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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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Förderung durch die Architektur erhielt. Ich erinnere hier nur
an die Statuengruppen in den Giebeln des tegeatischen Tem-
pels, an die Reliefs am Mausoleum; andere mit Sculpturen
gezierte Bauten von geringerem Umfange mochten aber in die-
ser Periode in grösserer Zahl erstehen, und es möge des Bei-
spiels halber hier nur das choragische Monument des Lysikra-
tes in Athen genannt werden. -- Von einer historischen Kunst
im engeren Sinne finden wir auch jetzt noch bei den Attikern
keine Spuren. Nur gewinnt die Portraitbildung bei dem über-
handnehmenden Gebrauche der Ehrenstatuen eine weite Ausdeh-
nung, obwohl auch auf diesem Gebiete Statuen olympischer Sie-
ger ausdrücklich nur von Sthennis und Silanion angeführt wer-
den, und die Attiker jetzt ebenso, wie früher, auf die Darstellung
von Persönlichkeiten, deren Bedeutung allein oder vornehmlich
in ihren körperlichen Vorzügen begründet war, geringeren
Werth gelegt zu haben scheinen, als die Sikyonier, denen
Vollkommenheit der Form für den Hauptzweck der Kunst galt.
Dagegen streiten sie mit diesen um den Vorrang in der Bil-
dung solcher Portraits, welche ihren Werth nur durch die
richtige Auffassung des Geistes und des Charakters der dar-
gestellten Person erhalten konnten. Staatsmänner, Redner,
Philosophen, Dichter und Dichterinnen werden in grosser Zahl
und, wie wir aus den noch erhaltenen Nachbildungen schlies-
sen dürfen, in hoher Vortrefflichkeit gebildet. Auch nach aus-
sen verbreitet sich der Ruf athenischer Meister in diesem
Kunstzweige; Euphranor und Leochares arbeiten für den ma-
kedonischen Königshof zu Philipps Zeit, und erst der nach
Verherrlichung seiner kriegerischen Thaten strebende Alexander
zieht allen anderen Künstlern den Sikyonier Lysipp vor.

Die bisherigen Bemerkungen werden sich also kurz so zu-
sammenfassen lassen, dass die Attiker in der Hauptmasse ihrer
Darstellungen sich innerhalb der schon früher bevorzugten
Kreise bewegen, dass sie die Grenzen derselben zu erweitern,
die in ihnen enthaltenen Keime oft in weitem Umfange und
selbstständig zu entwickeln trachten, nicht aber in Bahnen
einlenken, welche der früheren Entwickelung durchaus fremd
und widersprechend wären. Zu demselben Ergebniss wird uns
nun auch die Betrachtung der sikyonischen, aus der früheren
argivischen hervorgegangenen Schule führen. Was wir früher
mit Nachdruck hervorgehoben haben, dass in ihr die Götter-

Förderung durch die Architektur erhielt. Ich erinnere hier nur
an die Statuengruppen in den Giebeln des tegeatischen Tem-
pels, an die Reliefs am Mausoleum; andere mit Sculpturen
gezierte Bauten von geringerem Umfange mochten aber in die-
ser Periode in grösserer Zahl erstehen, und es möge des Bei-
spiels halber hier nur das choragische Monument des Lysikra-
tes in Athen genannt werden. — Von einer historischen Kunst
im engeren Sinne finden wir auch jetzt noch bei den Attikern
keine Spuren. Nur gewinnt die Portraitbildung bei dem über-
handnehmenden Gebrauche der Ehrenstatuen eine weite Ausdeh-
nung, obwohl auch auf diesem Gebiete Statuen olympischer Sie-
ger ausdrücklich nur von Sthennis und Silanion angeführt wer-
den, und die Attiker jetzt ebenso, wie früher, auf die Darstellung
von Persönlichkeiten, deren Bedeutung allein oder vornehmlich
in ihren körperlichen Vorzügen begründet war, geringeren
Werth gelegt zu haben scheinen, als die Sikyonier, denen
Vollkommenheit der Form für den Hauptzweck der Kunst galt.
Dagegen streiten sie mit diesen um den Vorrang in der Bil-
dung solcher Portraits, welche ihren Werth nur durch die
richtige Auffassung des Geistes und des Charakters der dar-
gestellten Person erhalten konnten. Staatsmänner, Redner,
Philosophen, Dichter und Dichterinnen werden in grosser Zahl
und, wie wir aus den noch erhaltenen Nachbildungen schlies-
sen dürfen, in hoher Vortrefflichkeit gebildet. Auch nach aus-
sen verbreitet sich der Ruf athenischer Meister in diesem
Kunstzweige; Euphranor und Leochares arbeiten für den ma-
kedonischen Königshof zu Philipps Zeit, und erst der nach
Verherrlichung seiner kriegerischen Thaten strebende Alexander
zieht allen anderen Künstlern den Sikyonier Lysipp vor.

Die bisherigen Bemerkungen werden sich also kurz so zu-
sammenfassen lassen, dass die Attiker in der Hauptmasse ihrer
Darstellungen sich innerhalb der schon früher bevorzugten
Kreise bewegen, dass sie die Grenzen derselben zu erweitern,
die in ihnen enthaltenen Keime oft in weitem Umfange und
selbstständig zu entwickeln trachten, nicht aber in Bahnen
einlenken, welche der früheren Entwickelung durchaus fremd
und widersprechend wären. Zu demselben Ergebniss wird uns
nun auch die Betrachtung der sikyonischen, aus der früheren
argivischen hervorgegangenen Schule führen. Was wir früher
mit Nachdruck hervorgehoben haben, dass in ihr die Götter-

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[430/0443] Förderung durch die Architektur erhielt. Ich erinnere hier nur an die Statuengruppen in den Giebeln des tegeatischen Tem- pels, an die Reliefs am Mausoleum; andere mit Sculpturen gezierte Bauten von geringerem Umfange mochten aber in die- ser Periode in grösserer Zahl erstehen, und es möge des Bei- spiels halber hier nur das choragische Monument des Lysikra- tes in Athen genannt werden. — Von einer historischen Kunst im engeren Sinne finden wir auch jetzt noch bei den Attikern keine Spuren. Nur gewinnt die Portraitbildung bei dem über- handnehmenden Gebrauche der Ehrenstatuen eine weite Ausdeh- nung, obwohl auch auf diesem Gebiete Statuen olympischer Sie- ger ausdrücklich nur von Sthennis und Silanion angeführt wer- den, und die Attiker jetzt ebenso, wie früher, auf die Darstellung von Persönlichkeiten, deren Bedeutung allein oder vornehmlich in ihren körperlichen Vorzügen begründet war, geringeren Werth gelegt zu haben scheinen, als die Sikyonier, denen Vollkommenheit der Form für den Hauptzweck der Kunst galt. Dagegen streiten sie mit diesen um den Vorrang in der Bil- dung solcher Portraits, welche ihren Werth nur durch die richtige Auffassung des Geistes und des Charakters der dar- gestellten Person erhalten konnten. Staatsmänner, Redner, Philosophen, Dichter und Dichterinnen werden in grosser Zahl und, wie wir aus den noch erhaltenen Nachbildungen schlies- sen dürfen, in hoher Vortrefflichkeit gebildet. Auch nach aus- sen verbreitet sich der Ruf athenischer Meister in diesem Kunstzweige; Euphranor und Leochares arbeiten für den ma- kedonischen Königshof zu Philipps Zeit, und erst der nach Verherrlichung seiner kriegerischen Thaten strebende Alexander zieht allen anderen Künstlern den Sikyonier Lysipp vor. Die bisherigen Bemerkungen werden sich also kurz so zu- sammenfassen lassen, dass die Attiker in der Hauptmasse ihrer Darstellungen sich innerhalb der schon früher bevorzugten Kreise bewegen, dass sie die Grenzen derselben zu erweitern, die in ihnen enthaltenen Keime oft in weitem Umfange und selbstständig zu entwickeln trachten, nicht aber in Bahnen einlenken, welche der früheren Entwickelung durchaus fremd und widersprechend wären. Zu demselben Ergebniss wird uns nun auch die Betrachtung der sikyonischen, aus der früheren argivischen hervorgegangenen Schule führen. Was wir früher mit Nachdruck hervorgehoben haben, dass in ihr die Götter-

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/443>, abgerufen am 24.11.2024.