenden niemand anders als Philoktet
zu verstehen sei, hat zuerst Lessing (Laokoon, Kap. 2) be-
merkt. Auf dieselbe Figur bezieht sich wahrscheinlich auch
ein Epigramm der Anthologie (Anall. III, p. 213, n. 294), in
welchem dem Philoktet die Klage in den Mund gelegt wird,
dass der Künstler seinen Jammer im Erze ewig gemacht habe.

12) Europa auf dem Stiere sitzend, Gruppe aus Erz zu
Tarent: Tatian c. Graec. 53, p. 116 Worth; Varro de l. l. V,

Olympia findet, wird man zu der Vermuthung gedrängt, dass
unsere beiden Gewährsmänner hier ein und dasselbe Werk
im Sinne gehabt haben. Freilich entspricht der Hoplit des
Pausanias nicht dem Knaben bei Plinius, und um dieser Ver-
legenheit zu entgehen, bleibt uns als Ausweg nur die Annahme
übrig, dass Plinius, der nicht aus eigener Anschauung schrieb,
beim Excerpiren geirrt und vielleicht gar aus einer Figur zwei
verschiedene gemacht habe: denn die Aepfel als Attribut der
nackten Figur erinnern uns unwillkürlich an die mala punica,
die sich vortrefflich für den Libyer schicken würden.

6) Kratisthenes, der für den Sohn des oben genannten
Mnaseas galt, siegte zu Olympia im Wagenrennen und stellte
deshalb ein Viergespann mit seinem eigenen Bilde und dem
der Nike von der Hand des Pythagoras auf: Paus. VI, 18, 1.

7) Protolaos, Sohn des Dialkes, aus Mantinea, siegte
m Faustkampfe der Knaben: Paus. VI, 6, 1.

8) Eine Pankratiastenstatue zu Delphi, mit der, wie
Plinius sagt, Pythagoras den Myron besiegte: 34, 59. Wenn es
weiter heisst: eodem (pancratiasta) vicit et Leontiscum, so
dürfen wir nach v. Jan’s Bemerkung (im Anhange zum Pli-
nius von Sillig) dies nicht auf einen Künstler Leontiscus be-
ziehen, sondern auf die schon erwähnte Statue dieses Sie-
gers, deren Vortrefflichkeit Pythagoras selbst durch seinen
Pankratiasten noch überboten haben soll (vgl. 36, 92). Dem
Kreise der Heroenmythologie gehören an:

9) Perseus mit Flügeln, wie sich von selbst verstehen
wird, nur an Helm und Füssen: Dio Chrysost. or. 37, T. II, p.
106 Reiske.

10) Der Kampf des Eteokles und Polyneikes: Tatian.
c. Graec. 54, p. 148 Worth.

11) Ein Hinkender, bei dem der Beschauer den Schmerz
der Wunde mitzuempfinden glaubte, zu Syrakus. Plin. l. l.
Dass unter diesem Hinkenden niemand anders als Philoktet
zu verstehen sei, hat zuerst Lessing (Laokoon, Kap. 2) be-
merkt. Auf dieselbe Figur bezieht sich wahrscheinlich auch
ein Epigramm der Anthologie (Anall. III, p. 213, n. 294), in
welchem dem Philoktet die Klage in den Mund gelegt wird,
dass der Künstler seinen Jammer im Erze ewig gemacht habe.

12) Europa auf dem Stiere sitzend, Gruppe aus Erz zu
Tarent: Tatian c. Graec. 53, p. 116 Worth; Varro de l. l. V,

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[134/0147] Olympia findet, wird man zu der Vermuthung gedrängt, dass unsere beiden Gewährsmänner hier ein und dasselbe Werk im Sinne gehabt haben. Freilich entspricht der Hoplit des Pausanias nicht dem Knaben bei Plinius, und um dieser Ver- legenheit zu entgehen, bleibt uns als Ausweg nur die Annahme übrig, dass Plinius, der nicht aus eigener Anschauung schrieb, beim Excerpiren geirrt und vielleicht gar aus einer Figur zwei verschiedene gemacht habe: denn die Aepfel als Attribut der nackten Figur erinnern uns unwillkürlich an die mala punica, die sich vortrefflich für den Libyer schicken würden. 6) Kratisthenes, der für den Sohn des oben genannten Mnaseas galt, siegte zu Olympia im Wagenrennen und stellte deshalb ein Viergespann mit seinem eigenen Bilde und dem der Nike von der Hand des Pythagoras auf: Paus. VI, 18, 1. 7) Protolaos, Sohn des Dialkes, aus Mantinea, siegte m Faustkampfe der Knaben: Paus. VI, 6, 1. 8) Eine Pankratiastenstatue zu Delphi, mit der, wie Plinius sagt, Pythagoras den Myron besiegte: 34, 59. Wenn es weiter heisst: eodem (pancratiasta) vicit et Leontiscum, so dürfen wir nach v. Jan’s Bemerkung (im Anhange zum Pli- nius von Sillig) dies nicht auf einen Künstler Leontiscus be- ziehen, sondern auf die schon erwähnte Statue dieses Sie- gers, deren Vortrefflichkeit Pythagoras selbst durch seinen Pankratiasten noch überboten haben soll (vgl. 36, 92). Dem Kreise der Heroenmythologie gehören an: 9) Perseus mit Flügeln, wie sich von selbst verstehen wird, nur an Helm und Füssen: Dio Chrysost. or. 37, T. II, p. 106 Reiske. 10) Der Kampf des Eteokles und Polyneikes: Tatian. c. Graec. 54, p. 148 Worth. 11) Ein Hinkender, bei dem der Beschauer den Schmerz der Wunde mitzuempfinden glaubte, zu Syrakus. Plin. l. l. Dass unter diesem Hinkenden niemand anders als Philoktet zu verstehen sei, hat zuerst Lessing (Laokoon, Kap. 2) be- merkt. Auf dieselbe Figur bezieht sich wahrscheinlich auch ein Epigramm der Anthologie (Anall. III, p. 213, n. 294), in welchem dem Philoktet die Klage in den Mund gelegt wird, dass der Künstler seinen Jammer im Erze ewig gemacht habe. 12) Europa auf dem Stiere sitzend, Gruppe aus Erz zu Tarent: Tatian c. Graec. 53, p. 116 Worth; Varro de l. l. V,

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/147>, abgerufen am 24.11.2024.