des Namens ziehe ich nach Einsicht der neuen Ausgabe des Plinius von Sillig der früher angenommenen Dibutades vor), über die Anfänge der Plastik, die prostypa und ectypa, berich- tet hat, fährt er fort: "Das Bild eines Menschen aber drückte in Gyps vom Gesichte selbst zuerst Lysistratos ab, Lysipp's Bruder aus Sikyon, den wir bereits erwähnten; und seine Er- findung ist es, einen Ausguss von Wachs aus dieser Gyps- form zu nehmen und denselben zu retouchiren (emendare). Er machte es auch zum Hauptzwecke, die Aehnlichkeit in allen Einzelnheiten (similitudines) wiederzugeben, während man früher bestrebt war, so schön als möglich zu bilden. Derselbe erfand ferner, von Bildwerken Abgüsse zu nehmen; und die Sache fand eine solche Aufnahme, dass nachher keine Statuen oder Bildsäulen ohne Thon gemacht wurden. Woraus erhellt, dass diese Kenntniss älter gewesen, als die des Erz- gusses." Hierauf folgen bei Plinius die Nachrichten über die alten Plasten Damophilos und Gorgasos. Diesen ganzen Zu- sammenhang anzugeben, schien nothwendig, um zu zeigen, dass die drei letzten wörtlich angeführten Sätze (von: "der- selbe erfand ferner" an) sich nicht auf Lysistratos beziehen können. Denn wie darf man aus der Erfindung eines Zeitge- nossen Alexanders etwas über das Alter der Plastik und des Erzgusses folgern? Wie öfter bei Plinius, so scheint auch hier die ganze Stelle über Lysistratos zuerst als Nachtrag an den Rand, und später ohne Rücksicht auf den Zusammen- hang an einer falschen Stelle in den Text gesetzt worden zu sein. Die Erfindung des Gypsformens über Bildwerke fällt dadurch dem Butades zu, welcher sie zuerst zur Darstellung seiner prostypa und ectypa benutzen mochte; von da aber erscheint ihre Anwendung auf den Erzguss als eine durchaus naturgemässe Entwickelung. Was endlich als von Lysistratos gesagt übrig bleibt, giebt nun einen vollkommen klaren und abgerundeten Sinn.
Wir haben in der Kunst des Lysipp das Streben nach Wahrheit der äusseren Erscheinung gefunden. Stand dasselbe aber nicht vereinzelt, sondern war es in der gesammten Rich- tung des Zeitgeistes begründet, so kann es uns keineswegs überraschen, wenn einmal ein Künstler von diesem Strome sich bis zum Extreme fortreissen lässt, und ein vollkomme- nes Werk gerade dadurch zu liefern vermeint, dass er uns
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des Namens ziehe ich nach Einsicht der neuen Ausgabe des Plinius von Sillig der früher angenommenen Dibutades vor), über die Anfänge der Plastik, die prostypa und ectypa, berich- tet hat, fährt er fort: „Das Bild eines Menschen aber drückte in Gyps vom Gesichte selbst zuerst Lysistratos ab, Lysipp’s Bruder aus Sikyon, den wir bereits erwähnten; und seine Er- findung ist es, einen Ausguss von Wachs aus dieser Gyps- form zu nehmen und denselben zu retouchiren (emendare). Er machte es auch zum Hauptzwecke, die Aehnlichkeit in allen Einzelnheiten (similitudines) wiederzugeben, während man früher bestrebt war, so schön als möglich zu bilden. Derselbe erfand ferner, von Bildwerken Abgüsse zu nehmen; und die Sache fand eine solche Aufnahme, dass nachher keine Statuen oder Bildsäulen ohne Thon gemacht wurden. Woraus erhellt, dass diese Kenntniss älter gewesen, als die des Erz- gusses.” Hierauf folgen bei Plinius die Nachrichten über die alten Plasten Damophilos und Gorgasos. Diesen ganzen Zu- sammenhang anzugeben, schien nothwendig, um zu zeigen, dass die drei letzten wörtlich angeführten Sätze (von: „der- selbe erfand ferner” an) sich nicht auf Lysistratos beziehen können. Denn wie darf man aus der Erfindung eines Zeitge- nossen Alexanders etwas über das Alter der Plastik und des Erzgusses folgern? Wie öfter bei Plinius, so scheint auch hier die ganze Stelle über Lysistratos zuerst als Nachtrag an den Rand, und später ohne Rücksicht auf den Zusammen- hang an einer falschen Stelle in den Text gesetzt worden zu sein. Die Erfindung des Gypsformens über Bildwerke fällt dadurch dem Butades zu, welcher sie zuerst zur Darstellung seiner prostypa und ectypa benutzen mochte; von da aber erscheint ihre Anwendung auf den Erzguss als eine durchaus naturgemässe Entwickelung. Was endlich als von Lysistratos gesagt übrig bleibt, giebt nun einen vollkommen klaren und abgerundeten Sinn.
Wir haben in der Kunst des Lysipp das Streben nach Wahrheit der äusseren Erscheinung gefunden. Stand dasselbe aber nicht vereinzelt, sondern war es in der gesammten Rich- tung des Zeitgeistes begründet, so kann es uns keineswegs überraschen, wenn einmal ein Künstler von diesem Strome sich bis zum Extreme fortreissen lässt, und ein vollkomme- nes Werk gerade dadurch zu liefern vermeint, dass er uns
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des Namens ziehe ich nach Einsicht der neuen Ausgabe des
Plinius von Sillig der früher angenommenen Dibutades vor),
über die Anfänge der Plastik, die prostypa und ectypa, berich-
tet hat, fährt er fort: „Das Bild eines Menschen aber drückte
in Gyps vom Gesichte selbst zuerst Lysistratos ab, Lysipp’s
Bruder aus Sikyon, den wir bereits erwähnten; und seine Er-
findung ist es, einen Ausguss von Wachs aus dieser Gyps-
form zu nehmen und denselben zu retouchiren (emendare).
Er machte es auch zum Hauptzwecke, die Aehnlichkeit in
allen Einzelnheiten (similitudines) wiederzugeben, während
man früher bestrebt war, so schön als möglich zu bilden.
Derselbe erfand ferner, von Bildwerken Abgüsse zu nehmen;
und die Sache fand eine solche Aufnahme, dass nachher keine
Statuen oder Bildsäulen ohne Thon gemacht wurden. Woraus
erhellt, dass diese Kenntniss älter gewesen, als die des Erz-
gusses.” Hierauf folgen bei Plinius die Nachrichten über die
alten Plasten Damophilos und Gorgasos. Diesen ganzen Zu-
sammenhang anzugeben, schien nothwendig, um zu zeigen,
dass die drei letzten wörtlich angeführten Sätze (von: „der-
selbe erfand ferner” an) sich nicht auf Lysistratos beziehen
können. Denn wie darf man aus der Erfindung eines Zeitge-
nossen Alexanders etwas über das Alter der Plastik und des
Erzgusses folgern? Wie öfter bei Plinius, so scheint auch
hier die ganze Stelle über Lysistratos zuerst als Nachtrag an
den Rand, und später ohne Rücksicht auf den Zusammen-
hang an einer falschen Stelle in den Text gesetzt worden zu
sein. Die Erfindung des Gypsformens über Bildwerke fällt
dadurch dem Butades zu, welcher sie zuerst zur Darstellung
seiner prostypa und ectypa benutzen mochte; von da aber
erscheint ihre Anwendung auf den Erzguss als eine durchaus
naturgemässe Entwickelung. Was endlich als von Lysistratos
gesagt übrig bleibt, giebt nun einen vollkommen klaren und
abgerundeten Sinn.
Wir haben in der Kunst des Lysipp das Streben nach
Wahrheit der äusseren Erscheinung gefunden. Stand dasselbe
aber nicht vereinzelt, sondern war es in der gesammten Rich-
tung des Zeitgeistes begründet, so kann es uns keineswegs
überraschen, wenn einmal ein Künstler von diesem Strome
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nes Werk gerade dadurch zu liefern vermeint, dass er uns
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/416>, abgerufen am 24.11.2024.
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