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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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Bilder des Eros haben wir folgende zu unterscheiden:

Den berühmten zu Thespiae, dargestellt als Knaben in
der Jugendblüthe (Luc. Amor. 11 u. 17) mit vergoldeten Flü-
geln (Julian. or. II, p. 54 C. Spanh.). Als Stoff des Bildes
giebt Pausanias (IX, 7, 3) ausdrücklich pentelischen Marmor an,
und auch bei Plinius (36, 22) wird er unter den Marmorwer-
ken genannt (vgl. Anall. I, 6, n. 11--12). Es ist daher in
einem Epigramme des Aegypters Julian (Anall. II, p. 496, n. 12)
gewiss nur aus Unkunde von Erz die Rede. Nach Thespiae soll
diesen Eros Phryne geweiht haben, in deren Besitz er durch die
früher erwähnte List gekommen war (vgl. auch die Epigramme:
Anall. I, p. 143, n. 84; p. 164, n. 40; II, p. 14, n. 3; p. 279, n. 1--2).
Strabo (IX, p. 410) und der Scholiast des Lucian (Amor. 17)
nennen an ihrer Stelle die Glykera. In Thespiae befand er
sich noch zu Cicero's Zeit (in Verr. IV, 2, 4). Erst Caligula
brachte ihn nach Rom; Claudius gab ihn indessen wieder
zurück; allein schon Nero entführte ihn wieder und stellte ihn
im Porticus der Octavia auf, wo er unter Titus verbrannte.
(Plin. Paus. II. II. vgl. Dio Cass. 56, 24). Pausanias sah da-
her in Thespiae nur eine Copie von einem athenischen Künst-
ler Menodoros. Irrthümlich giebt Plinius an, dass Cicero dem
Verres den Raub dieses Bildes vorgeworfen habe, da dieser
(in Verr. IV, 2, 4) vielmehr nur erwähnt, dass Mummius, als
er andere Statuen aus Thespiae wegführte, den Eros als ein
geweihtes Bild nicht angerührt habe.

Das von Verres geraubte Bild, ebenfalls aus Marmor, soll
nach Cicero eine dem thespischen verwandte Darstellung des
Gottes gewesen sein, und befand sich vorher im Privatbesitz
des Mamertiners Heius in Messana, welcher es schon früher
einmal zur Verherrlichung einer Festlichkeit einem Aedilen C.
Claudius nach Rom geliehen hatte.

Von diesem ist ferner ein dritter nackter Eros aus Marmor
zu Parion in der Propontis zu unterscheiden, welcher mit der kni-
dischen Aphrodite die hohe Vortrefflichkeit, sowie das Geschick
gemein hatte, dass er durch wahnsinnige Liebe befleckt wurde:
Plin. 36, 23. Dass Plinius diesen allein neben dem thespischen
nennt, ist kein Grund, ihn für identisch mit dem Bilde im Be-
sitze des Heius zu halten. Wir kennen sogar noch andere
Bilder des Eros, welche dem Praxiteles beigelegt werden, nem-
lich: zwei eherne, welche Callistratus (stat. IV u. XI) aus-

Bilder des Eros haben wir folgende zu unterscheiden:

Den berühmten zu Thespiae, dargestellt als Knaben in
der Jugendblüthe (Luc. Amor. 11 u. 17) mit vergoldeten Flü-
geln (Julian. or. II, p. 54 C. Spanh.). Als Stoff des Bildes
giebt Pausanias (IX, 7, 3) ausdrücklich pentelischen Marmor an,
und auch bei Plinius (36, 22) wird er unter den Marmorwer-
ken genannt (vgl. Anall. I, 6, n. 11—12). Es ist daher in
einem Epigramme des Aegypters Julian (Anall. II, p. 496, n. 12)
gewiss nur aus Unkunde von Erz die Rede. Nach Thespiae soll
diesen Eros Phryne geweiht haben, in deren Besitz er durch die
früher erwähnte List gekommen war (vgl. auch die Epigramme:
Anall. I, p. 143, n. 84; p. 164, n. 40; II, p. 14, n. 3; p. 279, n. 1—2).
Strabo (IX, p. 410) und der Scholiast des Lucian (Amor. 17)
nennen an ihrer Stelle die Glykera. In Thespiae befand er
sich noch zu Cicero’s Zeit (in Verr. IV, 2, 4). Erst Caligula
brachte ihn nach Rom; Claudius gab ihn indessen wieder
zurück; allein schon Nero entführte ihn wieder und stellte ihn
im Porticus der Octavia auf, wo er unter Titus verbrannte.
(Plin. Paus. II. II. vgl. Dio Cass. 56, 24). Pausanias sah da-
her in Thespiae nur eine Copie von einem athenischen Künst-
ler Menodoros. Irrthümlich giebt Plinius an, dass Cicero dem
Verres den Raub dieses Bildes vorgeworfen habe, da dieser
(in Verr. IV, 2, 4) vielmehr nur erwähnt, dass Mummius, als
er andere Statuen aus Thespiae wegführte, den Eros als ein
geweihtes Bild nicht angerührt habe.

Das von Verres geraubte Bild, ebenfalls aus Marmor, soll
nach Cicero eine dem thespischen verwandte Darstellung des
Gottes gewesen sein, und befand sich vorher im Privatbesitz
des Mamertiners Heius in Messana, welcher es schon früher
einmal zur Verherrlichung einer Festlichkeit einem Aedilen C.
Claudius nach Rom geliehen hatte.

Von diesem ist ferner ein dritter nackter Eros aus Marmor
zu Parion in der Propontis zu unterscheiden, welcher mit der kni-
dischen Aphrodite die hohe Vortrefflichkeit, sowie das Geschick
gemein hatte, dass er durch wahnsinnige Liebe befleckt wurde:
Plin. 36, 23. Dass Plinius diesen allein neben dem thespischen
nennt, ist kein Grund, ihn für identisch mit dem Bilde im Be-
sitze des Heius zu halten. Wir kennen sogar noch andere
Bilder des Eros, welche dem Praxiteles beigelegt werden, nem-
lich: zwei eherne, welche Callistratus (stat. IV u. XI) aus-

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[341/0354] Bilder des Eros haben wir folgende zu unterscheiden: Den berühmten zu Thespiae, dargestellt als Knaben in der Jugendblüthe (Luc. Amor. 11 u. 17) mit vergoldeten Flü- geln (Julian. or. II, p. 54 C. Spanh.). Als Stoff des Bildes giebt Pausanias (IX, 7, 3) ausdrücklich pentelischen Marmor an, und auch bei Plinius (36, 22) wird er unter den Marmorwer- ken genannt (vgl. Anall. I, 6, n. 11—12). Es ist daher in einem Epigramme des Aegypters Julian (Anall. II, p. 496, n. 12) gewiss nur aus Unkunde von Erz die Rede. Nach Thespiae soll diesen Eros Phryne geweiht haben, in deren Besitz er durch die früher erwähnte List gekommen war (vgl. auch die Epigramme: Anall. I, p. 143, n. 84; p. 164, n. 40; II, p. 14, n. 3; p. 279, n. 1—2). Strabo (IX, p. 410) und der Scholiast des Lucian (Amor. 17) nennen an ihrer Stelle die Glykera. In Thespiae befand er sich noch zu Cicero’s Zeit (in Verr. IV, 2, 4). Erst Caligula brachte ihn nach Rom; Claudius gab ihn indessen wieder zurück; allein schon Nero entführte ihn wieder und stellte ihn im Porticus der Octavia auf, wo er unter Titus verbrannte. (Plin. Paus. II. II. vgl. Dio Cass. 56, 24). Pausanias sah da- her in Thespiae nur eine Copie von einem athenischen Künst- ler Menodoros. Irrthümlich giebt Plinius an, dass Cicero dem Verres den Raub dieses Bildes vorgeworfen habe, da dieser (in Verr. IV, 2, 4) vielmehr nur erwähnt, dass Mummius, als er andere Statuen aus Thespiae wegführte, den Eros als ein geweihtes Bild nicht angerührt habe. Das von Verres geraubte Bild, ebenfalls aus Marmor, soll nach Cicero eine dem thespischen verwandte Darstellung des Gottes gewesen sein, und befand sich vorher im Privatbesitz des Mamertiners Heius in Messana, welcher es schon früher einmal zur Verherrlichung einer Festlichkeit einem Aedilen C. Claudius nach Rom geliehen hatte. Von diesem ist ferner ein dritter nackter Eros aus Marmor zu Parion in der Propontis zu unterscheiden, welcher mit der kni- dischen Aphrodite die hohe Vortrefflichkeit, sowie das Geschick gemein hatte, dass er durch wahnsinnige Liebe befleckt wurde: Plin. 36, 23. Dass Plinius diesen allein neben dem thespischen nennt, ist kein Grund, ihn für identisch mit dem Bilde im Be- sitze des Heius zu halten. Wir kennen sogar noch andere Bilder des Eros, welche dem Praxiteles beigelegt werden, nem- lich: zwei eherne, welche Callistratus (stat. IV u. XI) aus-

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/354>, abgerufen am 22.11.2024.