diese sämmtlich sich auf einen einzigen Theodoros beziehen lassen.
Den ersten sichern Haltpunkt bietet uns das silberne Misch- gefäss des Theodoros, welches Kroesus vor dem Brande des Tem- pels nach Delphi weihte, d. i. vor Ol. 58, 1. 1). Ferner ist ein Werk des Theodoros der Ring des Polykrates, der Ol. 62--64 Tyrann von Samos war, diesen Ring jedoch schon früher besitzen konnte. Diesen Bestimmungen scheint nun freilich schnurstracks entgegen zu laufen, was Plinius 2) berichtet: Sunt qui in Sa- mo primos omnium plasticen invenisse Rhoecum et Theodorum tradant, multo ante Bacchiadas Corintho pulsos. Auf diese Angabe gründet sich die Ansicht von Thiersch, dass diese Erfinder der Plastik am Anfange der Olympiaden gelebt und von einem späteren Geschlecht zur Zeit des Kroesus verschieden sein müssten. Allein schon Welcker 3) hat auf den Irrthum hingewiesen, in dem Plinius sich befindet, wenn er jenen Künstlern die Erfindung der Plastik anstatt des Erzgusses bei- legt. Dieser Irrthum aber hatte einen zweiten im Gefolge: da bei der Vertreibung der Bacchiaden um Ol. 30 die Plastik nach Italien verpflanzt sein sollte, so musste natürlich Plinius seine angeblichen Erfinder in ein noch höheres Alter hinauf- rücken. Diese Bestimmung aber fällt von selbst, sobald die Voraussetzung, die Erfindung der Plastik, als falsch nach- gewiesen ist.
Eine andere Angabe führt uns auf die Geschichte des ephesischen Tempels. Diogenes Laertius und ebenso Hesy- chius Milesius (so wie, nur mit Weglassung des Namens, auch Plinius) 4) erzählen nemlich, auf den Rath des Theodoros habe man die Grundlagen dieses Tempels mit Kohlen ausge- füttert, um die Feuchtigkeit des Bodens unschädlich zu machen. Es kann nicht zweifelhaft sein, auf welchen der nach einan- der errichteten Tempel diese Nachricht zu beziehen sey. Der älteste der Autochthonen Koresos und Ephesos 5) gehört der durchaus mythischen Zeit an. Der Bau nach dem Brande des Herostratos war nicht ein Neubau, sondern eine Wiederher- stellung 6). Es bleibt also nur derjenige übrig, welcher un
1) Herod. I, 51. Paus. X, 5, 5.
2) 35, 152.
3) zu Philostr. p. 196.
4) 36, 95.
5) Paus. VII, 2, 4.
6) Strab. XIV, 640. Plin. 16, 79.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 3
diese sämmtlich sich auf einen einzigen Theodoros beziehen lassen.
Den ersten sichern Haltpunkt bietet uns das silberne Misch- gefäss des Theodoros, welches Kroesus vor dem Brande des Tem- pels nach Delphi weihte, d. i. vor Ol. 58, 1. 1). Ferner ist ein Werk des Theodoros der Ring des Polykrates, der Ol. 62—64 Tyrann von Samos war, diesen Ring jedoch schon früher besitzen konnte. Diesen Bestimmungen scheint nun freilich schnurstracks entgegen zu laufen, was Plinius 2) berichtet: Sunt qui in Sa- mo primos omnium plasticen invenisse Rhoecum et Theodorum tradant, multo ante Bacchiadas Corintho pulsos. Auf diese Angabe gründet sich die Ansicht von Thiersch, dass diese Erfinder der Plastik am Anfange der Olympiaden gelebt und von einem späteren Geschlecht zur Zeit des Kroesus verschieden sein müssten. Allein schon Welcker 3) hat auf den Irrthum hingewiesen, in dem Plinius sich befindet, wenn er jenen Künstlern die Erfindung der Plastik anstatt des Erzgusses bei- legt. Dieser Irrthum aber hatte einen zweiten im Gefolge: da bei der Vertreibung der Bacchiaden um Ol. 30 die Plastik nach Italien verpflanzt sein sollte, so musste natürlich Plinius seine angeblichen Erfinder in ein noch höheres Alter hinauf- rücken. Diese Bestimmung aber fällt von selbst, sobald die Voraussetzung, die Erfindung der Plastik, als falsch nach- gewiesen ist.
Eine andere Angabe führt uns auf die Geschichte des ephesischen Tempels. Diogenes Laërtius und ebenso Hesy- chius Milesius (so wie, nur mit Weglassung des Namens, auch Plinius) 4) erzählen nemlich, auf den Rath des Theodoros habe man die Grundlagen dieses Tempels mit Kohlen ausge- füttert, um die Feuchtigkeit des Bodens unschädlich zu machen. Es kann nicht zweifelhaft sein, auf welchen der nach einan- der errichteten Tempel diese Nachricht zu beziehen sey. Der älteste der Autochthonen Koresos und Ephesos 5) gehört der durchaus mythischen Zeit an. Der Bau nach dem Brande des Herostratos war nicht ein Neubau, sondern eine Wiederher- stellung 6). Es bleibt also nur derjenige übrig, welcher un
1) Herod. I, 51. Paus. X, 5, 5.
2) 35, 152.
3) zu Philostr. p. 196.
4) 36, 95.
5) Paus. VII, 2, 4.
6) Strab. XIV, 640. Plin. 16, 79.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 3
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[33/0046]
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pels nach Delphi weihte, d. i. vor Ol. 58, 1. 1). Ferner ist ein Werk
des Theodoros der Ring des Polykrates, der Ol. 62—64 Tyrann
von Samos war, diesen Ring jedoch schon früher besitzen
konnte. Diesen Bestimmungen scheint nun freilich schnurstracks
entgegen zu laufen, was Plinius 2) berichtet: Sunt qui in Sa-
mo primos omnium plasticen invenisse Rhoecum et Theodorum
tradant, multo ante Bacchiadas Corintho pulsos. Auf diese
Angabe gründet sich die Ansicht von Thiersch, dass diese
Erfinder der Plastik am Anfange der Olympiaden gelebt und
von einem späteren Geschlecht zur Zeit des Kroesus verschieden
sein müssten. Allein schon Welcker 3) hat auf den Irrthum
hingewiesen, in dem Plinius sich befindet, wenn er jenen
Künstlern die Erfindung der Plastik anstatt des Erzgusses bei-
legt. Dieser Irrthum aber hatte einen zweiten im Gefolge:
da bei der Vertreibung der Bacchiaden um Ol. 30 die Plastik
nach Italien verpflanzt sein sollte, so musste natürlich Plinius
seine angeblichen Erfinder in ein noch höheres Alter hinauf-
rücken. Diese Bestimmung aber fällt von selbst, sobald
die Voraussetzung, die Erfindung der Plastik, als falsch nach-
gewiesen ist.
Eine andere Angabe führt uns auf die Geschichte des
ephesischen Tempels. Diogenes Laërtius und ebenso Hesy-
chius Milesius (so wie, nur mit Weglassung des Namens, auch
Plinius) 4) erzählen nemlich, auf den Rath des Theodoros
habe man die Grundlagen dieses Tempels mit Kohlen ausge-
füttert, um die Feuchtigkeit des Bodens unschädlich zu machen.
Es kann nicht zweifelhaft sein, auf welchen der nach einan-
der errichteten Tempel diese Nachricht zu beziehen sey. Der
älteste der Autochthonen Koresos und Ephesos 5) gehört der
durchaus mythischen Zeit an. Der Bau nach dem Brande des
Herostratos war nicht ein Neubau, sondern eine Wiederher-
stellung 6). Es bleibt also nur derjenige übrig, welcher un
1) Herod. I, 51. Paus. X, 5, 5.
2) 35, 152.
3) zu Philostr. p. 196.
4) 36, 95.
5) Paus. VII, 2, 4.
6) Strab. XIV, 640. Plin. 16, 79.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/46>, abgerufen am 21.11.2024.
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