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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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wissen Abschlusse bringen zu können. Wir vermissen na-
mentlich eine Geschichte des Reliefs bei den Griechen, welche
uns auch nur die einfachsten Fragen über diesen Theil der
Kunst klar und bestimmt beantwortete. So muss uns beim
ersten Blicke die Eigenthümlichkeit der Anordnung gleichsam
in mehreren Stockwerken gar sehr auffallen. Aehnlich mag
die ältere Malerei verfahren sein; und Aehnliches finden wir
auch in den Vasenmalereien des ausgebildetsten Styls. Aus
der früheren Zeit der Sculptur dagegen wüsste ich nicht, was
sich unserem Relief an die Seite setzen liesse. Vergleichun-
gen bieten erst die Prachtcameen und Silbergefässe mit Dar-
stellungen aus der Geschichte des Augustus und seiner Fami-
lie; und diese würden allerdings die vorgeschlagene Zeitbe-
stimmung unseres Reliefs vortrefflich bestätigen. Dass aber
diese Compositionsweise doch nicht schon etwas früher in Auf-
nahme gekommen sein könne, dürfen wir ohne vorgängige
genaue Untersuchung der uns noch zugänglichen Thatsachen
nicht behaupten.

Gehen wir jetzt näher auf den Styl ein. Die Reliefs der
guten griechischen Zeit halten es als Regel fest, dass die Fi-
guren nicht nur auf eine ebene Grundfläche gleichmässig auf-
gesetzt werden, sondern dass mit dieser parallel eine obere
Fläche gedacht werden muss, über welche auch bei der hef-
tigsten Bewegung kein Theil einer dargestellten Figur heraus-
ragen darf. Selbst die fast rund ausgearbeiteten Figuren auf
den Metopen der Tempel folgen diesem Gesetze. Finden wir
aber ausnahmsweise, wie bei dem gewöhnlich als Kampf des
Polydeukes und Lynkeus bezeichneten Relief der Villa Albani,
dass die Grundfläche durchaus uneben gehalten ist, so zeigt
sich gerade darin, welchen Werth man auf die Ruhe in der
oberen Fläche legte, indem man es vorzog, diejenigen Theile,
welche stärker hervortreten sollten, lieber durch Vertiefung
als durch Erhöhung zu heben. Das Werk des Archelaos ist
nun freilich von der ungebundenen Weise der römischen Re-
liefs, welche zuweilen mehr nach malerischen, als nach plasti-
schen Principien angeordnet sind, noch weit entfernt; aber
eben so entfernt ist es von der strengen Regel der älteren
Kunst. Ich will hier nicht von der Unebenheit des Grundes
sprechen, da diese zum grössten Theil auf Rechnung der be-
sonderen Natur des Gegenstandes gesetzt werden kann. Eben so

wissen Abschlusse bringen zu können. Wir vermissen na-
mentlich eine Geschichte des Reliefs bei den Griechen, welche
uns auch nur die einfachsten Fragen über diesen Theil der
Kunst klar und bestimmt beantwortete. So muss uns beim
ersten Blicke die Eigenthümlichkeit der Anordnung gleichsam
in mehreren Stockwerken gar sehr auffallen. Aehnlich mag
die ältere Malerei verfahren sein; und Aehnliches finden wir
auch in den Vasenmalereien des ausgebildetsten Styls. Aus
der früheren Zeit der Sculptur dagegen wüsste ich nicht, was
sich unserem Relief an die Seite setzen liesse. Vergleichun-
gen bieten erst die Prachtcameen und Silbergefässe mit Dar-
stellungen aus der Geschichte des Augustus und seiner Fami-
lie; und diese würden allerdings die vorgeschlagene Zeitbe-
stimmung unseres Reliefs vortrefflich bestätigen. Dass aber
diese Compositionsweise doch nicht schon etwas früher in Auf-
nahme gekommen sein könne, dürfen wir ohne vorgängige
genaue Untersuchung der uns noch zugänglichen Thatsachen
nicht behaupten.

Gehen wir jetzt näher auf den Styl ein. Die Reliefs der
guten griechischen Zeit halten es als Regel fest, dass die Fi-
guren nicht nur auf eine ebene Grundfläche gleichmässig auf-
gesetzt werden, sondern dass mit dieser parallel eine obere
Fläche gedacht werden muss, über welche auch bei der hef-
tigsten Bewegung kein Theil einer dargestellten Figur heraus-
ragen darf. Selbst die fast rund ausgearbeiteten Figuren auf
den Metopen der Tempel folgen diesem Gesetze. Finden wir
aber ausnahmsweise, wie bei dem gewöhnlich als Kampf des
Polydeukes und Lynkeus bezeichneten Relief der Villa Albani,
dass die Grundfläche durchaus uneben gehalten ist, so zeigt
sich gerade darin, welchen Werth man auf die Ruhe in der
oberen Fläche legte, indem man es vorzog, diejenigen Theile,
welche stärker hervortreten sollten, lieber durch Vertiefung
als durch Erhöhung zu heben. Das Werk des Archelaos ist
nun freilich von der ungebundenen Weise der römischen Re-
liefs, welche zuweilen mehr nach malerischen, als nach plasti-
schen Principien angeordnet sind, noch weit entfernt; aber
eben so entfernt ist es von der strengen Regel der älteren
Kunst. Ich will hier nicht von der Unebenheit des Grundes
sprechen, da diese zum grössten Theil auf Rechnung der be-
sonderen Natur des Gegenstandes gesetzt werden kann. Eben so

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[587/0600] wissen Abschlusse bringen zu können. Wir vermissen na- mentlich eine Geschichte des Reliefs bei den Griechen, welche uns auch nur die einfachsten Fragen über diesen Theil der Kunst klar und bestimmt beantwortete. So muss uns beim ersten Blicke die Eigenthümlichkeit der Anordnung gleichsam in mehreren Stockwerken gar sehr auffallen. Aehnlich mag die ältere Malerei verfahren sein; und Aehnliches finden wir auch in den Vasenmalereien des ausgebildetsten Styls. Aus der früheren Zeit der Sculptur dagegen wüsste ich nicht, was sich unserem Relief an die Seite setzen liesse. Vergleichun- gen bieten erst die Prachtcameen und Silbergefässe mit Dar- stellungen aus der Geschichte des Augustus und seiner Fami- lie; und diese würden allerdings die vorgeschlagene Zeitbe- stimmung unseres Reliefs vortrefflich bestätigen. Dass aber diese Compositionsweise doch nicht schon etwas früher in Auf- nahme gekommen sein könne, dürfen wir ohne vorgängige genaue Untersuchung der uns noch zugänglichen Thatsachen nicht behaupten. Gehen wir jetzt näher auf den Styl ein. Die Reliefs der guten griechischen Zeit halten es als Regel fest, dass die Fi- guren nicht nur auf eine ebene Grundfläche gleichmässig auf- gesetzt werden, sondern dass mit dieser parallel eine obere Fläche gedacht werden muss, über welche auch bei der hef- tigsten Bewegung kein Theil einer dargestellten Figur heraus- ragen darf. Selbst die fast rund ausgearbeiteten Figuren auf den Metopen der Tempel folgen diesem Gesetze. Finden wir aber ausnahmsweise, wie bei dem gewöhnlich als Kampf des Polydeukes und Lynkeus bezeichneten Relief der Villa Albani, dass die Grundfläche durchaus uneben gehalten ist, so zeigt sich gerade darin, welchen Werth man auf die Ruhe in der oberen Fläche legte, indem man es vorzog, diejenigen Theile, welche stärker hervortreten sollten, lieber durch Vertiefung als durch Erhöhung zu heben. Das Werk des Archelaos ist nun freilich von der ungebundenen Weise der römischen Re- liefs, welche zuweilen mehr nach malerischen, als nach plasti- schen Principien angeordnet sind, noch weit entfernt; aber eben so entfernt ist es von der strengen Regel der älteren Kunst. Ich will hier nicht von der Unebenheit des Grundes sprechen, da diese zum grössten Theil auf Rechnung der be- sonderen Natur des Gegenstandes gesetzt werden kann. Eben so

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/600>, abgerufen am 22.11.2024.