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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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ler, obwohl sie in verschiedenen Staaten 1) geboren waren,
sich in einen Wettstreit einliessen, weil sie Amazonen ge-
bildet hatten. Als dieselben nun im Tempel der ephesichen
Diana geweiht wurden, beschloss man, aus ihnen die vortreff-
lichste nach dem Urtheil der Künstler selbst, welche gegen-
wärtig waren, auszuwählen, wobei es sich zeigte, dass es die
war, welcher ein jeder den Preis nach der seinigen zuerkannt
hatte. Diese ist von Polyklet, ihr folgt zunächst die des Phi-
dias, die dritte ist von Kresilas, die vierte von Kydon, die
fünfte von Phradmon." Die ganze Erzählung hat einen sehr
anekdotenartigen Anstrich, gewährt aber doch ein vergleichen-
des Kunsturtheil alter Zeit, mag es nun von den Künstlern
selbst herrühren oder nicht. Dass unter den noch erhaltenen
und öfter wiederholten Amazonenbildern sich auch Nachbil-
dungen von der des Phidias befinden, ist an sich nicht un-
wahrscheinlich. Die Versuche, den Beweis dafür zu führen,
sind indessen bis jetzt ohne Erfolg geblieben 2).

Von Portraitbildungen sind bereits einige angeführt wor-
den: so die Statue des Miltiades; die Reliefbildungen des Pe-
rikles und des Künstlers selbst in Athen, so wie des Pantar-
kes als anadoumenos in Olympia. Auf Pantarkes hat man
aber noch zwei andere Erwähnungen bei Pausanias beziehen
wollen. Die eine (VI, 4, 3) lautet: "Auch den Knaben, der
sich die Siegesbinde um das Haupt legt, muss ich noch er-
wähnen, wegen des Phidias und seiner Kunst in Götterbildun-
gen, während wir sonst nicht wissen, dass er noch irgend
Portraitstatuen gemacht habe." Die andere (VI, 10, 2) sagt
nur: "Weiterhin stand Pantarkes, Sieger im Faustkampfe der
Knaben, der bekannte Liebling des Phidias." Betrachten wir
diese Stellen unbefangen, so müssen wir zugestehen, dass in
der zweiten nicht von einem Werke des Phidias die Rede ist,
ebensowohl aber auch zweifeln, dass die erste sich auf ein
Bild des Pantarkes beziehe, um so mehr, da die Stellung als
anadoumenos eine auch sonst in Kunstwerken wiederkehrende
ist. Wenn endlich Pausanias ausser dieser keine anderen

1) Civitatibus für aetatibus hat Müller (Kl. Schr. II, S. 369) emendirt, da
die Erzählung nur bei gleichzeitigen Künstlern einen Sinn hat, und die Künst-
ler auch wirklich gleichzeitig lebten.
2) Vgl. Jahn über die ephesischen
Amazonenstatuen, in d. Ber. d. sächs. Gesellsch. 1850, S. 32 flgdd.

ler, obwohl sie in verschiedenen Staaten 1) geboren waren,
sich in einen Wettstreit einliessen, weil sie Amazonen ge-
bildet hatten. Als dieselben nun im Tempel der ephesichen
Diana geweiht wurden, beschloss man, aus ihnen die vortreff-
lichste nach dem Urtheil der Künstler selbst, welche gegen-
wärtig waren, auszuwählen, wobei es sich zeigte, dass es die
war, welcher ein jeder den Preis nach der seinigen zuerkannt
hatte. Diese ist von Polyklet, ihr folgt zunächst die des Phi-
dias, die dritte ist von Kresilas, die vierte von Kydon, die
fünfte von Phradmon.” Die ganze Erzählung hat einen sehr
anekdotenartigen Anstrich, gewährt aber doch ein vergleichen-
des Kunsturtheil alter Zeit, mag es nun von den Künstlern
selbst herrühren oder nicht. Dass unter den noch erhaltenen
und öfter wiederholten Amazonenbildern sich auch Nachbil-
dungen von der des Phidias befinden, ist an sich nicht un-
wahrscheinlich. Die Versuche, den Beweis dafür zu führen,
sind indessen bis jetzt ohne Erfolg geblieben 2).

Von Portraitbildungen sind bereits einige angeführt wor-
den: so die Statue des Miltiades; die Reliefbildungen des Pe-
rikles und des Künstlers selbst in Athen, so wie des Pantar-
kes als ἀναδούμενος in Olympia. Auf Pantarkes hat man
aber noch zwei andere Erwähnungen bei Pausanias beziehen
wollen. Die eine (VI, 4, 3) lautet: „Auch den Knaben, der
sich die Siegesbinde um das Haupt legt, muss ich noch er-
wähnen, wegen des Phidias und seiner Kunst in Götterbildun-
gen, während wir sonst nicht wissen, dass er noch irgend
Portraitstatuen gemacht habe.” Die andere (VI, 10, 2) sagt
nur: „Weiterhin stand Pantarkes, Sieger im Faustkampfe der
Knaben, der bekannte Liebling des Phidias.” Betrachten wir
diese Stellen unbefangen, so müssen wir zugestehen, dass in
der zweiten nicht von einem Werke des Phidias die Rede ist,
ebensowohl aber auch zweifeln, dass die erste sich auf ein
Bild des Pantarkes beziehe, um so mehr, da die Stellung als
ἀναδούμενος eine auch sonst in Kunstwerken wiederkehrende
ist. Wenn endlich Pausanias ausser dieser keine anderen

1) Civitatibus für aetatibus hat Müller (Kl. Schr. II, S. 369) emendirt, da
die Erzählung nur bei gleichzeitigen Künstlern einen Sinn hat, und die Künst-
ler auch wirklich gleichzeitig lebten.
2) Vgl. Jahn über die ephesischen
Amazonenstatuen, in d. Ber. d. sächs. Gesellsch. 1850, S. 32 flgdd.
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[185/0198] ler, obwohl sie in verschiedenen Staaten 1) geboren waren, sich in einen Wettstreit einliessen, weil sie Amazonen ge- bildet hatten. Als dieselben nun im Tempel der ephesichen Diana geweiht wurden, beschloss man, aus ihnen die vortreff- lichste nach dem Urtheil der Künstler selbst, welche gegen- wärtig waren, auszuwählen, wobei es sich zeigte, dass es die war, welcher ein jeder den Preis nach der seinigen zuerkannt hatte. Diese ist von Polyklet, ihr folgt zunächst die des Phi- dias, die dritte ist von Kresilas, die vierte von Kydon, die fünfte von Phradmon.” Die ganze Erzählung hat einen sehr anekdotenartigen Anstrich, gewährt aber doch ein vergleichen- des Kunsturtheil alter Zeit, mag es nun von den Künstlern selbst herrühren oder nicht. Dass unter den noch erhaltenen und öfter wiederholten Amazonenbildern sich auch Nachbil- dungen von der des Phidias befinden, ist an sich nicht un- wahrscheinlich. Die Versuche, den Beweis dafür zu führen, sind indessen bis jetzt ohne Erfolg geblieben 2). Von Portraitbildungen sind bereits einige angeführt wor- den: so die Statue des Miltiades; die Reliefbildungen des Pe- rikles und des Künstlers selbst in Athen, so wie des Pantar- kes als ἀναδούμενος in Olympia. Auf Pantarkes hat man aber noch zwei andere Erwähnungen bei Pausanias beziehen wollen. Die eine (VI, 4, 3) lautet: „Auch den Knaben, der sich die Siegesbinde um das Haupt legt, muss ich noch er- wähnen, wegen des Phidias und seiner Kunst in Götterbildun- gen, während wir sonst nicht wissen, dass er noch irgend Portraitstatuen gemacht habe.” Die andere (VI, 10, 2) sagt nur: „Weiterhin stand Pantarkes, Sieger im Faustkampfe der Knaben, der bekannte Liebling des Phidias.” Betrachten wir diese Stellen unbefangen, so müssen wir zugestehen, dass in der zweiten nicht von einem Werke des Phidias die Rede ist, ebensowohl aber auch zweifeln, dass die erste sich auf ein Bild des Pantarkes beziehe, um so mehr, da die Stellung als ἀναδούμενος eine auch sonst in Kunstwerken wiederkehrende ist. Wenn endlich Pausanias ausser dieser keine anderen 1) Civitatibus für aetatibus hat Müller (Kl. Schr. II, S. 369) emendirt, da die Erzählung nur bei gleichzeitigen Künstlern einen Sinn hat, und die Künst- ler auch wirklich gleichzeitig lebten. 2) Vgl. Jahn über die ephesischen Amazonenstatuen, in d. Ber. d. sächs. Gesellsch. 1850, S. 32 flgdd.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/198>, abgerufen am 21.11.2024.