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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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kann nicht auffallen, da der Kanon wirklich, wenn auch im
besten Sinne, nur eine Art akademischer Figur gewesen zu
sein scheint. Doch hiervon weiter unten. Hier sei zunächst
nur erwähnt, dass Polyklet die Regeln, welche er im Kanon
praktisch angewendet, auch theoretisch in einer Schrift aus-
einandergesetzt hatte. Daraus erklärt sich vielleicht, dass
Tzetzes (Chil. VIII, 191) den Polyklet auch zum Maler ma-
chen will, indem er durch ein Misverständniss graphein', schrei-
ben, mit zographein, malen, verwechselte.

Ferner nennt Plinius (l. l.):

"destringentem se", einen Athleten, der sich von dem
Staube der Palaestra reinigt; also einen apoxuomenos (vgl. Plin.
34, 62); "nudum talo incessentem", was man fälschlich
von einem Würfelspieler verstanden hat. Müller dagegen
(Hdb. §. 120, 2) übersetzt richtig talo incessere in das Grie-
chische zurück mit apopternizein (vgl. Jacobs zu Philostr.
p. 435). Die Figur stellte demnach einen Ringer dar, der
seine Kunst besonders in der Anwendung der Ferse zu zei-
gen suchte.

Zwei Knaben, ebenfalls nackt, die mit Würfeln spiel-
ten und deshalb unter dem Namen Astragalizontes bekannt
waren. Sie standen zu Plinius Zeit "in atrio imperatoris Titi",
und wurden von Manchen für das vollendetste Werk des Al-
terthums gehalten.

Zwei Kanephoren aus Erz erwähnt Cicero in seinen
Reden gegen Verres: IV, c. 3 §. 5. Dieser hatte sie dem
Mamertiner Heius geraubt. Sie waren nicht gross, aber von
vorzüglicher Schönheit, in jungfräulicher Haltung und Kleidung
und trugen nach athenischem Gebrauche heilige Geräthe mit
erhobenen Händen auf ihren Häuptern.

Dass Polyklet auch in der Toreutik ausgezeichnet war,
erfahren wir durch Plinius (s. unten) und Martial (VIII, 50).
Die Anspielungen dagegen bei Juvenal (III, 217; VIII, 102)
sind nicht nothwendig auf Toreumata im engeren Sinne zu be-
ziehen. Noch weniger ist aber bei Athenaeus (V, p. 206 E) von
einem Toreuten Polyklet die Rede, der noch dazu von dem
Argiver unterschieden werden müsste; sondern von dem Ge-
schichtschreiber dieses Namens aus Larissa.

Endlich war Polyklet auch Architekt. Er hatte das
Theater und Rundgebäude (Odeum) neben dem Tempel des

kann nicht auffallen, da der Kanon wirklich, wenn auch im
besten Sinne, nur eine Art akademischer Figur gewesen zu
sein scheint. Doch hiervon weiter unten. Hier sei zunächst
nur erwähnt, dass Polyklet die Regeln, welche er im Kanon
praktisch angewendet, auch theoretisch in einer Schrift aus-
einandergesetzt hatte. Daraus erklärt sich vielleicht, dass
Tzetzes (Chil. VIII, 191) den Polyklet auch zum Maler ma-
chen will, indem er durch ein Misverständniss γράφειν᾽, schrei-
ben, mit ζωγραφεῖν, malen, verwechselte.

Ferner nennt Plinius (l. l.):

„destringentem se”, einen Athleten, der sich von dem
Staube der Palaestra reinigt; also einen ἀποξυόμενος (vgl. Plin.
34, 62); „nudum talo incessentem”, was man fälschlich
von einem Würfelspieler verstanden hat. Müller dagegen
(Hdb. §. 120, 2) übersetzt richtig talo incessere in das Grie-
chische zurück mit ἀποπτερνίζειν (vgl. Jacobs zu Philostr.
p. 435). Die Figur stellte demnach einen Ringer dar, der
seine Kunst besonders in der Anwendung der Ferse zu zei-
gen suchte.

Zwei Knaben, ebenfalls nackt, die mit Würfeln spiel-
ten und deshalb unter dem Namen Astragalizontes bekannt
waren. Sie standen zu Plinius Zeit „in atrio imperatoris Titi”,
und wurden von Manchen für das vollendetste Werk des Al-
terthums gehalten.

Zwei Kanephoren aus Erz erwähnt Cicero in seinen
Reden gegen Verres: IV, c. 3 §. 5. Dieser hatte sie dem
Mamertiner Heius geraubt. Sie waren nicht gross, aber von
vorzüglicher Schönheit, in jungfräulicher Haltung und Kleidung
und trugen nach athenischem Gebrauche heilige Geräthe mit
erhobenen Händen auf ihren Häuptern.

Dass Polyklet auch in der Toreutik ausgezeichnet war,
erfahren wir durch Plinius (s. unten) und Martial (VIII, 50).
Die Anspielungen dagegen bei Juvenal (III, 217; VIII, 102)
sind nicht nothwendig auf Toreumata im engeren Sinne zu be-
ziehen. Noch weniger ist aber bei Athenaeus (V, p. 206 E) von
einem Toreuten Polyklet die Rede, der noch dazu von dem
Argiver unterschieden werden müsste; sondern von dem Ge-
schichtschreiber dieses Namens aus Larissa.

Endlich war Polyklet auch Architekt. Er hatte das
Theater und Rundgebäude (Odeum) neben dem Tempel des

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[216/0229] kann nicht auffallen, da der Kanon wirklich, wenn auch im besten Sinne, nur eine Art akademischer Figur gewesen zu sein scheint. Doch hiervon weiter unten. Hier sei zunächst nur erwähnt, dass Polyklet die Regeln, welche er im Kanon praktisch angewendet, auch theoretisch in einer Schrift aus- einandergesetzt hatte. Daraus erklärt sich vielleicht, dass Tzetzes (Chil. VIII, 191) den Polyklet auch zum Maler ma- chen will, indem er durch ein Misverständniss γράφειν᾽, schrei- ben, mit ζωγραφεῖν, malen, verwechselte. Ferner nennt Plinius (l. l.): „destringentem se”, einen Athleten, der sich von dem Staube der Palaestra reinigt; also einen ἀποξυόμενος (vgl. Plin. 34, 62); „nudum talo incessentem”, was man fälschlich von einem Würfelspieler verstanden hat. Müller dagegen (Hdb. §. 120, 2) übersetzt richtig talo incessere in das Grie- chische zurück mit ἀποπτερνίζειν (vgl. Jacobs zu Philostr. p. 435). Die Figur stellte demnach einen Ringer dar, der seine Kunst besonders in der Anwendung der Ferse zu zei- gen suchte. Zwei Knaben, ebenfalls nackt, die mit Würfeln spiel- ten und deshalb unter dem Namen Astragalizontes bekannt waren. Sie standen zu Plinius Zeit „in atrio imperatoris Titi”, und wurden von Manchen für das vollendetste Werk des Al- terthums gehalten. Zwei Kanephoren aus Erz erwähnt Cicero in seinen Reden gegen Verres: IV, c. 3 §. 5. Dieser hatte sie dem Mamertiner Heius geraubt. Sie waren nicht gross, aber von vorzüglicher Schönheit, in jungfräulicher Haltung und Kleidung und trugen nach athenischem Gebrauche heilige Geräthe mit erhobenen Händen auf ihren Häuptern. Dass Polyklet auch in der Toreutik ausgezeichnet war, erfahren wir durch Plinius (s. unten) und Martial (VIII, 50). Die Anspielungen dagegen bei Juvenal (III, 217; VIII, 102) sind nicht nothwendig auf Toreumata im engeren Sinne zu be- ziehen. Noch weniger ist aber bei Athenaeus (V, p. 206 E) von einem Toreuten Polyklet die Rede, der noch dazu von dem Argiver unterschieden werden müsste; sondern von dem Ge- schichtschreiber dieses Namens aus Larissa. Endlich war Polyklet auch Architekt. Er hatte das Theater und Rundgebäude (Odeum) neben dem Tempel des

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/229>, abgerufen am 22.11.2024.