zum Muster genommen. Doch am besten belehrt uns darüber Lysipp selbst, indem er nach Cicero 1) den Doryphoros des Polyklet seinen Lehrer nannte. Sonach haben zur Bildung des Künstlers seine eigene Persönlichkeit, das Muster des Po- lyklet, und endlich als ein drittes Moment gewiss auch die ganze Geistesrichtung seiner Zeit zusammengewirkt.
Im Gegensatz zu Skopas und Praxiteles ist es gewiss von Bedeutung, dass wir in Lysipp wieder einmal einen Künstler finden, welcher ausschliesslich in Bronze bildet. Denn ausser den Werken, bei welchen wir es besonders angemerkt haben, waren auch alle diejenigen, welche Plinius anführt, in diesem Stoffe gearbeitet. Hierin zeigt sich deutlich ein Anschliessen an das Vorbild des Polyklet und der ganzen argivisch-sikyoni- schen Schule, von welcher, wie wir gesehen haben, der Mar- mor nur ausnahmsweise angewendet wurde. Dass Lysipp aber in seiner Jugend die Metallarbeit als Handwerk betrieb, werden wir für die spätere Künstlerlaufbahn nicht gering anschlagen dürfen. Das Praktische, rein Technische musste ihm dadurch geläufiger sein, als anderen Künstlern, und diese Gewandtheit bewährt sich auch später in Ueberwindung der Schwierigkeiten, welche von der Bearbeitung kolossaler Figuren unzertrennlich sind. Auch die argutiae operum custoditae in minimis quoque rebus, welche nach Plinius 2) eine Eigenthümlichkeit seiner Werke bilden, scheinen, selbst wenn sie wesentlich auf Fein- heiten der Form beruhen, doch nicht ohne grosse Vollendung der technischen Durchführung bestehen zu können; und wie Polyklet der Vollender der Toreutik heisst, so werden wir an- nehmen dürfen, dass auch auf diesem Gebiete Lysipp's Streben gewesen sein wird, mit der Vortrefflichkeit seines Vorbildes zu wetteifern.
Die Gegenstände seiner Werke haben wir bereits unter ver- schiedenen Gesichtspunkten betrachtet. Hier müssen wir auf sie nochmals wegen ihres Verhältnisses zu denen des Polyklet zurückkommen. Wie dieser seinen Ruhm durch den Dorypho- ros und ähnliche jugendlich kräftige Gestalten begründete, so tritt auch unter den Werken des Lysipp eine ganze Klasse von durchaus verwandtem Charakter in den Vordergrund. Nur bewegte er sich in diesem Kreise nicht mit der Einseitigkeit,
1) Brut. 86.
2) 34, 65.
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zum Muster genommen. Doch am besten belehrt uns darüber Lysipp selbst, indem er nach Cicero 1) den Doryphoros des Polyklet seinen Lehrer nannte. Sonach haben zur Bildung des Künstlers seine eigene Persönlichkeit, das Muster des Po- lyklet, und endlich als ein drittes Moment gewiss auch die ganze Geistesrichtung seiner Zeit zusammengewirkt.
Im Gegensatz zu Skopas und Praxiteles ist es gewiss von Bedeutung, dass wir in Lysipp wieder einmal einen Künstler finden, welcher ausschliesslich in Bronze bildet. Denn ausser den Werken, bei welchen wir es besonders angemerkt haben, waren auch alle diejenigen, welche Plinius anführt, in diesem Stoffe gearbeitet. Hierin zeigt sich deutlich ein Anschliessen an das Vorbild des Polyklet und der ganzen argivisch-sikyoni- schen Schule, von welcher, wie wir gesehen haben, der Mar- mor nur ausnahmsweise angewendet wurde. Dass Lysipp aber in seiner Jugend die Metallarbeit als Handwerk betrieb, werden wir für die spätere Künstlerlaufbahn nicht gering anschlagen dürfen. Das Praktische, rein Technische musste ihm dadurch geläufiger sein, als anderen Künstlern, und diese Gewandtheit bewährt sich auch später in Ueberwindung der Schwierigkeiten, welche von der Bearbeitung kolossaler Figuren unzertrennlich sind. Auch die argutiae operum custoditae in minimis quoque rebus, welche nach Plinius 2) eine Eigenthümlichkeit seiner Werke bilden, scheinen, selbst wenn sie wesentlich auf Fein- heiten der Form beruhen, doch nicht ohne grosse Vollendung der technischen Durchführung bestehen zu können; und wie Polyklet der Vollender der Toreutik heisst, so werden wir an- nehmen dürfen, dass auch auf diesem Gebiete Lysipp’s Streben gewesen sein wird, mit der Vortrefflichkeit seines Vorbildes zu wetteifern.
Die Gegenstände seiner Werke haben wir bereits unter ver- schiedenen Gesichtspunkten betrachtet. Hier müssen wir auf sie nochmals wegen ihres Verhältnisses zu denen des Polyklet zurückkommen. Wie dieser seinen Ruhm durch den Dorypho- ros und ähnliche jugendlich kräftige Gestalten begründete, so tritt auch unter den Werken des Lysipp eine ganze Klasse von durchaus verwandtem Charakter in den Vordergrund. Nur bewegte er sich in diesem Kreise nicht mit der Einseitigkeit,
1) Brut. 86.
2) 34, 65.
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zum Muster genommen. Doch am besten belehrt uns darüber
Lysipp selbst, indem er nach Cicero 1) den Doryphoros des
Polyklet seinen Lehrer nannte. Sonach haben zur Bildung
des Künstlers seine eigene Persönlichkeit, das Muster des Po-
lyklet, und endlich als ein drittes Moment gewiss auch die
ganze Geistesrichtung seiner Zeit zusammengewirkt.
Im Gegensatz zu Skopas und Praxiteles ist es gewiss von
Bedeutung, dass wir in Lysipp wieder einmal einen Künstler
finden, welcher ausschliesslich in Bronze bildet. Denn ausser
den Werken, bei welchen wir es besonders angemerkt haben,
waren auch alle diejenigen, welche Plinius anführt, in diesem
Stoffe gearbeitet. Hierin zeigt sich deutlich ein Anschliessen
an das Vorbild des Polyklet und der ganzen argivisch-sikyoni-
schen Schule, von welcher, wie wir gesehen haben, der Mar-
mor nur ausnahmsweise angewendet wurde. Dass Lysipp aber
in seiner Jugend die Metallarbeit als Handwerk betrieb, werden
wir für die spätere Künstlerlaufbahn nicht gering anschlagen
dürfen. Das Praktische, rein Technische musste ihm dadurch
geläufiger sein, als anderen Künstlern, und diese Gewandtheit
bewährt sich auch später in Ueberwindung der Schwierigkeiten,
welche von der Bearbeitung kolossaler Figuren unzertrennlich
sind. Auch die argutiae operum custoditae in minimis quoque
rebus, welche nach Plinius 2) eine Eigenthümlichkeit seiner
Werke bilden, scheinen, selbst wenn sie wesentlich auf Fein-
heiten der Form beruhen, doch nicht ohne grosse Vollendung
der technischen Durchführung bestehen zu können; und wie
Polyklet der Vollender der Toreutik heisst, so werden wir an-
nehmen dürfen, dass auch auf diesem Gebiete Lysipp’s Streben
gewesen sein wird, mit der Vortrefflichkeit seines Vorbildes
zu wetteifern.
Die Gegenstände seiner Werke haben wir bereits unter ver-
schiedenen Gesichtspunkten betrachtet. Hier müssen wir auf
sie nochmals wegen ihres Verhältnisses zu denen des Polyklet
zurückkommen. Wie dieser seinen Ruhm durch den Dorypho-
ros und ähnliche jugendlich kräftige Gestalten begründete, so
tritt auch unter den Werken des Lysipp eine ganze Klasse
von durchaus verwandtem Charakter in den Vordergrund. Nur
bewegte er sich in diesem Kreise nicht mit der Einseitigkeit,
1) Brut. 86.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/384>, abgerufen am 22.11.2024.
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