und ähnlich Athenagoras 1) geben uns davon folgende märchen- hafte Erzählung: Die Tochter des Dibutades 2) wünscht das Bild ihres verreisenden Geliebten in seiner Abwesenheit zu bewahren. Sie macht daher beim Scheine der Lampe einen Schattenriss des Gesichtes an der Wand. Diesen füllt der Vater wegen der unverkennbaren Aehnlichkeit mit Thon aus und bildet so das erste Relief, das er mit den übrigen Töpfer- waaren im Ofen brennt. Dieses Portrait soll sich im Nymphaeon zu Korinth bis zur Zerstörung durch Mummius erhalten haben. Weiter erzählt Plinius: "Es ist eine Erfindung des Dibutades, Röthel (zum Thon) hinzuzuthun oder aus rother Thonerde zu bilden 3). Auch setzte er zuerst Masken (personas) auf die äussersten Hohlziegel der Dächer, und nannte dies anfänglich Prostypa, Bas-reliefs. Nachher machte er auch Ectypa, Haut-reliefs. Daraus sind auch die Tempelgiebel entstanden; und ihretwegen (der Plastik wegen) heissen die in ihr thätigen Künstler "Plasten."
Unter diesen Nachrichten mag allerdings die Erzählung von dem ersten Portrait erst aus dem wirklich vorhandenen Werke entstanden sein. Dagegen liegt in dem Namen des Dibutades selbst durchaus keine Veranlassung, ihn für mythisch oder erfunden zu halten. Freilich vermögen wir eben so we- nig ihn auf einen festen Zeitpunkt zurückzuführen. Die histo- rische Sage musste ihm vor Vertreibung der Bacchiaden aus Korinth, Ol, 29, seinen Platz anweisen, indem damals durch die Begleiter des Demaratos, Eucheir und Eugrammos, die Plastik nach Italien gebracht sein soll 4); und diese Zeitbe- stimmung mag auch unangefochten bleiben. -- Eben so schwer ist es aber ferner, zu unterscheiden, ob sich die übrigen Nach- richten überall auf die erste Erfindung oder deren weitere Vervollkommnungen beziehen. In einem Punkte erhält Plinius eine Bestätigung durch Pindar, indem auch dieser 5) den Ko- rinthern die Erfindung des Giebels beilegt 6). Für die Künst- lergeschichte ist zunächst die Thatsache von Bedeutung, dass die Thonbildnerei, die Mutter der Erzbildnerei, in alter Zeit zu
1) leg. pr. Chr. 14. p. 59.
2) Athenagoras macht aus kore, Mädchen, einen Eigennamen, und Walz (Philog. I. S. 550) will Kore als solchen gelten lassen.
4) Plin. l. l. Ueber sie ist erst bei den Anfängen der Kunst in Italien zu handeln.
5) Ol. XIII, 21.
6) Vgl. Welcker alte Denkm. I. S. 3 und 11.
und ähnlich Athenagoras 1) geben uns davon folgende märchen- hafte Erzählung: Die Tochter des Dibutades 2) wünscht das Bild ihres verreisenden Geliebten in seiner Abwesenheit zu bewahren. Sie macht daher beim Scheine der Lampe einen Schattenriss des Gesichtes an der Wand. Diesen füllt der Vater wegen der unverkennbaren Aehnlichkeit mit Thon aus und bildet so das erste Relief, das er mit den übrigen Töpfer- waaren im Ofen brennt. Dieses Portrait soll sich im Nymphaeon zu Korinth bis zur Zerstörung durch Mummius erhalten haben. Weiter erzählt Plinius: „Es ist eine Erfindung des Dibutades, Röthel (zum Thon) hinzuzuthun oder aus rother Thonerde zu bilden 3). Auch setzte er zuerst Masken (personas) auf die äussersten Hohlziegel der Dächer, und nannte dies anfänglich Prostypa, Bas-reliefs. Nachher machte er auch Ectypa, Haut-reliefs. Daraus sind auch die Tempelgiebel entstanden; und ihretwegen (der Plastik wegen) heissen die in ihr thätigen Künstler „Plasten.“
Unter diesen Nachrichten mag allerdings die Erzählung von dem ersten Portrait erst aus dem wirklich vorhandenen Werke entstanden sein. Dagegen liegt in dem Namen des Dibutades selbst durchaus keine Veranlassung, ihn für mythisch oder erfunden zu halten. Freilich vermögen wir eben so we- nig ihn auf einen festen Zeitpunkt zurückzuführen. Die histo- rische Sage musste ihm vor Vertreibung der Bacchiaden aus Korinth, Ol, 29, seinen Platz anweisen, indem damals durch die Begleiter des Demaratos, Eucheir und Eugrammos, die Plastik nach Italien gebracht sein soll 4); und diese Zeitbe- stimmung mag auch unangefochten bleiben. — Eben so schwer ist es aber ferner, zu unterscheiden, ob sich die übrigen Nach- richten überall auf die erste Erfindung oder deren weitere Vervollkommnungen beziehen. In einem Punkte erhält Plinius eine Bestätigung durch Pindar, indem auch dieser 5) den Ko- rinthern die Erfindung des Giebels beilegt 6). Für die Künst- lergeschichte ist zunächst die Thatsache von Bedeutung, dass die Thonbildnerei, die Mutter der Erzbildnerei, in alter Zeit zu
1) leg. pr. Chr. 14. p. 59.
2) Athenagoras macht aus κόρη, Mädchen, einen Eigennamen, und Walz (Philog. I. S. 550) will Kore als solchen gelten lassen.
4) Plin. l. l. Ueber sie ist erst bei den Anfängen der Kunst in Italien zu handeln.
5) Ol. XIII, 21.
6) Vgl. Welcker alte Denkm. I. S. 3 und 11.
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[24/0037]
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bewahren. Sie macht daher beim Scheine der Lampe einen
Schattenriss des Gesichtes an der Wand. Diesen füllt der
Vater wegen der unverkennbaren Aehnlichkeit mit Thon aus
und bildet so das erste Relief, das er mit den übrigen Töpfer-
waaren im Ofen brennt. Dieses Portrait soll sich im Nymphaeon
zu Korinth bis zur Zerstörung durch Mummius erhalten haben.
Weiter erzählt Plinius: „Es ist eine Erfindung des Dibutades,
Röthel (zum Thon) hinzuzuthun oder aus rother Thonerde zu
bilden 3). Auch setzte er zuerst Masken (personas) auf die
äussersten Hohlziegel der Dächer, und nannte dies anfänglich
Prostypa, Bas-reliefs. Nachher machte er auch Ectypa,
Haut-reliefs. Daraus sind auch die Tempelgiebel entstanden;
und ihretwegen (der Plastik wegen) heissen die in ihr thätigen
Künstler „Plasten.“
Unter diesen Nachrichten mag allerdings die Erzählung
von dem ersten Portrait erst aus dem wirklich vorhandenen
Werke entstanden sein. Dagegen liegt in dem Namen des
Dibutades selbst durchaus keine Veranlassung, ihn für mythisch
oder erfunden zu halten. Freilich vermögen wir eben so we-
nig ihn auf einen festen Zeitpunkt zurückzuführen. Die histo-
rische Sage musste ihm vor Vertreibung der Bacchiaden aus
Korinth, Ol, 29, seinen Platz anweisen, indem damals durch
die Begleiter des Demaratos, Eucheir und Eugrammos, die
Plastik nach Italien gebracht sein soll 4); und diese Zeitbe-
stimmung mag auch unangefochten bleiben. — Eben so schwer
ist es aber ferner, zu unterscheiden, ob sich die übrigen Nach-
richten überall auf die erste Erfindung oder deren weitere
Vervollkommnungen beziehen. In einem Punkte erhält Plinius
eine Bestätigung durch Pindar, indem auch dieser 5) den Ko-
rinthern die Erfindung des Giebels beilegt 6). Für die Künst-
lergeschichte ist zunächst die Thatsache von Bedeutung, dass
die Thonbildnerei, die Mutter der Erzbildnerei, in alter Zeit zu
1) leg. pr. Chr. 14. p. 59.
2) Athenagoras macht aus κόρη, Mädchen,
einen Eigennamen, und Walz (Philog. I. S. 550) will Kore als solchen gelten
lassen.
3) ex rubra Creta cod. Bamb.; vgl. Isidor. orig. XX, 4, 3.
4) Plin.
l. l. Ueber sie ist erst bei den Anfängen der Kunst in Italien zu handeln.
5) Ol. XIII, 21.
6) Vgl. Welcker alte Denkm. I. S. 3 und 11.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/37>, abgerufen am 21.11.2024.
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