Wir haben also: Rhoekos, Sohn des Phileas, Theodoros, Sohn des Telekles, Theodoros und Telekles, Söhne des Rhoekos. Wollte man aus diesen Gliedern, ohne eines derselben aufzugeben, eine fortlaufende Genealogie bilden, so war es nur möglich, indem man den Theodoros, Sohn des Telekles, unter die Söhne des Rhoekos herabrückte. Damit aber war Pausanias nicht in Einklang zu bringen, der gerade diesen immer mit Rhoekos zusammenstellt. Pausanias also sollte ge- irrt haben. Aber wer sind die Gewährsmänner, auf welche wir dieses Verdammungsurtheil begründen? Diodor nebst Athe- nagoras und Diogenes Laertius, deren beiläufige Erwähnungen von Künstlern in Rücksicht auf Glaubwürdigkeit sich gewiss nicht mit Pausanias messen dürfen, welcher trotz mancher Irr- thümer seine Nachrichten über die Geschichte der Künstler mit besonderer Aufmerksamkeit gesammelt hat. Diodor da- gegen schöpft aus der Ueberlieferung später aegyptischer Prie- ster, von denen schwerlich anzunehmen ist, dass sie sich um die Genealogien der Künstler vorzugsweise bekümmert haben. Erfuhr er aber auch aus ihrem Munde das Richtige, so war noch immer ein Irrthum beim Wiedererzählen möglich. Noch weniger dürften wir uns wundern, wenn Diogenes Laertius aus Versehen den bekannten Genossen des Theodoros zu des- sen Vater gemacht hätte. Wir legen deshalb diese beiden Zeugnisse zunächst bei Seite und prüfen, wie weit in allen übrigen Nachrichten die Uebereinstimmung reicht. Da finden wir nun einen einzigen Theodoros, der noch dazu nicht einfach Samios, sondern ausdrücklich o Samios genannt wird, "der bekannte Samier", den Herodot, Pausanias gewiss noch näher bezeichnet hätten, sofern ihnen ein anderer in nicht weit da- von entfernter Zeit bekannt geworden wäre. Dieser Theodo- ros ist aber immer Sohn des Telekles und Genosse des Rhoe- kos. Dadurch löst sich die ganze Verwickelung in folgendem einfachen Schema auf:
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Phileas | Rhoekos
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Telekles | Theodoros.
Den Prüfstein dieser Genealogie werden nun die chronolo- gischen Bestimmungen abgeben, wenn wir nachweisen, dass
Wir haben also: Rhoekos, Sohn des Phileas, Theodoros, Sohn des Telekles, Theodoros und Telekles, Söhne des Rhoekos. Wollte man aus diesen Gliedern, ohne eines derselben aufzugeben, eine fortlaufende Genealogie bilden, so war es nur möglich, indem man den Theodoros, Sohn des Telekles, unter die Söhne des Rhoekos herabrückte. Damit aber war Pausanias nicht in Einklang zu bringen, der gerade diesen immer mit Rhoekos zusammenstellt. Pausanias also sollte ge- irrt haben. Aber wer sind die Gewährsmänner, auf welche wir dieses Verdammungsurtheil begründen? Diodor nebst Athe- nagoras und Diogenes Laërtius, deren beiläufige Erwähnungen von Künstlern in Rücksicht auf Glaubwürdigkeit sich gewiss nicht mit Pausanias messen dürfen, welcher trotz mancher Irr- thümer seine Nachrichten über die Geschichte der Künstler mit besonderer Aufmerksamkeit gesammelt hat. Diodor da- gegen schöpft aus der Ueberlieferung später aegyptischer Prie- ster, von denen schwerlich anzunehmen ist, dass sie sich um die Genealogien der Künstler vorzugsweise bekümmert haben. Erfuhr er aber auch aus ihrem Munde das Richtige, so war noch immer ein Irrthum beim Wiedererzählen möglich. Noch weniger dürften wir uns wundern, wenn Diogenes Laërtius aus Versehen den bekannten Genossen des Theodoros zu des- sen Vater gemacht hätte. Wir legen deshalb diese beiden Zeugnisse zunächst bei Seite und prüfen, wie weit in allen übrigen Nachrichten die Uebereinstimmung reicht. Da finden wir nun einen einzigen Theodoros, der noch dazu nicht einfach Σάμιος, sondern ausdrücklich ὁ Σάμιος genannt wird, „der bekannte Samier”, den Herodot, Pausanias gewiss noch näher bezeichnet hätten, sofern ihnen ein anderer in nicht weit da- von entfernter Zeit bekannt geworden wäre. Dieser Theodo- ros ist aber immer Sohn des Telekles und Genosse des Rhoe- kos. Dadurch löst sich die ganze Verwickelung in folgendem einfachen Schema auf:
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Phileas | Rhoekos
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Telekles | Theodoros.
Den Prüfstein dieser Genealogie werden nun die chronolo- gischen Bestimmungen abgeben, wenn wir nachweisen, dass
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Wir haben also:
Rhoekos, Sohn des Phileas,
Theodoros, Sohn des Telekles,
Theodoros und Telekles, Söhne des Rhoekos.
Wollte man aus diesen Gliedern, ohne eines derselben
aufzugeben, eine fortlaufende Genealogie bilden, so war es
nur möglich, indem man den Theodoros, Sohn des Telekles,
unter die Söhne des Rhoekos herabrückte. Damit aber war
Pausanias nicht in Einklang zu bringen, der gerade diesen
immer mit Rhoekos zusammenstellt. Pausanias also sollte ge-
irrt haben. Aber wer sind die Gewährsmänner, auf welche
wir dieses Verdammungsurtheil begründen? Diodor nebst Athe-
nagoras und Diogenes Laërtius, deren beiläufige Erwähnungen
von Künstlern in Rücksicht auf Glaubwürdigkeit sich gewiss
nicht mit Pausanias messen dürfen, welcher trotz mancher Irr-
thümer seine Nachrichten über die Geschichte der Künstler
mit besonderer Aufmerksamkeit gesammelt hat. Diodor da-
gegen schöpft aus der Ueberlieferung später aegyptischer Prie-
ster, von denen schwerlich anzunehmen ist, dass sie sich um
die Genealogien der Künstler vorzugsweise bekümmert haben.
Erfuhr er aber auch aus ihrem Munde das Richtige, so war
noch immer ein Irrthum beim Wiedererzählen möglich. Noch
weniger dürften wir uns wundern, wenn Diogenes Laërtius
aus Versehen den bekannten Genossen des Theodoros zu des-
sen Vater gemacht hätte. Wir legen deshalb diese beiden
Zeugnisse zunächst bei Seite und prüfen, wie weit in allen
übrigen Nachrichten die Uebereinstimmung reicht. Da finden
wir nun einen einzigen Theodoros, der noch dazu nicht einfach
Σάμιος, sondern ausdrücklich ὁ Σάμιος genannt wird, „der
bekannte Samier”, den Herodot, Pausanias gewiss noch näher
bezeichnet hätten, sofern ihnen ein anderer in nicht weit da-
von entfernter Zeit bekannt geworden wäre. Dieser Theodo-
ros ist aber immer Sohn des Telekles und Genosse des Rhoe-
kos. Dadurch löst sich die ganze Verwickelung in folgendem
einfachen Schema auf:
Phileas
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Rhoekos
Telekles
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Theodoros.
Den Prüfstein dieser Genealogie werden nun die chronolo-
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/45>, abgerufen am 21.11.2024.
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