Monumenten des Asinius Pollio aufgestellt war; als Erzwerk aber (34, 78) die Statue des Eurotas, an welcher, wie man sagte, die Kunst noch flüssiger war, als der Fluss: ein Ge- danke, welcher in einem Epigramme des Philippos 1) noch weiter ausgesponnen ist 2). Aus Erz war natürlich auch die Statue des Timosthenes aus Elis, welcher zu Olympia im Wettlauf der Knaben in unbekannter Olympiade gesiegt hatte: Paus. VI, 2, 4. Ungewiss ist das Material bei der Statue der Tyche, welche er für die Syrier am Orontes (d. i. die Antio- chener) gemacht hatte, und welche von diesen in hohen Ehren gehalten wurde: Paus. l. l. Eine sehr schöne und gewiss rich- tige Vermuthung über dieses Werk hat O. Müller 3) aufgestellt, indem er die Tyche für die Stadtgöttin von Antiochia erklärte, von welcher uns auf Münzen und in statuarischen Werken zahlreiche Nachbildungen erhalten sind 4). Die Göttin sitzt, der Localität der Stadt entsprechend, auf einem Felsen und zu ihren Füssen erscheint in halber Figur aus den Wellen auf- tauchend der Flussgott Orontes als Jüngling. Die Bewegung der Göttin ist so motivirt, dass die ganze rechte Seite des Körpers sich nach der linken hinwendet. Der rechte Fuss ist über den linken geschlagen und auf ihn stützt sich der El- lenbogen des rechten Armes, während der linke dieser Wen- dung entsprechend, sich hinterwärts aufstützt, um dem nach dieser Seite drückenden Körper einen Haltpunkt zu gewähren. Die Mauerkrone charakterisirt die Stadtgöttin, Aehren in der Rechten (an deren Stelle in Münzen freilich auch ein Palm- zweig erscheint), die Fruchtbarkeit der Gegend. Durch die Bewegung der Figur aber, namentlich durch das Zurückziehen des einen Armes, entwickelt sich eine Fülle der reizendsten Motive für die Gewandung. Wenige Werke aus dem Alter- thume sind uns erhalten, welche sich mit diesem in der An- muth der ganzen Erscheinung vergleichen liessen. Schwerlich wird sich Jemand dem Zauber desselben zu entziehen im Stande sein, und ich bin weit entfernt, diesen Genuss und die Freude daran irgend Jemand verbittern zu wollen. Doch aber muss ich darauf mit Nachdruck aufmerksam machen, wie weit
1) Jacobs Anthol. XIII, p. 672.
2) Vgl. Jahn, Ber. d. sächs. Ges. 1850. II, S. 123.
3) Diss. Antioch. I, 14.
4) Namentlich eine Statue im Vatican: PCl. III, t. 46; vgl. Müller u. Oest. Denkm. I, Taf. 49.
Monumenten des Asinius Pollio aufgestellt war; als Erzwerk aber (34, 78) die Statue des Eurotas, an welcher, wie man sagte, die Kunst noch flüssiger war, als der Fluss: ein Ge- danke, welcher in einem Epigramme des Philippos 1) noch weiter ausgesponnen ist 2). Aus Erz war natürlich auch die Statue des Timosthenes aus Elis, welcher zu Olympia im Wettlauf der Knaben in unbekannter Olympiade gesiegt hatte: Paus. VI, 2, 4. Ungewiss ist das Material bei der Statue der Tyche, welche er für die Syrier am Orontes (d. i. die Antio- chener) gemacht hatte, und welche von diesen in hohen Ehren gehalten wurde: Paus. l. l. Eine sehr schöne und gewiss rich- tige Vermuthung über dieses Werk hat O. Müller 3) aufgestellt, indem er die Tyche für die Stadtgöttin von Antiochia erklärte, von welcher uns auf Münzen und in statuarischen Werken zahlreiche Nachbildungen erhalten sind 4). Die Göttin sitzt, der Localität der Stadt entsprechend, auf einem Felsen und zu ihren Füssen erscheint in halber Figur aus den Wellen auf- tauchend der Flussgott Orontes als Jüngling. Die Bewegung der Göttin ist so motivirt, dass die ganze rechte Seite des Körpers sich nach der linken hinwendet. Der rechte Fuss ist über den linken geschlagen und auf ihn stützt sich der El- lenbogen des rechten Armes, während der linke dieser Wen- dung entsprechend, sich hinterwärts aufstützt, um dem nach dieser Seite drückenden Körper einen Haltpunkt zu gewähren. Die Mauerkrone charakterisirt die Stadtgöttin, Aehren in der Rechten (an deren Stelle in Münzen freilich auch ein Palm- zweig erscheint), die Fruchtbarkeit der Gegend. Durch die Bewegung der Figur aber, namentlich durch das Zurückziehen des einen Armes, entwickelt sich eine Fülle der reizendsten Motive für die Gewandung. Wenige Werke aus dem Alter- thume sind uns erhalten, welche sich mit diesem in der An- muth der ganzen Erscheinung vergleichen liessen. Schwerlich wird sich Jemand dem Zauber desselben zu entziehen im Stande sein, und ich bin weit entfernt, diesen Genuss und die Freude daran irgend Jemand verbittern zu wollen. Doch aber muss ich darauf mit Nachdruck aufmerksam machen, wie weit
1) Jacobs Anthol. XIII, p. 672.
2) Vgl. Jahn, Ber. d. sächs. Ges. 1850. II, S. 123.
3) Diss. Antioch. I, 14.
4) Namentlich eine Statue im Vatican: PCl. III, t. 46; vgl. Müller u. Oest. Denkm. I, Taf. 49.
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Monumenten des Asinius Pollio aufgestellt war; als Erzwerk
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sagte, die Kunst noch flüssiger war, als der Fluss: ein Ge-
danke, welcher in einem Epigramme des Philippos 1) noch
weiter ausgesponnen ist 2). Aus Erz war natürlich auch die
Statue des Timosthenes aus Elis, welcher zu Olympia im
Wettlauf der Knaben in unbekannter Olympiade gesiegt hatte:
Paus. VI, 2, 4. Ungewiss ist das Material bei der Statue der
Tyche, welche er für die Syrier am Orontes (d. i. die Antio-
chener) gemacht hatte, und welche von diesen in hohen Ehren
gehalten wurde: Paus. l. l. Eine sehr schöne und gewiss rich-
tige Vermuthung über dieses Werk hat O. Müller 3) aufgestellt,
indem er die Tyche für die Stadtgöttin von Antiochia erklärte,
von welcher uns auf Münzen und in statuarischen Werken
zahlreiche Nachbildungen erhalten sind 4). Die Göttin sitzt,
der Localität der Stadt entsprechend, auf einem Felsen und
zu ihren Füssen erscheint in halber Figur aus den Wellen auf-
tauchend der Flussgott Orontes als Jüngling. Die Bewegung
der Göttin ist so motivirt, dass die ganze rechte Seite des
Körpers sich nach der linken hinwendet. Der rechte Fuss
ist über den linken geschlagen und auf ihn stützt sich der El-
lenbogen des rechten Armes, während der linke dieser Wen-
dung entsprechend, sich hinterwärts aufstützt, um dem nach
dieser Seite drückenden Körper einen Haltpunkt zu gewähren.
Die Mauerkrone charakterisirt die Stadtgöttin, Aehren in der
Rechten (an deren Stelle in Münzen freilich auch ein Palm-
zweig erscheint), die Fruchtbarkeit der Gegend. Durch die
Bewegung der Figur aber, namentlich durch das Zurückziehen
des einen Armes, entwickelt sich eine Fülle der reizendsten
Motive für die Gewandung. Wenige Werke aus dem Alter-
thume sind uns erhalten, welche sich mit diesem in der An-
muth der ganzen Erscheinung vergleichen liessen. Schwerlich
wird sich Jemand dem Zauber desselben zu entziehen im Stande
sein, und ich bin weit entfernt, diesen Genuss und die Freude
daran irgend Jemand verbittern zu wollen. Doch aber muss
ich darauf mit Nachdruck aufmerksam machen, wie weit
1) Jacobs Anthol. XIII, p. 672.
2) Vgl. Jahn, Ber. d. sächs. Ges. 1850. II,
S. 123.
3) Diss. Antioch. I, 14.
4) Namentlich eine Statue im Vatican:
PCl. III, t. 46; vgl. Müller u. Oest. Denkm. I, Taf. 49.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/425>, abgerufen am 24.11.2024.
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